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furchtbare Reaktion, gleichviel unter welcher Form. Auf Ruhe und gesunde Entwicklung hofft leider Niemand.
Bei mehreren Jnsurgentenleichen und Gefangenen wurden ausdrückliche Brandstiftungs-Ordres, mit dem Siegel des Cen- tral-Comitä's oder des WohlfahrtS-Aus- fchusses versehen, gefunden.
Miszellen.
Folgen der Strohwittmerlchast.
Humoreske von Thekla Grabowska.
(Schluß.)
„Wem aber mag er sein?" sagte nach- siunend Herr Müller, welcher gestern Abend nicht blos in einer Restauration gewesen war.
„Hier habe ich noch etwas gefunden", rief Frau Müller, und zog aus einer Seitentasche eine Visitenkarte hervor. „Vielleicht gibt diese uns Aufschluß."
Christian Lümmel,
Professor der Naturwissenschaften, R.-straße 34."
stand darauf.
„Jetzt wird mir'S klar, der Nock ist unserem Nachbar", sagte erfreut der Herr- Rath. „Wir waren gestern zusammen bei Kuhn. Ich werde gleich selbst hinüber zu ihm gehen."
Noch immer saß in stummem Hinbrüten die Frau Professorin eingeschloffen in ihrem Zimmer. Wie jeder Besuch, so wurde auch der des Herrn Rath Müller angemeldet. Sie schien unschlüssig, ob sie ihn annehmen wollte. Da dieser aber dem Dienstmädchen ausdrücklich erklärt hatte, er habe nur mit dem Herrn, nicht mit der Frau Professorin zu sprechen, und da er zu so ungewöhnlich früher Stunde kam, so wurde er angenommen, noch dazu, da die Frau Professorin den Drang fühlte, ihr tümmerbe- ladenes Herz zu erleichtern und die Schändlichkeit ihres Gatten zu offenbaren.
Der Herr Rath Müller horchte hoch aus, und als die Frau Professorin zur Bekräftigung ihrer Aussagen den Unglücksbrief hervorzog, erkannte ihn dieser sofort als sein Eigenthum und klärte die nicht wenig betroffene Frau über den wahren Sachverhalt auf. Warum ihr Gatte den ihm gemachten Vorwürfen nicht widersprochen habe, war ihr zwar nicht klar, doch löste sich auch dieses Nathsel schnell, als ihr Herr Müller Karls Briet übergab und sie nun das unglückselige Mißverständnis; durchschaute.
Sie hatte trotz ihrer Schwächen ein gutes Herz, und fühlte, wie Unrecht sie ihrem Professor gethan hatte. Mit freundlichen, liebevollen Worten bat sie ihn um Verzeihung, die ihr, nachdem auch ihm der ganze Sachverwalt klar geworden war, sehr gern erlheilt wurde. Lachend war Rath Müller inzwischen mit eiligen Schritten aus der Stube gegangen.
Während mail aber hier noch über den Friedensverhandlungen saß, klopfte cs abermals lind herein trat der Rath Müller, in jeder Haud eine Flasche Champagner.
„Liebe Leute", sagte er, „so etwas ist noch nicht dagewesen, da muß zur Feier des Tages eine Mine springen!"
„Was denn?" fragte der Professor zerstreut.
„Was? Alter Freund, da fragst Du noch? Ist es Dir schon einmal passirt, daß Dir Jemand die Fähigkeit zugetraut hätte, ein galantes Abenteuer zu bestehen? Professor der Naturwissenschaft Lämmel — und eine heimliche Liebschaft? Gibt es denn zwei größere Gegensätze in der Welt? Und die Frau Professorin hält's doch für möglich! Die ganze Welt bricht in schallendes Gelächter aus, wenn ich Verrath übe. Ich erhebe aber mein Glas, der LiebeSritter und sein böslich verlassenes Ehegespons sollen leben!
Die Professorin begriff die Situation, stieß mit an und nahm sich eine gute Lehre für die Zukunft.
Uns einer andern Welt.
Von Emil D.. .
(Fortsetzung.)
Ich betrachtete meinen Wirth; eine lebhafte Röthe bedeckte sein Gesicht; — seine Augen glänzten in poetischem Feuer; dieser fast ganz ungebildete Mensch war ganz erfüllt von der herrlichen DeSdemona — die Leidenschaft hatte seine sonst so stumpfen Organe gleichsam galvanisirt.
„Und jetzt haben Sie wohl ihrer Frau verziehen? fragte ich nach einer Pause.
„Ja. Ich reichte ihr die Hand.« Armes Weib, sagte ich in Gegenwart der Fremden zu ihr: verzeihe dir Gott, so wie ich es thue."
Da nahm die Sängerin das Wort-: „Ich schwöre Ihnen, daß Ihre Frau unschuldig ist; bald wird die Zeit kommen, wo Sie die volle Wahrheit erfahren werden."
„Aber ach, dieser schöne Tag sollte nicht kommen! Nach einem Eoneart spirituell, worin ' die schöne Fremde gesungen hatte, legte sie sich nieder um — nie mehr aufzustehen. Sie ist todt und — nahm ihr Geheimnis; mit ins Grab ! Denn durch die Verletzung eines Schwures, den man ihr auferlegt hatte, wollte meine Frau sich nie rechtfertigen. Ich suchte den Gemahl der Verstorbenen auszuforschen: er sagte aber, er wisse nichts, und ich glaubte cs, denn er war ein wahrheitsliebender Manu. Mein Glück ist also mit Jener, die es mir allein wisderbringen konnte, in's Grab gesunken. Aber das ist nicht der einzige, wunderbare Umstand dieser Geschichte; die Dame ist in diesem Zimmer, ich bade sie wieder erkannt."
„Wer ist sie?"
„Die Todte."
„O, Sie irren Sich!"
„Sie trügt dasselbe Costüm, wie damals, im italienischen Theater — ich habe sie wieder erkannt."
Der Mensch ist von Sinnen, dachte ich, und wollte mich entfernen, als die Thüre des geheimuißvollen Zimmers aufging, und eine junge Dame heraustrat, und nach dein Wirth verlangte.
MS sich derselbe vorgestellt, sagte sie: „Nicht ohne Absicht bin ich in Ihrem Hotel abgestiegeu." (Schluß folgt.)
Anstalt für künstliche Fischzucht. Die größte in Europa überhaupt bestehende Anstalt für künstliche Fischzucht befindet ich in Höningen im Elsaß. Die preußische Regierung hat sich, der „B. B. Ztg." zufolge, schon lange für diese Anstalt interessirt und wiederholt Personen dorthin gesandt, um die ganzen Einrichtungen zu studircn. Im Reichskanzler-Amt hat man es aber als einen Gegenstand von hoher nationalökonomischer Wichtigkeit betrachtet, dieselbe nicht blos zu erhalten, sondern möglichst in noch schwunghafteren Betrieb zu.setzen. In Folge davon ist denn in der Person eines bisherigen Lehrers aus der Provinz Ostpreußen eine völlig geeignete Persönlichkeit als leitender Direktor nach Höningen entsandt und mit allen Mitteln ausgerüstet worden, um sofort alle erlittenen Schäden zu redressiren und umfangreiche Erweiterungen einzurichten.
Ein Jäger, wenn er auch noch so früh in den Wald zieht, hat nicht nöthig eine Uhr mit sich zu nehmen, vorausgesetzt, daß er die Stimmen seiner befiederten Freunde kennt. Nach der Nachtigall, welche fast die ganze Nacht hindurch, singt, gibt der Fink das erste Signal, und zwar vor Tagesanbruch i Vs—2 Uhr, der Gesang derschwarz- köpfigen Grasmücke folgt daun von 2— 2Uv Uhr, dann folgt bis 3 Uhr die Wachtel von 3—3Us Uhr läßt die rothbauchige Grasmücke ihren melodischen Triller hören, von 3^2—4 Uhr singt die Schwarzamsel, von 4Vs—5 Uhr die Meise, von 5—5'/2 Uhr zirpt der Sperling, der Pariser Gamin wie man ihn sehr treffend bezeichnet.
Chislehurst, 4. Juni 1871. England wird keinen der aus Frankreich geflüchteten gemeinen Verbrecher ausliefern. Wenigstens befindet sich der Kaiser Napoleon hier vollkommen sicher. (B. W.)
Pforzhei m.
Brodtaxe vom 16.—31. Mai 1871.
Das Paar Wecken zu 2 kr. wiegt 7V- Loth.
Der zwcipfündige Laib Halbwcißbrod kostet
12 kr.
Der zwcipfündige Laib Schwarzbrot» aus Kcrnenmehl ...... 9 kr.
Der vicrpfündige Laib Schwarzbrot» aus Kerncmnehl ...... 18 kr.
Fleischpreise vom 16.—31. Mai. Ochsenfleisch das Pfund ... 20 kr.
Rindfleisch ....... 18 kr.
Kalbfleisch ........ 16 kr.
Hammelfleisch ...... 16 kr.
Schweinefleisch ...... 18 kr.
Frankfurter Course vom 1. Juni. Gcldsorten.
Prensüsche Kassenscheine 1 fl. 45'/8^ 45'/^ kr. Friedrichs'dor . . . . 9 fl. 57 — 58 kr.
Pistolen . . . . . . 9 fl. 43 — 45 kr.
Dukaten ...... 5 fl. 36 — 88 kr.
20-Frankcnstücke . . . 9 fl. 25 — 26 kr.
Englische Souvereigens 11 fl. 54 — 66 kr. Ruß. Imperiales . . 9 fl. 44 — 46 kr.
Dollars in Gold ... 2 fl. 26'/-- 27(2 kr.
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Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.