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so fort von jedem ferneren 100 Thlr. der Summe 1*/r Sgr. mehr, dergestalt, dag jedes angefangene Hundert für voll gerechnet wird.
Ausland.
Brüssel, 4. Jan. Pariser Ballonkorrespondenzen vom 28. Dez. berichten von an verschiedenen Punkten der äußern Arondisse- ments von Paris stattgefundenen Ruhestörungen, indem Volkshaufen Verwüstungen Vornahmen. Patrouillen zerstreuten die Ruhestörer. Die Beschießung des Forts Rosny seit dem 29. Dez. ist von furchtbarster Wirkung. Für bombenfest gehaltene Kasematten sind von Kugeln durchbohrt. —In Bälde wird sich Herausstellen, wie richtig der militärisch-politische Gedanke war, die Aktion auf Paris in demselben Augenblick zu beginnen, wo im Innern die Roth anfängt, den Heroismus der Phrase auf die Probe zu stellen. (S. M.)
Brüssel, 4.Jan. Etoile beige erfährt aus Paris, daß die Unruhen am 28. Dez. durch Ausschreitung des Publikums gegen Holzhändler veranlaßt wurden. Dieselben konnten nur mit Mühe unterdrückt werden. — Tie Jndependance meldet aus Lyon den 31. Dez., daß neue Unruhen der Rothen befürchtet werden.
Brüssel, 4. Jan. Nachrichten aus Lille vom 3. Jan.: Zwischen Ervilliers und Achiet gestern Gefecht zwischen der 1. Division derfranzös. Nordarmee u. Preußen. Die Franzosen bemächtigten sich des Dorfes Behagnier, mußten dasselbe jedoch unter bedeutenden Verlusten räumen. Der Rest der franz. Nordarmee war nicht im Gefechts(S. M.)
Miszellen.
Die rettende Hand.
Novelle von Otfried Mylius.
(Fortsetzung.)
Diese Absicht hatte einen triftigen Grund; sie hatte geweint, und wollte ohne Zweifel ihm die Spuren einer Schwäche verhehlen, welche seine Eitelkeit leicht hätte mißdeuten können.
„Nicht doch, theuerste Augustine, Sie werden nicht so grausam sein! Lassen Sie mich diesen neidischen Vorhang entfernen, der mir Ihre lieben Züge verbirgt!" sprach Alfred in einem Tone leidenschaftlicher Bitte und berührte — mit einer Gcberde, welche in Anbetracht der Umstände etwas wirklich Theatralisches hatte — die Ecke ihres Schleiers, als ob er in seiner dcmüthig stehenden Haltung ihre Erlaubniß erwarte, den Schleier zu lüften.
Die Dame warf stolz den Kopf zurück und sagte entschieden: „Ich bin lediglich in Geschäften hier, Herr Wehlen, und muß Sie deßhalb ersuchen, sich auch nur auf den rein geschäftlichen Theil meines Besuchs zu beschränken!"
„In Geschäften, Augustine?" rief der Lieutenant; „Sie spassen wohl, denn von welcher Art könnte Ihr Geschäft mit mir sein?"
— „Von einer sehr ernsten Art, Herr Wehlen, und ich erachte es deßhalb für das Gerathenste, sogleich auf das Geschäft
einzugehen. Ich habe — gleichviel wie und durch wen — in Erfahrung gebracht, daß Sie sich abermals in einer Geldverlegenheit befinden; ist dieß wahr?"
„Es wäre vergeblich, es leugnen zu wollen," erwiederte der Lieutenant mit einem Achselzucken kleinlaut.
— „Und daß Ihre Schulden sich aus nahezu zwanzigtausend Thaler belaufen sollen?" fuhr Fräulein Fintelmann fort.
„Auch zu diesem Vorwurf muß ich mich schuldig bekennen," entgegnete er mit einer Art erzwungener Lustigkeit. „Ich errathe nun die Art ihres Geschäfts, Augustine! ich habe nun vermuthlich mich hier vor Ihnen auf das Lasterstühlchen zu setzen, um ruhig und geduldig eine Predigt über meine Verschwendung und Tollheit anzuhören. Und da mir dieß ohne Zweifel die Ehre Ihres Besuches verschaffte, so bin ich jetzt ganz Ohr, alle Ihre Vorstellungen und Vorwürfe anzuhören!"
— „Sie irren sehr, wenn Sie von mir Vorwürfe erwarten, Herr Wehlen," entgegnete Augustine ruhig. „Als ich auf den Rath Ihres guten Onkels mich weigerte, mein Geschick an dasjenige eines Mannes zu ketten, der so wenig Fähigkeit und guten Willen bethätigte, seinen Leichtsinn zu bekämpfen und seiner unsinnigen Verschwendung Einhalt zu thun, so gab ich ein- für allemal das Recht auf. Ihnen auch nur einen Rath zu geben, geschweige denn Ihnen Vorstellungen oder Vorwürfe zu machen. Der Zweck meines Besuches ist ein ganz anderer. Sie gestanden mir, daß Ihre Schulden sich auf etwa zwanziglausend Thaler belaufen, und es ist meine Absicht, diese Summe zu Ihrer Verfügung zu stellen. Ich habe sie in diesem Augenblick nicht baar oder in leicht umsetzbaren Werthpapieren beisammen, sonst würde ich sie mitgebracht haben, allein es kann keine große Schwierigkeiten haben, sie auf meine Liegenschaften oder gegen Verpfändung von Staatspapieren zu erheben. Ich wünsche ferner, daß dieses Geschäft durch Ihren Advokaten besorgt werde, weil ich fürchten muß, Ihr Onkel Trautmann würde, wenn ich ihn mit diesem Geschäfte betraute, meine Familie davon benachrichtigen, was ich in allem Ernste vermieden wissen will!"
(Fortsetzung folgt.)
Aus der Vorrede zu Pfaff's „Lruustv Aitliou." (Schluß).
Ich glaube gerne, daß die unglücklichen, an den Bettelstab gebrachten Bürger und Bauern mit Weib und Kind den Krieg verwünschen und ihn schon früher verwünscht haben. Aber hat dieß den Krieg etwa zu verhindern vermocht, oder wird es ihn künftig verhindern? Welche Garantie kann uns überhaupt dieser unfaßbare Begriff eines gleichsam latenten „Volkes" geben, das niemals zum geschichtlichen Vorschein kommt und unter allen möglichen Staatsformen, selbst unter dem allgemeinen Stimmrecht, trotz seiner angeblichen Friedensliebe muthwillig Krieg anfüngt? Merkwürdigerweise sind es vorzugsweise sogenannte „Demokraten", welche die mystische Unterscheidung zwischen dem wirklichen Volk und dem in der Geschichte anftretenden machen. Man kann sich nichts Undemo
kratischeres denken, als diese Unterscheidung. Es sind doch nur zwei Fälle möglich: entweder das Volk ist wirklich der Selbstbestimmung fähig, dann ist ss auch für seine Kriege verantwortlich, oder eS ist eine unmündige, unverantwortliche Masse, dann soll man nicht von »Republik", von „Demokratie", von „allgemeinem Stimmrecht" und dergleichen reden. In diesem Falle würde den Deutschen .schließlich keine andere Friedensbürgschast übrig bleiben, als die ganze französische Nation unter Sequester zu nehmen um sie vor ihren eigenen Verführern zu schützen.
Deutschland hat von den Franzosen glücklicherweise eine bessere Meinung. Deutschland hofft, daß das Nachbarvolk aus seinem jetzigen Unglück etwas lerne, daß es sich bessere, daß es die „Freiheit", womit es bis jetzt blos schnöden Mißbrauch getrieben, endlich bei sich selbst zur Wahrheit mache und seine reichen Gaben zum Segen statt zum Fluche für sich und Andere entwickle. Deutschland will absolut nichts weiter für sich, als Sicherheit und Ruhe für seine Zukunft; damit dient es zugleich der Ruhe und dem Frieden unseres Welttheils.,,
Wir werden später noch einiges aus der Vorrede mittheilen namentlich den Theil, der die noch ziemlich dunklen Ursachen des Krieges behandelt. Zum Schluffe empfehlen wir diese Schrift, deren ganzer Reinertrag für die Verwundeten bestimmt ist, der württembergischen Lesewelt angelegentlich. K ... (Schw. Vztg). Die unterirdischen Soldatenhotels vor Paris.
Ans meinem Wege nach dem Chatau Meudon kam ich zu dem kommandirenden Offizier eines Piquets, der mir bereitwilligst einen Soldaten mitgab, um mich ins Schloß zum Obersten zu führen. Wir pas- sirten einen Graben, den ein halbrundes Erdwerk schützte, welches die Deutschen irr der Front des Schlosses aufgeworfen haben. In dem Erdwerk selbst hatten sich die Soldaten ein wundervolles Labyrinth von Hütten und Höhlen gebaut, zu denen Erde, Steine und das nahe Gehölz reichliches Material geliefert hatten. Zum Meublement dieser Wohnungen gab das Schloß die wunderbarsten Dinge her: kostbare Stühle mit weichen Sammetpolstern, und vergoldete Tische mit Marmorplatten standen herum. Ueberall waren kunstvolle Ornamente angebracht. lieber einer der Höhlen schwebte aus einem Stock, mit einer Pfauenfeder verziert, der Sonntagshut des Prinzen Napoleon in einem Zustande schrecklicher Zerknitterung; das war das „Hotel zur Angströhre." Links davon zeigte ein Schild das „Hotel zum Elephanten" an, und rechts deutete ein ausgestopster schwarzer Schwan auf das Vorhandensein des „Gasthofs zur todten Krähe." Und vor ihren respektiveu Hotels saßen und standcn die guten Kameraden lesend, schreibend, rauchend, essend, bis sich plötzlich das unheimliche Brummen einer Bombe oder Granate hören ließ, die als Morgengruß von Paris herüberkam, und dann verschwand Alles wie eine Heerde erschreckter Prairiehunde in die unterirdischen Hotels vor Paris. (Kriegsschauplatz.)
Redaktion, Truck und Verlag von Jak. Mech in Neuenbürg.
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