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W a h l s a ch e.
Neuenbür g.
Nachdem sowohl Hr. Eduard Leo von Höfen, als Hr. Schultheiß Beutter von Herrenalb ihre Wahlprogramme in diesen Blättern veröffentlicht haben, dürfte es passend sein, diese Candidaturen ebenfalls auf diesem Wege zu beleuchten.
Anscheinend verfolgen beide Bewerber die gleiche Richtung in der deutschen Frage; beide erklären sich für den Eintritt Württembergs in den deutschen Nordbund; ein sehr wesentlicher Unterschied aber tritt zwischen ihnen darin hervor, daß Hr. Leo dieses Ziel unabänderlich verfolgen will, während Hr. Beutter blos ausspricht, er anerkenne unter obwaltenden Umstünden die Nothwendigkeit einer bundesstaatlichen Vereinigung mit unfern norddeutschen Brüdern aus Grund der norddeutschen Bundes-Verfassung, sich also damit in Wirklichkeit vollständige Freiheit des Handelns in dieser Frage vorbehält, weil ja möglicherweise zur Zeit der Abstimmung über dieselbe die Umstände ganz andere sein können, als die „obwaltenden." — Hr. Beutter hat schon einmal kurze Zeit vor der Zoll- Parlamentswahl auf die Vereinigung Süddeutschlands mit dem Nordbund toa- stirt; dies hat ihn aber nicht gehindert, bei der Wahl selber für den par- ticularistischen Candidaten um Stimmen zu werben. Die „obwaltenden" Umstände waren zur Zeit dieser Wahl freilich so beschaffen, daß man mit dem offenen Bekennt- niß nationaler Gesinnung leicht in die Gefahr kam, mißliebig zu werden. Die Wähler wollen sich aber diesmal mit Vorbehalten, welche eine Halbheit der Gesinnung bekunden, nicht abspeisen lassen, sondern verlangen von den Candidaten ein entschiedenes politisches Glaubensbekenntnis; und Hr. Leo hat dies ohne Aufforderung seiner schon längst bethätigten Ueberzeugung gemäß abgelegt.
Hr. Leo ist deshalb der Mann unseres Vertrauens; er ist es aber auch aus dem Grund, weil er seit 3 0 Jahren an allen öffentlichen Angelegenheiten, sei es des Bezirks, sei es des ganzen Landes, in fortschrittlichem Sinne stets lebhaften und thätigen Antheil genommen hat, ohne Opfer zu scheuen und ohne seinen Lohn dafür dahinzunehmen, auch ohne sich deßwegen mit seiner Person vorzudrängen und sich selbst Weihrauch zu streuen; weil er an Vielseitigkeit der Erfahrungen im öffentlichen Leben Hrn. Beutter mindestens gleichkommt, ihn aber auf den wichtigen Gebieten des Handels und der Gewerbe jedenfalls übertrifft; weil er neben stets bewiesener Unabhängigkeit der Gesinnung auch vollständige Unabhängigkeit der Stellung im Leben besitzt; und endlich, weil er mittelst seiner Wahl Vortheile für sich weder sucht, noch überhaupt zu suchen im Stande ist. Daß Hr. Beutter das Letztere Kami, ist zweifellos; daß eres aber thun wird, können wir ihm freilich nicht beweisen; übrigens erscheint es uns bis zur Evidenz wahrscheinlich, weil Hr. Beutter, abgesehen von seinen öfteren Candidaturen um die Abgeordneten-Stelle, durch seine Bewerbungen um die Ortsvorsteher- Stellen in Heidenheim und Heilbronn bewiesen hat, daß ihm seine jetzige Stellung nicht genügt.
Mögen unsere Mitbürger in Stadt und Amt All Vorstehendes gerechter Würdigung unterziehen che sie ihre Stimmzettel in die Wahlurne legen!
Den 23. November 1870.
Mehrere Wähler,
(deren Namen zu nennen die Redaktion des Enzthälers befugt ist.)
Mit einer Beilage.
Redaktion, Truck und Verlag von Jak- Meeh in Neuenbürg.