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mit Prämiierung und Gewinnoerlosung. Die Donau ist seit einigen Tagen auf eine stattliche Länge zugefroren und bietet eins tadel­lose Schlittschuhbahn.

Pforzheim, 28. Dez. Aus Metz wird der Bad. Ldsztg. geschrieben: In Offizierskreisen verlautet hier mit großer Bestimmtheit, daß das nächst­jährige Kaisermanöver im Schwarzwald zwischen dem 13., 14. und 15. Armeekorps, dem auch einzelne Teile des 16. Korps beigegeben werden sollen, fiattfindet. Der Kaiser wird in Straßburg wohnen und von dort aus an den Manövern teilnehmen. Die zur Zeit in der Ausarbeitung befindliche sogen. Gsneral- ü>ee soll ein forcirter Uebergang über den Schwarzwald sein. Das Murgthal und die Straße über den Kniebis dürften dcn Ausgangs­punkt der Operationen bilden. (Pf. Beob.)

Karlsruhe, 27. Dez. Ein gräßliches Unglück ereignete sich gestern Nachmittag der B. Lztg. zufolge vor einer großen Menge Passanten auf dem Rangierbahnhof in der Nähe der Rüppurrer Brücke. Ein Eisenbahnarbeiter, der längs dem Ge­leise rinhrrschritt, glitt auf dem mit einer dünnen Eisschicht überzogenen Boden aus und fiel unglücklicher­weise gerade in dem Moment aufs Geleise, als eine rangierende Lokomotive daherbraust«. Dem Armen wurden beide Beine und der linke Arm ab­gefahren. Im städt. Krankenhaus wurden die verstümmelten Gliedmaßen amputirt. Der Verun­glückte ist um 10 Uhr abends seinen Verletz­ungen erlegen.

Aus Mannheim, 27. Dez, wird geschrieben: Auf dem Deck des im Mühlauhafen ankernden Schiffes Lucia balgten sich am zweiten Feiertag zwei Matrosen in scherzhafter Weise, wobei sie über Bord stürzten. Der »ine, Anton Schmitz aus Neuendorf bei Koblenz, ertrank, der andere, Johann Fuchs aus Majnz, konnte mit knapper Not gerettet werden.

Neustadt i. Schw., 27. Dez. Am letzten Mittwoch abend zwischen 6 und 8 Uhr leuchteten zum ersteninale die Straßenlampen der elektrischen Leitung und ist hiermit die Finna Siemens und HalSke den übernommenen Verpflichtungen auf den Tag nachgekommen.

Dresden, 24. Dez. Eine rührende Weih­nachtsüberraschung wurde einer hier in dürf­tigen Verhältnissen lebenden hochbetagten Dame, die früher in einem Dresdener Krankenhauss thätig war, zuteil. Sie erhielt dieser Tage einen Brief aus Amerika. Als sie ihn öffnete, fand sie darin zu ihrem freudigen Schrecken zwei Banknoten von je 500 Dabei lag ein Schreiben folgenden Inhalts: «Liebe Frau N.! Vor nunmehr 15 Jahren lag ich krank und elend dort im Krankenhause, wo Sie mich pfleg­ten. Als ich dasselbe verließ, hatte ich keinen roten Heller. Sie schenkten mir aus Mitleid, obgleich Sie selbst nicht mit Glücksgütern gesegnet waren, von Ihrem mühsam Ersparten dennoch 3 Gestatten

Sie mir heute. Ihnen mit der beiliegenden Gabe so zu danken, wie ich es schon früher gern gethan hätte und wie ich es auch in der Zukunft weiter thun werde, so wie Sie als meine Wohlthäterin eS verdienen."

Bochum, 27. Dez. Durch eine Schlag­wetter-Explosion auf der Zeche «Friedrich der Große" wurden acht Bergleute verletzt, zum Teil schwer. Die Verwaltung behauptet, das verbots­widrige Oeffnen einer Lampe sei die Ursache.

Berlin, 27. Dez. In der Willmersstraße in Charlottenburg ist heute Nacht eine Frauensperson durch Erwürgen ermordet worden. Der Thäter ein Barbier Namens Friedrich Buffe ist festgenommen worden. Er hat dis That bereits eingestanden.

Berlin, 27. Dez. Aus Petersburg meldet das Kleine Journal: Wie gut informirte Kreise wissen wollen, betrifft der jüngste Briefwechsel zwischen Kaiser Wilhelm und dem Zaren zwar keine bestimmten politischen Fragen, doch ist dieser Austausch von Meinungen zwischen beiden Herrschern als ein Zeichen der vortrefflichen Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland anzusehen.

Brüssel, 27. Dez. Eine aus 12 Personen bestehende Anarchistenbande wurde hier verhaftet.

Paris, 26. Dez. Josef Reinach veröffentlicht im SiScle einen neuen Artikel über den angeblichen Kaiserbrief und sagt, es sei sicher, daß ein gefälschter Brief Kaiser Wilhelms bestanden habe. Zuerst habe die Libre Parole von der Existenz dieses Briefes Mit­teilung gemacht und später habe der Jntransigcant nähere Einzelheiten darüber veröffentlicht, welche von dtm Kabinettschef des damaligen Generalstabs-Chefs Boisdeffre hsrrührten. Das Vorhandensein des an­geblichen Kaiserbriefcs ist sodaan auch durch Henry während des Zola-Prozesses bestätigt worden.

Paris, 27. Dez. Rappel meldet, die Re­gierung habe den Beweis, daß der angebliche Kaiser- bries von Henry angefcrtigt und gefälscht worden ist. Der Caffationshof wird in dieser Angelegenheit im Laufe dieser Woche eine Anzahl Zeugen vernehmen, darunter Groussst, Rochefort, Boisdeffre, Reinach, Jaurss, Clömenceau und Freycrnet.

PariS, 27. Dez. Diejenigen Offiziere, welche die Liste zur Unterstützung der Madame Henry unter­zeichnet haben, wurden mit Stuben-Arrest bestraft.

Paris, 27. Dez. Madame Paulmier, welche im September mehrere Revoloerschüsse auf einen Redakteur abgefeuert hat, wurde gestern vom Schwurgericht deshalb freigesprochen. An den Redakteur hat sie eine Entschädigungssumme von 15 000 Francs zu zahlen.

Paris, 28. Dez. Die mit dem Dampfer France gekommenen Passagiere aus Cayenne erzählen, Dreyfus habe dir Nachricht von der Revision ganz teilnahmlos ausgenommen. Außer fortwährenden Unschuldbetheuerungen komme kein Wort über seine Lippen; er sehe sehr gealtert und gebrochen aus.

Petersburg. Die Rückkehr des Kaisers und der Kaiserin aus Livalia ist abermals ver­schoben worden, was zu zahlreichen Kombinationen veranlaßt. Gerüchtweise verlautet, daß die Ge­sundheit der Kaiserin eine Rückkehr nicht gestatte.

Aus K onstantinop el wird gemeldet: Der Sultan sendet als Weihnachtsgeschenk der deutschen Kaiserin ein Reitpferd und der Prinzessin Viktoria Luise ein Ponygespann mit einem kleinen Wagen.

Johannesburg, 26. Dez. Am ver­gangenen Montag war der britische Unterthan Edgar von einem Buren-Schutzmann erschossen worden, der dann gegen eine Bürgschaft von 200 Pfd. Ster­ling freigelassen wurde. Aus Anlaß dieses Vorfalles fand gestern hier eine Proteflversammlung von Eng­ländern statt. Es wurde beschlossen eine Eingabe an die Königin von England zu richten, worin in entschiedener Sprache über die Tyrannei der Buren­polizei Klage geführt und die Königin gebeten wird, den diplomatischen Vertreter Englands anzuweisen, daß er Schritte thue, um ein gerichtliches, vollständig unparteiisches Vorgehen gegen den Polizeibeamten, der Edgar erschossen hat, sicher zu stellen und über­haupt Abhilfe gegen das rücksichtslose Auftreten der Polizei zu erlangen und dem Leben und Eigentum der britischen Untsrthanen Schutz zu verschaffen. Der Versammlung wohnten eine Anzahl Beamter und Buren bei. Es kam zu einem Zusammen st zwischen beiden Parteien. Man hieb mit Stöcken auf einander los. Einem englischen Freiwilligen- Major wurde der Rock vom Leibe gerissen. Die Buren zogen sich nach dem Postgebäude zurück. Die Eingabe ist dem englischen Vizekcnsul überreicht worden, der versprach es weiterzubefördcrn.

Vogelmord in Thüringen. Wohl in keinem andern Teile Deutschlands sind unsere Singvögel so sehr der Verfolgung ausgesetzt, wie in einigen thüringischen Staaten. Wie arg es hier in dieser Hinsicht getrieben wird, zeigen wieder folgende Mitteilungen: In Saalfeld bot kürzlich eine Frau aus dem Dorfe Meura IV- Schock (90 Stück) ge­rupfte, zum Braten hergerichtete Meisen zum Ver­kauf aus, und ein aus derselben Ortschaft stammender Arbeiter antwortete auf dis Frage, wie groß sein Tagesfang sei, es fehlten ihm nur zwei Mandeln an sieben Schock (also insgesamt 390 Stück). Aus Rudolf­stadt wird berichtet, daß bei einer Durchsuchung meh­rerer Stellen gegen 800 Leimruten gefunden wurden. Bei der Annäherung der Beamten machten sich allmäh­lich 50 Personen aus dem Staube, die wahrscheinlich mtlich der Vogelsteller« abgelegen hatten. Ergriffen wurde leider nur eine Person. In den Vogelschutz­vereinen in Gera und den umliegenden Orten sucht man jetzt sämtliche Vogelschutz- und landwirtschaft­lichen Vereine zu veranlassen, dahin zu wirken, daß

auf diese Frage Antwort gegeben, wurde die Thür geöffnet und Gräfin Clarissa stand auf der Schwelle.

«Mein Gott täuschen meine Augen mich nicht Erlaucht kommen zu mir?"

«Ja, ich komme zu Dir, mein armes, schwergeprüftes Kind," entgegnete die Gräfin und streckte der ganz konsterniert dreinschauenden Elinor ihre beiden Hände entgegen. Mit lerser Bewegung nötigte sie die ehemalige Wärterin ihrer Schwester, das Zimmer zu verlassen. Kaum aber hatte die alte Frau diesem Gebote gehorsamt, als die Gräfin tieferregt Elinor an sich zog und in einem Tone sagte, den das junge Mädchen nie von diesen Lippen zu hören gedacht hatte:

«Ja, ich komme zu Dir, mein Kind. Aber wie ich Dich hier in meinen Armen halte, bin ich eine Bittende, eine, die Dich anfleht:Vergieb vergiß, was ich Dir angethan und komm' wieder zu mir. Aber nicht als Dienerin. Meine Tochter sollst Du von nun an sein, der Sproß zweier gleich vornehmer Geschlechter. Denn nur für einen solchen ist der Mann nicht zu gut, zu edel, den ich Dir jetzt selbst zuführen werde."

Gräfin!"

«Nicht Gräfin Tante nenne mich!" rief Clarissa jedoch. Dann eilte sie nach der Thür und öffnete dieselbe für Leonhard.

Gleich darauf zog der glückstrahlende junge Mann die Geliebte an sein Herz. «Endlich endlich!" flüsterte er dabei. Clarissa von Rudolfsburg aber legte segnend die Hände auf die Häupter der so Vereinten. Zum ersten Mal nach den Monden ihrer Brautschaft mit Erich von Rungen füblte die Gräfin sich wieder voll befriedigt. Empfand sie doch, daß des Weibes schönstes Glück darin besteht, vergeben zu können und Böses mit Gutem zu vergelten. Elinor aber dünkte sich wie in einem seligen Traum. Es währte lange, ehe sie begreifen lernte, daß eS Wirklichkeit war, was sie erlebte, und einzusehen vermochte, wie

sich die Wandlung Clarissas vollzogen.

* *

He

Ein halbes Jahr darauf wurde im Hause Ihrer Erlaucht ein glänzendes Fest gefeiert. Es galt die Vermählung Leonhards mit der Freiin Elinor Rungen

von Stein. Der ganze Adel von Stadt und Umgegmd war geladen, außer den Felderns und den Drontens natürlich, welche sich übrigens zur Zeit in Rom be­fanden, wo Graf Vionselli die kleine Braut mit seiner Familie bekannt zu machen wünschte.

Zur großen Freude Elinors waren dagegen die beiden Brüder ihrer ver­storbenen Mutter gekommen. Der MajoratSherr und selbst jener Aermste, dessen Anblick dem jungen Mädchen einen Stich durch das Herz gab, bezeigten der Nichte die aufrichtigste Herzlichkeit. Sie wenigstens dachten nicht daran, der Tochter des Mannes, welche den jüngeren Grafen zum Krüppel geschossen, die Vergehungen der Eltern nachzutragen.

Um die zwölfte Vormiltagsstunde eines wunderschönen Frühlingstages fand die Trauung des jungen Paares in dem großen Saal des Nudolfsburgschcn Hauses statt. Henriette, die gelähmte Freundin der Braut, hatte es sich nicht nehmen lassen, Elinor den Myrtenkranz auf dem Haupt zu befestigen. In der offenen Thür eines Nebenzimmers stand jetzt der Fahrstuhl des armen Mädchens. Henriette durste in ein weißes Gewand gekleidet leuchtenden Auges auf das Bild schauen, das sich nun vor ihr entrollte. Nie aber hatte man wohl ein schöneres Paar an Gottes Altar gesehen als Leonhard und Elinor. Von dem Glorienschein des Glückes umwoben, knieten sie unter Blumen vor dem Priester rings um sie herum aber verharrte eine stolze, glänzende Gesellschaft.

Clarissa und der MajoratSherr von Rudolfsburg standen dem Paare zu­nächst:Gleicht Elinor nicht auf das Haar einer Göttin des Altertums?" flüsterte die Gräfin dem Bruder in einer unbewachten Minute zu.

Der MajoratSherr schüttelte den Kopf. Und während die Neuvermählten vor dem greisen Konsistorialrat die Ringe wechselten, erwiderte er leise: «Nein, Schwester, nur wie ein echtes, deutsches Edelfräulein, das ich gestern übrigens auch in die Rechte seiner verstorbenen Mutter eingesetzt habe."

«Dank, Dank!" flüsterte Clarissa. In ihrer Seele aber tönte es froh­lockend:So führte mein Leonhard doch eine reiche Erbin zum Altar, und eS ist nichts mit den Entbehrungen, von denen er freilich mit einer gewissen Vor­liebe sprach."

(End e.)