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fortlaufender Beiträge aus städt. Mitteln zur Unterhaltung eines bei Neubabelsbcrg erstellten Jn- validenhauses ab. Der Antrag auf Verwerfung der Zumutung ging von dem deutschparteilichen G.-R. Stockmayer aus. Nach den Mitteilungen der Stiftungen blieben zwar von den vorhandenen Bau- Mitteln 15000 ^ übrig, allein für den Betrieb reicht der Fonds bei weitem nicht aus. — Dem Beispiele Heilbronns folgend wird in Stuttgart demnächst das Institut der Schulärzte ins Leben treten. — Die Verhandlungen zwischen der Stadt und der Hofdomänenkammer wegen vollständiger Ueberwölbung des Nesenbachs sind soweit gediehen, daß mit den Arbeiten nächstes Frühjahr begonnen werden kann. Zu den Hundrrttauscnden, welche der Nesenbach die Stadt schon gekostet kommt alsdann noch eine weitere namhafte Summe. — Nach dem Stand der Wertpapiere pro 31. März 1897 hatte der kath. Jnter- kalarfonds ein Vermögen von 19'/« Mill.
Stuttgart, 17. Nov. In der gestrigen Parteiversammlung der Sozialdemokratie kam auch die am 9. Dez. staltfindende Bürgerausschuß- wahl zur Sprache. Nach den Mitteilungen der Schwab. Tagw. ist der Kompromiß der Volkspartei mit der Sozialdemokratie bereits zu Stande gekommen. Die letztere ist diesmal mit einer kleineren Zahl von Austauschkandidaten nicht zufrieden gewesen. Sie hat von der Volkspartei den Austausch von vier Kandidaten verlangt und erhalten. Die Volkspartei hat also an den beiden soz.dem. Gcmeinderäten nicht genug, sie will nun auch 4 Sozialdemokraten in den Bürgerausschuß bringen. Ob ihr dazu die Bürgerschaft Stuttgarts behilflich sein soll? Ausgestellt wurden von der Sozialdemokratie nach der bei der Versammlung auf sie gefallenen Siimmenzahl in nachstehender Reihenfolge folgende Genessen: Tauscher, Sperka, Hildenbrand, Baßler, Bohne, Stern, Jöhler, Blos und Frech. (Schw. M.)
Tübingen, 15. Nov. Barbarisch roh mißhandelt wurde der ledige 19 Jahre alte Dicnstknecht I. Gg. Brenner von Kuppingen, welcher bei einem Kutscher in Herrenberg in Diensten steht. Am 11. ds. führte derselbe zwei ihm unbekannt« Schäfer auf den hiesigen Bahnhof, kam jedoch zu spät auf den Zug an. Als er nun sein Geld verlangte für die Fahrt, suchte der eine das Weite, der andere hingegen schlug mit seinem Stock auf ihn ein und warf ihn zu Boden, schlug ihn dann mit den Fäusten und würgte ihn am Halse, daß er atemlos und eine zeitlang bewußtlos blieb. Bis Brenner wieder zu sich kam, war auch der Thäter verschwunden. Die fortgesetzten Nachforschungen haben ergeben, daß der Thäter der verheiratete Schäfer Wilh. Holderle von Willmandingen gewesen ist. Weiteres wird die Untersuchung ergeben.
Von den Fildern, 16. Nov. Dank der günstigen Witterung der letzten Wochen konnte die Bestellung der Wintersaat noch vollständig ausgeführt werden. Die warmen Nächte beschleunigten das Keimen des Samens, und so gewähren die meisten Getreideäcker einen hoffnungsvollen Anblick. Auch den Obstbäumen kam die warme Herbstwitterung sehr zu statten; dieselbe ermöglichte die Auszeitigung der jungen Holztriebe sowie die vollständige Ausbildung der zahlreichen Fruchtknospcn. Einen eigentümlichen Anblick bieten die Luikenbäume: zwischen den kranken,
schwärzlichen Blättern drängt sich junges, saftiggrünes Laub hervor. Die Besitzer sind hievon wenig erfreut, da zu befürchten ist, daß die Winterkälte diesen Bäumen hart mitspielen werde.
Metzingen. Am 14. d. M. abends hat die etwa 30 Jahre alte ledige Friederike Waldörfer aus Linsenhofen einem Sensenhändler aus Oesterreich hier einen Hundertmarkschein gestohlen, sich mit einem Fuhrwerk nach Nürtingen befördern lassen, dort in einer Wirtschaft mit den anwesenden Gästen 16 Flaschen Wein getrunken und sich sodann weiter nach Plochingen führen lassen, wo sie auf telegraphische Benachrichtigung bei ihrer Ankunft vom Landjäger in Empfang genommen wurde.
Ulm, 16. Nov. In Bcimerstetten, hiesigen Oberamts, zündet n 2 noch nicht schulpflichtige Knaben mit Zündhölzchen einen aus der Scheuer des Zimmermanns Banzhaf heraushängenden Strohbüschel an, wodurch ein großer Brand entstand, der die Scheuer und das Wohnhaus des Genannten einäscherte.
Ravensburg, 14., Nov. Schlecht ging es dieser Tage einem Brautpaar in der Nähe von hier. Wie gewöhnlich wurde auch da beim Usberführen des Broulfudcrs (Wagen mit den Möbeln rc. der Braut) geschossen. Infolgedessen wurden die Pferde scheu. Der erste Wagen prallte auf einen in die Straße hereinragenden Baum, wodurch zwei wertvolle Kisten vollständig zertrümmert wurden. Die Ladung des zweiten Wagens, der die Küchengeräte und das Porzellan enthielt, wurde ebenfalls bedeutend beschädigt; bas Geschirr ging größtenteils in Scherben, so daß dem Brautpaare ein erheblicher Schaden entstand.
Friedrichshafen, 14. Nov. Um die Erfindung deS Grafen von Zeppelin bezüglich des lenkbaren Luftschiffes zu erproben, läßt die Gesellschaft für Förderung der Luftschifffahrt in Stuttgart, der ein Kapital von einigen hunderttausend Mark zur Verfügung stehen soll, demnächst in der Nähe der Domäne Manzell einen schwimmenden Schuppen von riesigen Größenverhältnissen erstellen. In diesem Schuppen soll unter Leitung eines Stuttgarter Maschinentcchnikers das lenkbare Luftschiff hergestellt und mit diesem alsdann Flugversuche über den Bodensee gemacht werden. Die Flugversuche, welche im Monat Juli 1899 stattfinden sollen, dürften eine große Menge Schaulustiger herbeilocken.
Hamburg, 17. Nov. An Bord des am 8. ds. von Neapel nach Gibraltar abgegangenen deutschen Dampfers Dora fand eine heftige Explosion statt, bei welcher drei Mann der Besatzung erhebliche Verletzungen erlitten. Das Schiff selbst ist unbeschädigt geblieben.
Altona, 17. Nov. Der Schirmmacher Oldenburg, der hier vor einigen Wochen verhaftet wurde, weil er geäußert haben sollte, er wolle den Kaiser auf der Rückreise von Jerusalem ermorden, wird sich nur wegen MajefiatSbeleidigung zu verantworten haben.
Berlin, 17. Nov. Aus Malta wird berichtet, daß Kaiser Wilhelm nicht an Land ging, sondern die englischen Admirale und Kapitäne an Bord der Hohenzollern empfing.
Berlin, 17. Nov. Wie aus Malta tele« graphirt wird, hat das Kaiserpaar die weitere Seereise durch das Mittelmeer um Spanien und
Mann wie Leonhard zehntausendmal lieber ist, als mancher steinreiche Großgrundbesitzer! — Und nun, mein Liebling, schilt mir den Lieutenant auch nicht mehr. Siehst Du, er hat Dich ja von ganzem Herzen lieb, und wenn er Dich auch einmal auf irgend etwas aufmerksam macht, das nicht korrekt in Deinem Auftreten ist, so solltest Du ihm dankbar sein. Du bist ja noch so fremd auf dem Boden, der feine eigenste Heimat ist . . . Aber ich glaube. Du hörst mich gar» nicht mehr," unterbrach sich der alte Herr und schaute verwundert nach seinem Töchterchen, das jetzt am Fenster stand und mit erglühtem Gesicht auf die Straße hinabgrüßte. —
„Verzeih, Papa, aber es galt, der Frau Präsidentin zu danken, die eben an unserem Hause vorüberfuhr," erwiderte sie, ohne dem Papa jedoch zu sagen, daß auch der Assessor in dem Mietswagen gesessen, der eben vorbeigerollt war.
„Ah, die Frau Präsidentin!" Der Baron trat nun ebenfalls an das Fenster, kam aber zu spät, wenn er die Dame noch sehen wollt«. Denn das Gefährt war bereits in eine Seitengaffe gebogen. — Im Begriff, wieder von dem Fenster zurückzutreten, schlug sich der alte Herr plötzlich vor die Stirn: „Daß ich die« nur vergessen konnte," rief er dann. „Ich habe gestern, als ich die Frau Präsidentin getroffen, da sie in Angelegenheiten des Frauenvereins in der R—straße zu thun hatte, versprechen müssen, Dich heute nachmittag auf ein Stündchen zu ihr zu senden. Ich glaube, sie sagte, daß sie mit Dir über kleine Ueberraschungen beraten möchte, die sie ihren Nichten bereiten wollte. — Na, eS ist nur gut, daß ich jetzt noch daran denke. — Du bist doch bereit, Kleine, den Wunsch der Dame zu erfüllen?"
„Gewiß — gewiß, Papa," entgegnete das junge Mädchen, und eS war unbegreiflich, daß dem alten Herrn nicht der übergroße Eifer auffiel, mit dem das Töchterchen seine Bereitwilligkeit zu diesem Besuche erklärte. Baron Feldern
Frankreich herum bis Brunsbüttel aufgegeben. ES wird vielmehr von Malta nach Pola fahren und von dort mit der Bahn die Heimreise nach Potsdam antreten. Ob diese plötzliche Aenderung der Reise- DiSpositionen auf einen gestern vom Staatssekretär von Bülow dem Kaiser gehaltenen Vortrag zurückzuführen ist, läßt sich in diesem Augenblick noch nicht sagen.
Berlin, 17. Nov. Wie dem Kleinen Journal zufolge in München aus sicherster Quelle verlautet, trifft am 3. Dezember Kaiser Wilhelm und am Tage darauf der Großherzog von Baden zum Besuche des Prinz-Regenten in München ein.
Berlin, 17. Nov. In der Schleiermacherstraße im Süden von Berlin ist in der Nacht zum Bußtag die 31 Jahrs alte Prostituirte Emma Sicg- mund ermordet worden. Als mutmaßlicher Thäter ist ihr Geliebter, der 28 Jahre alte Arbeiter Berkholz verhaftet worden.
Berlin, 17. Nov. Die weitere Untersuchung des Verbrechens in der Schleiermacherstraße hat zu einer überraschenden Wendung geführt. Der mutmaßliche Thäter Berkholz wurde noch gestern Abend wieder auf freien Fuß gesetzt. Er scheint also der Thäter nicht zu sein. Nachforschungen nach anderen Richtungen sind im Gange.
Brüssel, 17. Nov. Großes Aufsehen erregt die Verhaftung und Ausweisung des polnischen Professors Gumplowitz und einer 13jährigcn Schülerin. Dieselben werden anarchistischer Umtriebe beschuldigt.
Rom, 17. Nov. Das Parlament wurde gestern durch den König mit einer Thronrede eröffnet, welche eingehend die Unruhen im Frühjahr behandelt. Die Cretafrage, die Anarchisten-Conferenz, die Finanzlage und dis Abrüstungspläne >des Zaren werden sodann erörtert und zum Schluß betont die Thronrede die friedlichen Absichten Italiens,
Paris, 16. Nov. Der Figaro erklärt, daß der Beschluß desCassationshofes im Justiz- Palais unter den Advokaten großes Aussehen erregt hat. Die Advokaten sind der Ansicht, daß in der Dreyfus Angelegenheit nunmehr die Zeit zum Handeln gekommen sei. Dasselbe Blatt sagt, daß die Zahl derjenigen, welche für die Revision und für di« Unschuld DreyfuS eintreten, nunmehr zusehends zunimmt, da das Papier, auf welchem das Bordereau geschrieben, als von Esterhazy herrührend erkannt worden sei. — Frau Dreyfus ist bereits von einem Journalisten über den Beschluß des Cassationshofes interviewt worden. Sie zeigte sich tief gerührt und sagte: Endlich werde ihr Gatte vor die obersten Richter gestellt werden. Hoffentlich werde ihm genügend Zeit gelassen, um alle an ihn gestellten Fragen beantworten zu können. Der Schwiegervater DreyfuS äußerte sich dahin, die Familie werde sich nun nicht mehr in der Angelegenheit Hervorthun. Sie fei genügend befriedigt über die neuen Thatsachen, die jeden Tag ans Licht kämen. Es genüge der Familie, zu wissen, daß Dreyfus von allem Kenntnis erhalte und'daß er erfahre, welche großen Anstrengungen seine Verwandten und Freunde um ihn machten.
Paris, 16. Nov. Dreyfus wird durch den Staatsanwalt in Cayenne verhört werden.
aber war eine gar so harmlose Natur und seinem Kinde vertraute er wie sich selbst. -
Wenige Stunden später stand die Baronesse in dem Salon der Präsidentin. Mit wahrhaft berückender Liebenswürdigkeit hatte die weltgewandte Dame Else empfangen. „Ich wußte ja, daß sie kommen würden, meine kleine Freundin," sagte sie nun, die beiden Hände der Baronesse fassend, „wenn ich einen Dienst von Ihnen erbitte," fuhr sie eifrig fort und geleitete Else zu einem reizenden Etablissement zierlicher Polstermöbel. Und dann saßen die beiden Damen — die schöne Matrone mit dem schneeigen Haar und die blonde Else — dicht neben einander auf dem niederen, mit mattblauer Seide bezogenen Sofa. Die weißen Händchen der Baronesse ruhten in der Rechten der Präsidentin. Diese selbst aber sprach in der harmlosesten Weise zu ihrem jugendlichen Gast von der Veranlassung zu ihrer Einladung. Und es klang so wahr von den Lippen Frau von Drontens, als sie das kleine Edelfräulein vom Lande um Rat fragte, womit sie wohl die verwöhnten Nichten in der großen Stadt erfreuen könne. Ach, wenn Else von Feldern gewußt, wie stürmisch das Herz der Präsidentin schlug in Angst und Sorge, während sie so von den gleichgültigsten Dingen der Welt sprach I Wenn das junge, unerfahrene Mädchen geahnt hätte, daß diese glänzende Weltdame gleichsam in ihr die Erlöserin sah aus einem Elend ohnegleichen — nichts mehr und nichts weniger plante, als sie von dem Verlobten zu trennen und dem eigenen Sohn in die Arme zu führen?! Nun, Baroneßchen wäre vielleicht zuerst ein wenig betroffen gewesen, dann aber hätte sie sich an die Brust der schönen Frau mit dem weißen Haar geworfen und ihr jubelnd in's Ohr geflüstert: „Ja, ja — so ist's recht: Felix — Dein Sohn paßt viel besser für mich, als der ernste, pedantische Leonhard." Nun aber vermochte die Kleine ja nicht im Innern Frau von Drontens zu lesen, es kam ihr auch nicht im entfern-