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m Schillerarchiv befin lichen Handschrift des Komponisten; Oberamtsrichtsr Kern trug mit gewohnter Meisterschaft die Schiller'sche Ballade „Der Kampf mit dem Drachen" vor und verschiedene Toaste fanden freudige Zustimmung. Den Toast auf den Begründer des schwäb. Schillervereins, Seine Majestät den König, brachte der Vorstand Stadtschultheiß Haffner aus, der auch im Laufe des Abends unter Freudenbezcugungen der Versammelten die große Anzahl schriftlicher und telegraphischer Festgrüße mitteilte und von den in erfreulicher Zahl eingelaufenen Festgaben Mitteilung machte.
Göppingen, 11. Nov. Der hiesige Kaninchenzüchterverein, besten volkswirtschaftlicher Zweck es ist, billigeres Fleisch zu erzielen, hat heute in den oberen Räumen der Brauerei z. Waldhorn eine Kaninchenausstellung «öffnet, wie man solche in dieser Ausdehnung zum erstenmal in Süddeutschland zu sehen Gelegenheit hat. Man sieht Kaninchen aller Rasten: deutsche, befische, französische, englische, Russen, Japaner und Angorakaninchen. Unter den etwa 400 Tieren sind namentlich ausgezeichnet 63 belg. Riesen, 67 französ. Widder, 17 englische und Kreuzungen von beiden letzten Arten. Die Ausstellung, mit der eine Preisoerteilung verbunden ist, wird am Sonntag geschloffen werden.
K Pforzheim. Die Angelegenheit betreffs der Verhaftung des ehemaligen Direktors der hiesigen Reichsbank: Nebenstelle Emil Johann Heyrich hat vor der Strafkammer ihren Abschluß gefunden. Der Genannte wurde zu 1 Jahr Gefängnis wegen Unterschlagung von ca. 5000 die durch Kaution gedeckt sind, verurteilt. — Vergangenen Samstag fiel das 2jährige Kind des Metzgermeisters Stieß hier im Hofe in eine oufgedeckte Dunggrube. Das Kind war erstickt als man eS auffand. — In der Pfarrgaffs hier ist der 5 Jahr alte Knabe einer Schuhmacherfamilie aus dem Fenster gestürzt. Lebensgefährlich verletzt wurde derselbe in's Kinderspital verbracht.
Leipzig, 11. Nov. Der Zeichner des „Sim- plicifsimus", Maler Thomas Theodor Heine, ist, wie das Leipziger Tagblatt meldet, gegen eine Kaution von 30,000 auf freien Fuß gesetzt worden.
Hamburg, 13. November. Die nun abgeschlossene Sammlung für das Bismarck-Denkmal weist an eingegangenen Beiträgen eine Gesammt- summe von 442,417 ^ auf.
Friedrichsruh, 12. Nov. Das Halberstädter Kürassier-Regiment, dessen Chef Fürst Bismarck war, wird außer einer Offiziers-Deputation das Trompeter: Corps und 12 Unteroffiziere zur Ueber- führung der Leiche BiSmarck'S vom Sterbezimmer nach dem Mausoleum am 27. ds. hierher entsenden. Obsrpräsident Graf Wilhelm Bismarck trifft mit seiner Familie bereits in der nächsten Woche hier ein.
Friedrichsruh, 13. Nov. Es steht nunmehr fest, daß die Beisetzung des Fürsten Bismarck nicht am 27. ds. stattfinden kann. Wahrscheinlich wird sie bis Neujahr verschoben.
Berlin, 11. Nov. An der Beisetzung des Fürsten Bismarck werden voraussichtlich Abordnungen nicht teilnehmen. Fürst Herbert Bismarck hat die Teilnahme mit Rücksicht auf die Jahreszeit und mit Rücksicht auf den Mangel einer Gelegenheit die betreffende Abordnung zu empfangen abgelehnt.
Berlin, 11. Nov. Die „Post" bestätigt,
daß der Kaiser in keinem spanischen Hafen an Land gehen werde. Die angekündigten Falschmeldungen hätten nur den Zweck, in Amerika den Glauben zu erwecken, als wenn Deutschland in der Philippinenfrage für Spanien Partei nehme, wodurch in Amerika Verstimmung gegen Deutschland heroorgerufen würde.
Berlin, 11. Nov. Ueber die Rückreise des Kaiserpaares meldet ein Telegramm aus Baalbeck, daß der Kaiser und die Kaiserin heute Abend um 6 Uhr in Beirut eintreffen und sich an Bord der Hohenzollern begeben, welche morgen früh 6 Uhr in See geht.
Berlin, 12. Nov. An der Spitze ihrer heutigen Nummer schreibt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung anläßlich der in Beirut heute erfolgten Einschiffung des deutschen Kaiserpaares unter der Ucberschrift: Zur Heimkehr: Die Wallfahrt unseres Herrscherpaares nach dem heiligen Lande, die ohne j-den Mißklang verlaufen ist, gehört der Geschichte an. In ihr aber wird sie fortleben mit dem Glanze der reichsten, ungetrübten Erinnerung, ein leuchtender Punkt zu Ehren des Christentums und der deutschen Nation. Als treuer Bekenner seines Glaubens, als mächtiger und großmächtiger Schirmherr deutscher protestantischer wie katholischer Interessen, hoch gefeiert von dem Beherrscher des oSmanischen Reiches und seiner türkischen Unterthancn, hat in den letzten Wochen unser Kaiser auf fremdem Boden von Neuem für die Ehre des deutschen Namens erfolgreich geworben, zur Freude aller Patrioten und unter unverhohlener Achtung des Auslandes. Mit innigster Dankbarkeit und Verehrung wünschen wir unserem Kaiserpaar Glück und Wohl zur Heimfahrt.
Berlin, 12. Nov. Gestern abend fand eine Versammlung zur Vorbereitung eines festlichen Empfangs des Kaiserpaares bei der Rückkehr aus dem Orient statt. Mit den Vorbereitungen wurde ein Ausschuß betraut, dem der-Polizeioberst Krause, Bankdirekior Giersberg und andere angehören.
Berlin, 12. Nov. Der Redakteur des „Vorwärts", Dr. Braun, ein g borener Oesterreicher, erhielt den Befehl, binnen 14 Tagen das preußische Staatsgebiet zu verlassen.
Berlin, 12. Nov. Zu den Bemerkungen des Vorwärts über die Ausweisung des Redakteurs vr. Adolf Braun aus dem preußischen Staatsgebiete schreibt die Norddeutsche Allgemeine Zeitung: Es kann nicht zweifelhaft sein, daß Dr. Braun zur Kategorie derjenigen Ausländer gehört, die durch ihre Thätigkeit in dem fremden Staatsgebiete lästig fallen. Wer das ihm staatlich gewährte Gastrecht mißbraucht, um als berufsmäßiger Agitator den Klassenkampf zu schüren und eine gegen di« Grundlagen des Staates gerichtete Propaganda im Zuge zu erhalten, begiebt sich selbst des Rechts, in den Grenzen des von ihm angegriffenen Staates ungehindert Aufenthalt nehmen zu dürfen. Die zuständigen Behörden handelten daher richtig, als sie dem Ausländer Dr. Braun die Möglichkeit entzogen, seine staatsfeindlichen Umtriebe auf preußischem Boden fortzusetzrn.
Braunschweig, 11. Nov. Wie die Braunschweiger Neuesten Nachrichten berichten, erfolgte in der letzten Nacht um 2 Uhr in der norddeutschen Zucker-Raffinerie in Frellstedt eine heftige Explosion. Bis heute früh um 5 Uhr waren 16 Personen, welche bei der Explosion Verletzungen erlitten haben, in das Krankenhaus zu Helmstedt gebracht.
Genf, 11. Nov. Der Prozeß gegen Lurche n i wurde bereits gestern Abend zu Ende geführt. Das Urteil lautete, wie zu erwarten war, auf lebenslängliches Zuchthaus, die höchste zulässiige Strafe. Als das Urteil verkündet war, und übersetzt werden sollte, rief Luccheni: Nicht der Mühe wert! und eS lebe die Anarchie, nieder mit der Gesellschaft, nieder mit der Aristokratie. Zufrieden lächelnd wurde er von den Gendarmen abgeführt.
Wien, 11. Nov. Die Arbeiter-Zeitung erklärt bei Besprechung des Prozesse- Luccheni, daß das Urteil ein vollständig gerechtes sei, daß es aber nunmehr notwendig sei, vor Allem die Ursachen aus der Welt zu schaffen, welche derartige Verbrechen Hervorrufen. Man müsse trachten das Elend und die Roheit zu bekämpfen, den Geist des Verbrechens ebenso zu bekriegen, wie Jene, die an Blutstrafen festhalten.
Bozen, 12. Nov. Das hiesige Kreisgericht verurteilte den Sozialdemokraten Scatarani wegen Gutheißens der Ermordung der Kaiserin von Oesterreich zu 15 Monaten und die desselben Vergehens an- geklagte Marie Rccla zu 6 Monaten schwerem Kerker».
Paris, 11. Nov. Die gegen Esterhazy eingeleitete Untersuchung wegen Betruges zum Schaden seines Vetters hat zur notwendigen Folge, daß ein Auslieferungsbegehren an England gerichtet wird.
Paris, 12. November. Die Vergünstigungen, welche Dreyfus vom Cabinet Brisson bewilligt worden sind, wurden jetzt wieder aufgehoben, weil der Cassationshof entschieden hat, daß die Strafe fortzudsuern habe. Darüber wird auch am Dienstag die Kammer interpellirt werden.
Paris, 13. Nov. Privatnachrichten aus Cayenne bestätigen entgegen den amtlichen Meldungen über den Zustand Dreyfus, daß dieser dem Wahnsinn nahe sei. — Cavaignacs langes Verhör brachte nicht die geringsten Beweise für die Schuld Dreyfus, sondern nur persönliche Ansichten, auf die der Caffa- tionshof kein Gewicht legen kann. Die Aufhebung des Dreyfus-Urteils ist zweifellos.
Beirut, 13. Nov. (Kaiserreise.) Die Rückfahrt von Baalbeck nach Muallaka vollzog sich unter Huldigungen der aus allen Teilen Syriens herbeigeströmten Bevölkerung. Beachtenswert war, daß bei dieser Kundgebung alle Religionen und Nationalitäten "Ssktreten waren. Man erblickte in der Volksmenge, die den kaiserlichen Wagen umringte, griechische Typen neben muhamcdanischsn Ulemas, katholische Mönche und evang. Diakonissinnen, Araber und Türken, Drusen, Maroniten und Tscherkeffen. Gestern abend war Beirut festlich beleuchtet. Eine ungeheure Menschenmenge durchwogte die Straßen, und grüßte den Kaiser jubelnd, der sich zu Pferd zum Schiffe begab.
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Herrn von Rungen am Frühstückstisch zusammenzutreffen. Um zehn Uhr vormittags trafen die Herrschaften denn auch schon wieder auf Rudolfsburg ein. Um drei Uhr nachmittags aber folgte ihnen Herr von Rungen und ließ sich bei dem Grafen melden. Ich weiß natürlich nicht, was damals im Salon gesprochen wurde — aber — acht Tage später feierte man auf dem Schlosse der Rudolfs- burgs die Verlobung Komtesse Clarissas mit dem jungen Reiteroffizier."
„Ah! —" Elinor hatte die Hand um das Körbchen gekrumpft, das vor ihr auf dem Tische stand und die Materialien zu der mühevollen Seidenstickerei enthielt, an der sie im Auftrag der Gräfin arbeitete. Eine kleine Weile hindurch war es still im Gemach. Endlich aber fragte Elinor wieder: „Und die jüngere der beiden Komtessen NudolfSburg — Manon war wirklich nicht bei dieser Verlobung zugegen?" —
„Nein," entgegnete Frau Werner. „Sie kam erst vier Wochen vor dem bestimmten Hochzeitstage. Zwei Jahre nur hatte das Komteßchen in der Pension zugebracht, und doch erkannten wir alle sie kaum wieder. Freilich, Komtesse Manon war immer ein reizendes Geschöpfchen gewesen. Wie sie aber jetzt vor uns stand, war sie eine Schönheit ersten Ranges. Na — und Lieutenant von Rungen verschloß seine Augen ihrem Liebreiz ebenso wenig wie alle Uebrigen. Freilich ahnte kein Mensch im Schlosse, was zwischen Rungen und Komtesse Manon vorging, bis —!"
„Bis?" fragte Elinor leise.
„Bis die Beiden eines Morgens verschwunden waren — ReißauS genommen hatten — der Himmel weiß — wohin ... Es war ein jämmerlicher Streich, zu welchem der Lieutenant das Komteßchen verleitet hatte. Wir alle
verdammten ihn deshalb, wenn wir auch begreifen konnten, welchen Zauber die reizende Manon auf den lebenslustigen jungen Mann geübt, der übrigens wohlweislich vorher schon seinen Abschied aus der Armee genommen. — Der Skandal war unerhört, den die Geschichte verursachte. Denken Sie doch Fräulein, schon hatte man die Hochzeit Komtesse Clarissas vorbereitet — waren die Gäste geladen, als die Verliebten die Flucht ergriffen. Unfern alten Gnädigen warf die Schande auf das Krankenbett, wo er, außer sich, auch sein Testament machte und Manon enterbte. Den jüngeren Bruder des nunmehrigen Majoratsherrn, Graf Waldemar, aber trieb es dazu, den Flüchtigen nachzueilen. Erst nach Monden traf er sie, jedoch sie waren inzwischen längst Mann und Frau geworden. Wie es so bei vornehmen Herren gebräuchlich, forderte der junge Graf Rudolfsburg nun Herrn von Rungen — ein Duell fand statt, und —."
„Und?" hauchte Elinor wieder.
„Nun, Graf Waldemar zog den Kürzeren — und blieb sein Leben lang ein Krüppel."
„Auch das noch!" stieß Elinor hervor. Dann warf sie die Handarbeit in das Körbchen und erhob sich hastig. Das bleiche Gesicht des Mädchen aber war noch um einen Schatten farbloser geworden. „Bei Ihrer Erzählung ist mir die Zeit außerordentlich schnell vergangen," zitterte es dann über ihre Lippen, „und ich muß mich eilen, in mein Stübchen zurückzukommen. Gute Nacht, liebe Madame Werner, gute Nacht, Herr Haushofmeister," sagte sie noch und reichte dem ganz konsterniert dreinschauenden Paar ihre Hände. Dann aber trat sie auf den Fahrstuhl zu und umarmte Henriette. „Schlafen Sie wohl, mein Liebling," kam es dabei wie ein Hauch über ihre Lippen. (Forts, folgt.)