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Miszellen.

Marianne.

Erinnerung aus dem Badelcbc».

Von Auguste Kurs.

(Fortsetzung.)

Die alten Leute konnten zuerst an eine solche Verirrung ihres Sohnes gar nicht glauben, über- dieß hatten sie ganz andere Pläne mit ihm gehabt, und des Adlenvirths rothwangige Aelteste war doch eine stattlichere Braut als nein es war ja ganz unmöglich! Nach und nach freilich kam es ihnen in das Gcdächtniß, daß die jungen Söhne zuweilen einen andern Geschmack haben, als ihre betagten, weisen Eltern, daß ihnen sogar irgend eines hübschen Mädchens Stimme besser gefällt, als der Klang des Geldes, daß der Alois mitunter doch ganz auffällige, absonderliche Reden über die Marianne geführt, sic oft in Schutz genommen oder ihr geholfen hatte wie gesagt, es bedurfte nur noch eines geringen Anlasses.

lieber die duftende Wiese, nicht weit von dem schäumenden Gebirgsbach, ging der fröhliche Zug. Alle schienen heiter der Lust des Tages dahinge- geben. Wieder flatterten Schleifen und Locken; die Hellen, luftigen Gewänder der Damen hoben sich schimmernd von dem frischgrünen Rasen und dem dunkeln Waldgrund, ihre heitern Stimmen klangen weithin durch die reine Bergluft. Ob wohl Alle im Herzen so heiter waren, als sie schienen? Eine Frage, die ich oft an mich richte inmitten der Gesellschaft.

Dem landräthlichen Paare gefiel das Berg­steigen sicher nicht, um so weniger, da der Baron ihre gute Adolphine heut gänzlich übersah, so kindlich sie ihn vorher auch gebeten, ihr Bleistift zu spitzen. Der Baron war offenbar mit seinen Gedanken in weiter, unerfreulicher Ferne, so bald er sich unbeachtet glaubte. Ich bemerkte wohl, wie er einige Male, aber vergebens, sich der ernsten Marianne zu nähern suchte; diese aber war als Stütze von der alten Gräfin in Beschlag genommen, gleich wie der Weg an dem wallenden Kornfeld vorüber bergaufwärts führte. Noch Mancher und Manche der bunten Reihe wären gern zu Haus geblieben, sie litten lächelnd unter der selbstgeschaffenen Verpflichtung, sich nicht aus­schließen zu dürfen. Nur wenige der jungen Mäd­chen, unter ihnen Malvine und Isabelle, in Be­gleitung des dienstwilligen Kreissekretärs und anderer Galanten, die dafür mit Tüchern und Sonnen­schirmen beladen wurden, stiegen leichtfüßig voran und plagten in jugendlichem Uebermuth den ver­drießlichen Alois mit allen möglichen Fragen nach dem Namen jeder zerklüfteten Bcrgkuppe, jedes grauen Gemäuers.

Genug der Rast nun unter dem schattigen Fruchtbaume! Die nächste Wendung des Weges zeigt mir zur Rechten auf hohem Bcrgcsgipfel die herrliche, weitgedehntc Ruine. Nagt doch der alte Thurm noch eben so stark und fest empor, wie damals, obgleich er jedem Sturm und Wetter preisgegeben und nur des Himmels Wölbung sein Dach ist. Durch die leeren Fensterbogcn leuchtet heut nur der reine, blaue Aether. An jenem Tage zeigte sich in jedem ein liebliches Angesicht. Uebcr Schutt und Steingeröll, auf schmalem, ge­fährlichem Pfade, waren die kühnen, jungen Mäd. chen emporgeklimmt, und grüßten nun triumphi- rend in den Burghof hinab, auf dessen frischem

Rasen bald ein Helles Feuer emporloderte. Auch der schützende Umkreis der Mauern scheint noch derselbe, wie er sich tief am Bergeshang hinun­ter zieht.

Es war doch damals ein munteres Leben dort oben! Die Natur hatte ihren alten, wunderbaren Zauber bewährt. Ausgeglichen und beschwichtigt erschienen im Anschauen der reichen, großartigen Umgebung die kleinlichen Interessen und Sorgen. Der zum Theil erzwungenen, künstlich erregten Heiterkeit folgte ein stilleres, innig empfundenes Genügen.

Nöthlich glänzten im letzten Sonnenglühen die zerbröckelten Zinne» des Thurmes, weit hinaus dehnten sich die riesigen Schatten der Mauerreste und der schwankenden Bäume, die aus Halle und Prunkgemach empor wuchsen. Wir traten den Rückweg an.

Vorsichtig und langsam ging es über die Trümmerhaufen, den steilen Hang hinunter. Leichte, weiße Nebel stiegen schon von den Wiesen empor, und der Pfad am Walde entlang war fast in Dämmerung gehüllt. Groß und voll hob sich hinter dem kahlen Bergrücken schon der Mond und kämpfte siegreich mit seinem milden, bleichen Lichte gegen die rosig verschwimmende Abendröthe. Irgend Jemand aus der Gesellschaft machte den Vorschlag, einen andern Rückweg hart an dem wild brausenden Wasser entlang an der Mühle vorbei zu nehmen. So geschah es. Wahl und Laune führten die Paare zusammen. Alois hielt sich mit Mariannen in einiger Entfernung zurück, der Baron schien mir auch, um Beiden näher zu bleiben, absichtlich zu zögern, ich selber schaute bald nach den Dreien, bald in das rasche Wasser, das hier, zwischen steilen Ufern in ziemlicher Tiefe und über Felsgrund den treibenden Mühlrädern entgegen schoß.

Plötzlich erscholl die laut klagende Stimme der alten Gräfin ein scharfer Luftzug hatte ihr den kostbaren Spitzenschleier, das auch heute viel bewunderte Erbstück der hochscligen Großmama entführt. Das leichte Gewebe zog über uns da­hin, flatterte nieder und blieb an einem der Ge­sträuche hängen, die sich weit über das Wasser neigten.

Marianne war der Stelle am nächsten, sie eilte hinzu, bog sich, der Warnungsrufe nicht achtend, immer tiefer hinab, erfaßte endlich den wehenden Schleier, und war im nächsten Augen­blicke mit einem Angstschrei unter den schäumenden Wellen verschwunden. Sic trieben die widerstands­lose, leichte Gestalt den brausenden Mühlrädern zu. Alles eilte herbei. Unschlüssig jammernd stand der lange Alois, überrascht und rathlos die übri­gen Herren, nur Baron Stern war rasch ent­schlossen der Treibenden bis fast zur Mühle am Ufer vorausgeeilt, warf sich von einer minder schroffen Stelle in die Fluth, und legte nach we­nigen Minuten die Gerettete, die den Unglücks- schlcier noch fest in der Hand hielt, auf das schwellende Ufergras.

_ t gortick'.ma folgt.)

Acrztlicher Kalender. Wer zu Erkältungs­krankheiten geneigt ist, der trage, zumal jetzt, wo kühle Nächte kommen, keine Leinwand auf dem blosen Leibe, sondern Wollhemden.- Hat man sich durch Erkältung rheumatische Schmerzen zugezogen, so gießt man I2 Löffel voll Hoff- männische Tropfen auf und legt einen Fleck Watt darüber oder warme Tücher. (St.-Anz.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mceh in Neuenbürg.