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Beilage zum Gnzthälee Atro. 80 .

Mittwoch, den 10. Oktober 1866.

Kandivirthschastliches.

Am Sonntag, den 1 t. d. M.,

Nachmittags 2 Uhr,

findet eine landwirthschastlichc Ausschuß-Sitzung im Gasthauszum Rößle" in Gräfenhausen statt, wozu die Mitglieder des landwirthschaft- lichen Vereins eingeladen sinl>.

Neuenbürg, den 4. Oktober 1866.

Der Vorstand.

Die gegenwärtige Lage der Landwirthe Württembergs.

(Fortsetzung.)

Ganz besonders sind die künstlichen Dünger als geeignet zu bezeichnen, einen erweiterten Handelsgewächsbau zu unterstützen, den wir in Zukunft im Auge behalten müssen. Der Anbau des Repses lohnt noch immer durch gute Preise, und wenn man au manchen Orten der Unsicherheit wegen seinen Anbau seit Jahren unterlassen hat, so wird man um so eher wieder mit Erfolg zu seiner Kultur zurückkehren können. Nur in wenigen Fällen, vorzüglich im Kleinen, wird der Mohn au die Stelle des Repses treten können. Der Anbau des Hopfens kann noch immer mit Vortheil ausgedehnt werden, da die Konsumtion des Bieres immer größere Dimensionen annimmt und immer neue Länder sich derselben erschließen.

Größere Aufmerksamkeit als bisher, scheint der Lein in Württemberg zu verdienen. Wenn er auch vorzugsweise in Küstenländern und Ge­birgen gedeiht, so kann er doch auch an andern Orten, die feucht genug sind, angebaut werden. Seit vielen Jahren wird der Lein in Hohenheim mit bestem Erfolge gebaut und es läßt sich nicht denken, warum er nicht an andern Orten Würt­tembergs auch gedeihen sollte.

Alle die bezeichneten Handelspslanzen können bei Anwendung von künstlichen Düngmitteln in größerer Ausdehnung und mit weit größerer Sicherheit angebaut werden.

Hiemit haben wir in Kurzen! die Punkte be­zeichnet, die der größere arrondirte Landwirth unter den veränderten Konjunkturen zu beachten hat, und dürfte die Aenderung seines bisherigen Betriebes im Allgemeinen keine besonderen Schwie­rigkeiten haben. Die von Vielen als unheil­drohend bezeichnet« Ackerbaukrisis hat für ihn nichts Gefahrbringendes.

Ganz anders erscheint die Lage unserer klei­nen Landwirthe, der Bauern, weil diese, Ange­sichts der veränderten Verhältnisse, bei einem veralteten Systeme verharren und bei dem Man­gel eines Kulturgesetzes in ihrer Gebundenheit auf alle Fortschritte und Hilfsmittel der neueren Landwirthschaft nahezu verzichten müssen. Die gefährliche Lage dieses größeren Theils unserer Landwirthe erscheint hauptsächlich begründet in der fortdauernden Zerstückelung der Güter und der daraus resultirenden absoluten Kleinheit des

Besitzes, und sodann in der Beschränkung der Bodenbenützung durch den Flurzwang und die Weiderechte. Aus diesen beiden Ursachen ent­springen dann noch eine Reihe sekundärer Leiden, die in der That die Lage unseres Bauernstandes zu einer sehr bedenklichen machen.

Um die Bedeutung der Kleinheit des Besitzes für Württemberg richtig zu würdigen, ist es nothwendig, einen Blick auf die Entwicklung un­serer jetzigen Grundbesitzverhältnisse zu werfen.

Es besteht in den Grundbesitz-Verhältnissen von Alt- und Neuwürttemberg ein durchgreifender Gegensatz *). Im alten Herzogthum Württem­berg bestand schon seit lange eine gesetzliche voll­kommene Freiheit zur Theilung des Grund und Bodens. In Folge dessen sind die geschlossenen Güter seit langer Zeit eine Ausnahme. Durch den 30jährigen Krieg scheint die Zahl der freien Güter über die der Lehengüter die Oberhand gewonnen zu haben, so daß schon im 18. Jahr­hundert Geschlossenheit der Güter nicht mehr die Regel bildete; aber auch die lehenrechtlich gebun­denen Güter wurden früher schon mit Erlaubniß der Grundherren gegen Entrichtung einer Taxe zerstückelt. Besonders stark bestand die Theil- barkeit des Grund und Bodens in den frucht­baren, milden Gegenden von Stuttgart an ab­wärts, während dagegen in den rauhen, weniger fruchtbaren und weniger bevölkerten Gegenden der Alb, des Schwarzwalds und Welzheimer Walds geschlossene Güter fortwährend die ge­wöhnlichen Fälle bildeten.

In den seit 1803 zum alten Herzogthum Württemberg neu hinzugekommenen Landestheilen war dagegen das Grundeigenthum durch Lehens­bande der freien Veräußerung entzogen. Nur an einzelnen Orten hatte auch hier schon Zer­trümmerung der geschloffenen Güter stattgefun­den. (Crailsheim, Gerabroum) Außerdem stand aber auch die Sitte der Zerstückelung entgegen, indem fast immer dem ältesten oder jüngsten Sohne das geschlossene Gut zufiel.

Die Regierung suchte nun, in der Ueber- zeugung von der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit, die Theilbarkeit im alten Herzogthum auch auf die neuen Landestheile zu übertragen, indem sie durch das Edikt von 1817 mit den Fesseln der Leibeigenschaft auch den Druck des Lehenver­bandes beseitigte. Bekanntlich ist es aber den Standesherren gelungen, die Ausführung des Edikts im Bereiche ihrer Herrschaften zu ver­hindern. Hier blieb daher bis zum Jahre 1848 die alte Lehenverfaffung bestehen, wo sie dann im damaligen allgemeinen Sturme fiel. Die Wirkung des Gesetzes vom Jahr 1817 zeigte sich sogleich in Oberschwaben, indem der gewerbs­mäßige Ankauf von großen Gütern zum Zwecke des stückweisen Wiederverkaufs, die Hofmetzgerei, begann. Einige spätere Beschränkungen und

*) Beitrag aus Württemberg zu der Frage von freiem Verkehr mit Grund und Boden von Prof. Fallati. Zeitschrift für die gesammte Staatswiffenschaft. Tü­bingen 1845.