Beilage zum Enzthuler Nro. SL.

Mittwoch ven 23. November 1864.

Miszellen.

Der Gesandtenmord von Rastatt.

(AusMomente deutscher Geschichte« von G. Horn.)

Das von großen und mächtigen Erschütterungen bewegte achtzehnte Jahrhundert schloß mit einem Er- eigniffe, welches in der Geschichte des Völkerrechts fast ohne Beispiel, und das auf den ferneren Gang der - Weltereigniffe von größtem Einflüsse gewesen.

Die französische Revolution hatte alle bestehenden Verhältnisse im innersten Kerne zerstört. Alles, was bisher für heilig nnd unantastbar gegolten, wurde mit frevelcr Hand angegriffen und vernichtet, alle staatliche und gesellschaftliche Grundlage erschüttert; mit dem Tode des zum Schaffote geschleppten KönigspaarcS von Frankreich hatte die wahnwitzige Ueberstürtzung ihren Höhepunkt erreicht; die deutschen Fürsten besorg­ten, daß bas in Frankreich gegebene Beispiel in Deutsch­land zündend wirken möchte, und sie brachten daher eine Verbindung zur Bekämpfung der drohenden Volks­gewalt zu Stande, wie sehr auch der greise österreichische Staatskanzler Fürst Kaunitz rieth, den Vulkan in seinem Innern sich austoben zu lassen. Hätte man dem Rathe des weisen erfahrenen Staatenlenkers gefolgt, die Ereignisse würden einen andern Gang genommen haben; so aber wurde in der Notwendigkeit des Widerstandes französischer Seils der gewaltige Dämon, Napoleon I. geweckt, unter dessen eisernen Schlägen das arme deutsche Vaterland beinahe zwei Jahrzehnte seufzen sollte. Diese Verbindung deutscher Fürsten war das letzte Lebens­zeichen des abgestorbenen deutschen Reichs und das Schicksal derselben eine schlimme Vorbedeutung für die nachfolgenden Geschicke derselben. Das gegen die Fran­zosen operirende Reichsheer war eine schwerfällige Masse ohne einheitlichen Gedanken, in den französischen Sans- culottes jedoch kämpfte der nationale Widerstandsgeist, eine nationale Idee; diese Idee begeisterte ihre Kämpfer - und der Begeisterung wird in den meisten Fällen auch der Sieg zu Thcil. Nachdem die deutschen Heere sich im Kampfe mit den republikanischen Franzosen er- schöpft, schloß Preußen 179S zu Basel mit der Republik einen Separatfrieden, in welchem es Oesterreich lm Stiche ließ. Die Antwort Oesterreichs auf diesen Frie­den war der Frieden zu Campo Formio, in welchem der Kaiserstaat Preußen preisgab. Endlich sollte ein gemeinsamer Reichsfriere mit der neuen Republik zu Stande kommen und zu diesem Zwecke ward ein Con- greß nach Rastatt einberufen, derselben Stadt, in welcher vor 83 Jahren der Frieden nach dem spanischest Erbfolgekrieg geschloffen war. Der Congrcß wurde die Reichs-Friedens'Deputation genannt und die Ab­

gesandten hießen in der Kanzleisprache des h. römischen Reichs die Subdelegirten. Die drei verhandelnden Hauptmächte waren Oesterreich, Preußen und Frank­reich. Der Wiener Hof hatte den Grafen Metternich, den Vater des späteren Staatskanzlers, als Vertreter des deutichen Reichs, den Grafen Lehrbach als Ver­treter Oesterreichs und den Grafen Cobenzl als zur Führung der diplomatischen Verhandlungen mit dem überrheinischen Abgesandten abgeordvet. Von Seite Preußens waren Graf Görz, Herr von Jakobi und Herr von Dohm gesandt. Die Deputaten des fran­zösischen Direktoriums waren Bonnier, dessen Aeußc- res dem eines wohlgenährten Stadtpfarrers glich, Roberjot, ein früherer Kaufmann, der sich durch gefällige Formen sehr von seinem Collegen Bonnier unterschied, welcher Letztere bei großen Kenntnissen ein rauhes, barsches Weien zeigte, vielleicht nur, weil, er aus einer alten Familie stammend jedem Verdacht der Hinneigung zur alten Ordnung der Dinge bcgeg. neu wollte. Der dritte, Jean Debrp, war ein langer, hagerer, brünetter Manu. Das Urtheil bedeutender Menschen, wie des Herrn v. Dohm und des damaligen ÄriegsrathS, späteren Ritters von Lang, welche beide bei der preußischen Gesandtschaft thätig waren, geht dahin, daß die drei französischen Deputaten sehr unter­richtete und gebildete, hellsehende und auch wohlwollende Männer gewesen. In ihrem Vortrag namentlich hatte sich eine tiefe Verachtung für das ganze Treiben wah­rend des Congreffes festgesetzt; dasselbe war aber auch der Art, daß der begeistertste deutsche Vaterlandsfrcund in diesem Gefühle mit den Franzosen sich einig bekennen mußte. »Die Kerle mit den Manschetten," wie eine deutsche Frau, Rahel von Varnhagen von Ense, die Diplomaten der damaligen Zeit nannte, verbrachten ihre Zeit in eitlen, tändelnden Zerstreuungen: Soupers, Diners, französische Commödie, hohes Spiel waren die Hauptbeschäftigungen; und auf den Papilotten der Frauen wurden die Gesandtschastsbcrichlc an die Höfe entworfen. Der politische Barometer war der Spitz des Trafen von Görz; je länger derselbe seinen Herrn erwartend vor der Thüre des Grafen Ruhbcrg, des Schwagers des Grafen Görz, saß, desto ernster ge­staltete sich die Situation. Ein Resultat hatte der Congreß wenigstens: keiner der Diplomaten veriäumtc, das vortreffliche Rccext des Grafen Görz für Eispunsch seinem Hofe heimzubringen. Vor den Geschäften hatte man eine instinktive Furcht. Man zog sie hinaus, man scheute sich, sie ernstlich anzugreifcn. Vielleicht lag in Allen die Ahnung, daß der Congreß doch kein Resultat haben würde, daß keiner der deutschen Mächte es red­lich mit der andern meinte. Der österreichische Premier­minister Baron Thugut hatte in dem Frieden zu Campo Formio für die Niederlande, «diesen Mühlstein am ' Halse Oesterreich," Venedig eingctauscht und in den