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Und er ließ sie i'n rgentbüm'ich gespannter Erwar- tung bkifamm n, ihnen ireistelleno, den ohne Zweitel lustigen S»rr, zu erratden, weichen er rem jungen fürstlichen Sonvcrling spielen wollte.
3.
Am andern Morgen weckte der Lärm unt r seinen Fenstern Herrn Randeck schon mit Sonnenaufgang, und seine erste Regung war: die nächste Umgebung zu mu- stern. Das Zimmer, worin er sich befand, lag in der Beletage res Hauses, war ziemlich geräumig, aber un- gemein kahl, nur mit einem einigen Fenster versehen, höchst tpärlich mödilirt. Das Bett in der Ecke links an der Tbürc, daneben ein umfangreicher Kleidcrichrank mit einem Anstrich von Ochtenblut, diesem zur Seite «ine breite Ps«l«rkvmmode, m>t einem großen Tyrolcr Teppich bedeckt; über dieser Kommode ein schlecht lithographirtcs lüv«« Kom», und über demselben ein trüber, schräg gestellter Spiegel, daneben ein schlecht« schließendes Fenster ohne Läden, nur in Eile mit einer i schiefstehenden Gardine behängen, neben diesem in der andern Ecke ein großer Tisch von hartem Holze, und drei wackelige Strohlessel — das war mit dem kleinen eisernen Kastenofen das ganze Ameublement des Zimmers, dessen Aussehen durch die verräucherte Tapete, den trüben Plafond der längst nicht wieder getünchten Decke, und grau gewordene Oclfardc des Holzwerks vicht eben gastlicher gemacht war'.
Eine Weile beobachtete Randeck diese seine Umgebung im Ganzen wie im Einzelnen mit wechselnden Empfindungen, dann aber gewann die gute Laune die Oberhand und mit einem lautschaltenden Gelächter sprang er endlich aus dem Beite und beeilte sich, in die Kleider zu fahren und leine Toilette zu machen. Hierauf zünoete er «ine Cigarre an. stieß daß Fenster auf und legte fick, unter demselben auf Beobachtung Dessen, was an diesem freundlichen, sonnenhellen, goldenen Morgen in dicirr ihm neuen Umgebung um ihn her vorging.
Bon welcher Art seine Wahrnehmungen waren, darüber belehrt uns am besten der Inhalt eines Brieses, welchen er einige Stunde später an seine Schwester schrieb.
--Meine liebe Mathilde!
--Da wäre ich denn in dem kleinen Städtchen, welches ras Ziel meiner Reise und rer Stammsiz unserer Familie ist. Gestern Abend spät b n ich nach einer anstrengenden Fahrt von sechsundzwanzig Stunden hier angetommen, und nun liegt das kleine Land- städtchen im Morgenlichtc eines sreundl chen Herbsttages vor mir wie eine offene Hand, wie eine entfaltete Landkarte, und mir ist, als wüßte ich es schon auswendig. Ich bin wie in einer neuen Welt, meine Liebe, denn wer, wie wir, in einer großen Stadt ausgewachsen und den grössten Theil seines Lebens nur in großen Städten gelebt, der vermag eher ein reines Landleben auf einem einsamen Hofe, oder in einem entlegenen Dorfe zu begreifen, als die Physiognomie und die Lebensweise eines solchen Bauernstädtchens in einem fernen Winkel der Provinz, wo der Büiger nicht zu Hause ist, wenn der Bauer im Felde ardeilet. Mir ist so wunderlich zu Muthe — so elegisch wchmüthig auf der einen, so übermüthig lustig auf der andern Seite, daß ich sagen möchte: ich bin in einer vorzugsweise humoristischen Stimmung.
„Allein höre: das Zimmer, worin ich Dir so- eben schreibe, hat vor achtzehn Jahren ein Mann, dessen Werke mich oft mit einer aufrichtigen Hochachtung für ihn erfüllt haben, ebenfalls bewohnt, und schon damals durch eine lateinische Inschrift charakterifirt, die ich heute früh mit einem Feuerstein auf der Fensterscheibe eingekrizelt fand, und welche folgendermaßen lautet. 'Ich habe im Jahre 18- diese Spelunke einige Monate lang bewohnt und vermache ihr beim Scheiden für schlechte Herberg bei Tag und Nacht meinen Fluch und ihren späteren Bewohnern mein inniges Mitleid. W. H. aus D., Landwirts».' Ich werde gewiß nach meiner
innigsten U'derzeugung der Wahrheit nicht Gewalt antbun, wenn ich riese Behauptung wage, baß seit jener Zeit weder Tüncher, »ow Maler, noch Tischler und Tapezier Restaurationen au vi.fi r Stube vor genommcu haben, und der Zustand des Fußbodens verräth, daß die bedauerten Bewohner vor mir die Belanutschaft eines so gemelnnüzigcn Möbels wie rin Spucknapi augenscheinlich noch nicht gemacht haben und r eWirthe im'Nehbock'zu Gleis- bcrg sich noch in jenem goldenen Zeitalter der Cul» tur befinden, wo man die S ife höchstens für den eigenen Körper für nothwendig erachtet. Zugegeben muß ich zwar, daß die Lacken des Bettes, worin ich von den Strapazen einer Fahrt von 80 Meilen ausruhte, tadellos weiß waren; allein das Bett selbst war nicht ganz geschaffen, um sanften Schlummer zu erzeugen, denn mein müdes Haupt lau aus einem heben Berge von schwer» Federkissen, während mein Körper nur durch eine dünne Schichte Federn von einem schwellenden raschelnden Strohsacke getrennt, dagegen von eine», ganzen Gebirge von Gänsefedern in Gestalt einer gewaltigen Decke überlagert wurde, so daß ich aus heißen Fieber» träumen halb gedünstet erwachte, als ein halbes Duzend Äuechte und Fuhrleute heute mit Tagesanbruch in einem unverständlich breiten, schnarrenden Jargon um einige Fr cht- und Mistwagen herum die Krait ihrer Lungen und die Treibschnur ihrer Peitschen prüften Aber verstehe mich wohl, meine liebe Mathilde! dis jczt hat dicß ßüllesz und die gänzlich abcnteuerlose Fahrt von gestern aus Eisenbahn, Dampfschiff und wiederum Eisenbahn und Diligence meine gute Laune noch nicht vernichtet, foudern eher erhöht. Ich lache da und dsrt ein kleines Unbehagen hinweg, und blicke erwartungsvoll der weiteren Entwicklung meines hiesigen Aufenthalts entgegen, welcher mir eine, meinen seitherigen Anschauungen, Erlebnissen und Gewohnheiten diametral entgegengeiezte Welt, einen socialen Mikrokosmus kennen zu lernen verspricht.
(Fortsezung solgt.)
Neuenbürg.
Auf die in Nr 93 des Enzthälers durch Herrn Stadischuldhciß Weßinger in Betreff der Errichtung einer
Elementarschule
ergangene Einladung hin haben mehrere Väter sowohl von hier als aus der Umgegend bei der Zusammenkunft auf dein Nachhause eine Vor« dereiiungsschule für die Realschule und zugleich für eine lateinische Schule nicht nur als ein Bedürfniß erklärt, sondern auch ihre Bereitwilligkeit ausgesprochen, zu den für eine solche Schule jährlich erforderlichen Kosten nicht unwesentlich beizutragen. Auf welche Weise und in welchem Umfange dieser Beitrag zu leisten und was überhaupt zu tvun sey, um die Errichtung einer Elementarschule durchzusczen, darüber soll nun nächsten
Samstag den l. Dezember Abends 7 Uhr bei Albert Lutz
weiter verhandelt werden. Der Unterzeichnete ladet daher zn dieser Verhandlung aus Auftrag nicht nur alle diejenigen Väter dringend ein, welche das alsbaldige Zustandekommen einer Elementarschule wünschen müssen, sondern auch alle diejenigen Väier, welchen das Vorhanden- sepn einer solchen Schule spater zum Verthcit gereichen wird.
Fr. Grosmanu.
Redaktion, Druck und Bcrlag der Mceh'fchen Buchdrucker« iu U-urnbürs.