Beilage znm Gnzthälee Nr. 8L.
Samstag, den 20. Oktober !860.
Miszellen
Zum 18 ^Oktober.
Man hat die Schlacht bei Leipzig »die Völkerschlacht" acnannt. und das ist in der Thal ihre geschichtliche Bedeutung. Durch diese Schlacht bei Leipzig ' war Napoleons Einstuß auf Deuischland für immer gebrochen, und Deutschland hatte seine Unabhäng'gkcit, seine Freiheit nach Auße n, welchem die Bedingung der inneren Freiheit ist, nach langer Schmach der Knccht- tchaft wieder errungen. Ein so großes Resultat war aber nicht auf gewöhnlichem Wege erzielt worden. Um Napoleon, welchem nach und nach fast alle Fürsten Europa's erlegen waren, zu bestegen, reichten nicht bewußtlose Masten aus, welche, nur dem Gebote ihres Herrn getreu, sich für eine ihnen gle chgültige Sache schlagen; nicht Englands Gold, nicht die auf Triebfedern einer selbstsüchtigen Politik der Höfe beruhenden Koalitionen stürzten ihn; an die Völker mußte man sich wenden, welche in ihm den Feind ihrer Na« tionalilät erkannt hatten, um siegreich aus dem Kampfe hervorzugchcn, welcher schon säst ein Viertel-Jahrhundert Europa verheert und selbst auf fremden Wcltthci« len seine Schaupläze sich auserschen hatte. Wie dem Einzelnen die Ehre, das Recht der Persönlichkeit unantastbar ist, so unaustilgbar, natürkräftig, wohnt jedem Volke das Gefühl seiner Nationalität inne. Dieses heilige Recht hatte Napoleon mit frevelnder Hand augctastet, und als die Völker aus dem Schlafe erwachten, in welchen sie mit süßen Träumen einer ihnen angebotenen trügerischen Freiheit eingewiegt worden waren, loderten die Zornes-Flammen einmüthig auf gegen den, welcher ihnen unter dem Namen der Freiheit ihre Selbstständigkeit geraubt hatte. Es warteten daher die Völker nicht überall auf das Gebot ihrer Herrscher, um den heiligen Krieg, den Freih eits- krieg zu beginnen; sie standen für ihre eigene Sache auf und opferten sich für dieselbe auch, als sie von ihren Fürsten verrathcn wurden, wie die Tyrolcr und die Spanier. Einer solchen Kraft der Gesinnung konnte Napoleon nicht widerstehen. Das Geheimniß seiner Größe bestand ja darin, daß er, getragen von dem National-Bewußtsepn seines Volkes, einem geistlosen Mechanismus gegenüberstand, er mußte also fallen, als er mit gleichen Waffen angegriffen wurde; die Ge- schichte wird ihn als Beispiel aufwcisen, baß man nicht ungestraft Völker unterjocht.
Der Kampf im Libanon und der gegenwärtige Zustand Syriens.
(Foriiezung.)
Nicht so günstig war das Loos der unglücklichen Einwohner von Hasbapa. Die Bevölkerung dieser Stadt bestand aus zahlreichen muselmännischen Emirn, aus der Familie Schahab, geschworenen Feinden der Drusen, aus mehreren Tausenden orthodoren Griechen, aus einer großen Anzahl Maroniten und aus einer protestantischen Gemeinde, die von allen anderen Cul- tcn grausam verfolgt wurde. Die Protestanten machten jedoch im Augenblick der Gefahr gemeinsame Sache
mit den Emirs und ihren Mitbürgern. Der alte, vom ganze» Bergvolke geliebte und geehrte Barakat selbst wollte troz seiner fünfundfiebenzig Jahre an der Seite seines Sohnes Mansour kämpfen. Mansour war eS, t er sich allein durch die Reihen der Drusen Bah« brechend, die feindliche Fahne ergriff, deren Träger den Kopf ab- hicb, und seine Trophäe schwingend, zu den Christen zurück eilte Diese mußten jedoch schließlich, troz der Hülfe der Türken, zurückweichcn, die, ohne sonst viel zu thun, sich entschlossen, zwei Kanonenschüsse gegen die Drusen abzufeuern und den besiegten Christen eine Zuflucht in der Festung anznbieten, unter der Bedingung, daß sie ihre Waffen ablieferten und »Gott schenke dem Sultan den Sieg" riefen. Ungefähr NOO Mann nah- > men diese Bcdingunqcn an und Osman-Bcp, der türkische Oberst schloß mit ihnen einen Vertrag ab, in dem er für das Leben der Christen mit seinem eigenen bürgte. Nachdem er sic entwaffnet hatte, behielt er sie ungefähr zehn Tage im Schloß, und hungerte sie aus, denn nach dem Wortlaut des Vertrags hatte er sich nicht verpflichtet, sie z» ernähren und sie durften doch auch nicht ausgehcn um sich Lebensmittel zu verschaffen. Osman hielt eS darauf für angemessen, die Gewehre seiner Gäste unter einer Escorte nach Damascus zu schicken. Die Drusen zerstreuten den Haufen und bemächtigten sich ohne Schwertstreich der Waffen, eine Stunde vor Hasbapa, worauf sie die Thore der Festung erstürmten, ohne daß Osman oder seine Soldaten sich wehrten, und erklärten, daß ihre Anführer mit den Köpfen der Emirs und einer gewissen Anzahl Christen, die sie bezeichneten, zufrieden se-n wollten. Naifa jedoch, die Schwester von Said-Be-, dem Obergeneral der Drusen, hatte unter den Christen einige besondere Freunde, denen sie eine Zuflucht bei sich andieten ließ. Darunter war auch der alte Barakat, aber unter denen, deren Kopf gefordert , ward, befand sich sein Sohn Mansour. Barakat warf sich auf seinen Sohn und erklärte, ihn eng umschlossen haltend, daß ihn nichts von demselben trennen würde. Die Türken, die Rolle der Vermittler nach ihrer Art spielend, versuchten ihm vorzustellc», daß die Sache unmöglich sep und daß die Vernunft wolle, daß er seinen Sohn lasse, um selbst am Leben zu bleiben. Da sie ihn nicht überreden konnten, ließen sie Beide den Drusen, die sie augenblicklich zum Tode führten.
Darauf begann ein Blutbad, dessen Greuel nicht zu schildern sind. !050 entwaffnele Menschen, ebensowohl Christen wie Emirs, wurden nacheinander abgeschlachtet, ohne daß man einen Unterschied zwischen denen, die sich auf der Proscriptionsliste befänden und denen, die geschont werden sollten, machte. Die türkischen Soldaten wohnten der Schlächterei bei, ohne jedoch Theil daran zu nehmen, sie beschränkten sich darauf, die Ordnung aufrecht zu erhalten. Die Gefangenen, vor Staunen und Schrecken starr, ließen sich ohne Widerstand und ohne einen Fluchtversuch zu wagen, ruhig h »opfern. Eines der ersten Opfer war Georg, das Haupt der griechischen Gemeinschaft, in dessen Händen sich der CapitiilattonSverirag, von Osman-Bep gezeichnet, befand, ein nunmehr kraftloser Talisman.
Das Haupt der protestantischen Gemeinschaft war glücklicher. Uebcr Tobte und Lebendige hinweg gelang es ihm, sich einen Weg bis zu einem kleinen Hinter«