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sezen, daß Frankreich aus Gründen der Menschlichkeit und kraft alter Capitulationen sich den europäischen Großmächten ins Ein­vernehmen sezeu werde, um der Rückkehr so blutiger Auftritte, wie in Syrien, vorzu beugen."

Italien.

Neapel, 2. Juli. Dem König fiel es außerordentlich schwer» ein Ministerium im Sinne des Fortschritts zusammen zu bringen. Die Ursachen dieser Schwierigkeiten waren sehr verschiedene. Zuerst erinnert sich mancher Libe­rale gar zu lebhaft an das Schicksal Poerio'S» des Ministers von 1848, dann waren zu viel der besten Kräfte des Landes eingekerkert und verbannt, um noch eine große Auswabl haben zu können, und von den Wenigen, die übrig geblieben, wurden Bedingungen an ihren Ein­tritt geknüpft, die dem König unmöglich schie­nen. Unter den gebildeten Classen, wo die liberale Partei zahlreich ist, dauert das Miß­trauen gegen den König und die Aufrichtigkeit seiner Conceffionen fort. Dasselbe wird auch durch verschiedene Aneedoten genährt, welche allerdings wenig geeignet sind, die Gemächer zu beruhigen. Der König soll sich bevor er den souveränen Akt über die Zugeständnisse un­terschrieb, mit drei Jesuiten berachen haben, um zu wissen, ob er mit jenem Akt eine Sünde begehe, was die jesuitischen Rathgeber eben nicht in Abrede stellten, j>doch ihn durch die Bemer­kung zu beruhigen suchten, baßer allenfalls hin- tendrein Buße thun könne, um nicht das Paradies zu verscherzen.

Ameri k a.

Die Getreidefelder in Nord-Ame­rika stehen in großer Ueppigkeit; die Ernte des Weizens wird eine der ergiebigsten sepn, welche wir je erlebt haben. Auch der Siand der B au m woll en p fla n z e» ist günstig.

Miszellen.

Schwester Rose.

(Fortsezung.)

Lomaque ging an Madame Danville, die noch auf der Schwelle stand, vorüber. Sie zitterte, als er an ihr vorbeistrcifte; dann hielt sie sich selbst an der Wand aufrecht uud folgte ihm einige Schritte ins Zimmer nach. Sie blickte zuerst auf ihren Sohn, dann auf Trudalne, und dann wieder aus ihren Sohn. In ihrer ganzen Erscheinung lag etwas, das Jedem Schweigen auferlcgte. Eine plözliche Stille kam über die ganze Versammlung, eine so tiefe Stille, daß man troz der verschlossenen Thüre von der Bibliothek her das leb­hafte, ängstliche Flüstern der dort versammelten Frauen und das Rauschen ihrer seidenen Kleider vernehmen konnte.

»Karl!« sagte Frau von Danville, indem sie lang, sam vorschritt; «wie siehst Du aus?" Sie hielt inne, und richtete wiederum, ernster als vorher, ihre Blicke auf ihren Sohn, dann wandte sie sich plüzlich an Tru-

daine. »Sie sehen meinen Sohn an, Herr«, sagte sie, und zwar mit einem Blicke der Verachtung. Mit wel­chem Rechte beleidigen Sie einen Mann, der aus Dank­barkeit für die Verpflichtungen, die seine Mutter Ihnen schuldig ist, sein Leben auss Spiel sczte, um das Ihrige und das Ihrer Schwester zu retten? Mit welchem Rechte haben Sie es vor meinem Sohne geheim ge­halten, daß seine Frau dem Tode durch die Guillotine entronnen ist, was doch nur durch seine hochherzigen Bemühungen bewirkt ward und'bewirkt werden konnte? Mit welchem Rechte, ich verlange es zu wissen, haben Sie uns durch Ihre verrätherische Geheimthucrei in die Lage versezt, in der wir uns in diesem Augenblicke dem Herrn dieses Hauses gegenüber befinden?"

Kummer und Mitleid spiegelten sich auf dem Antlize Trudaine'S ab, während sie sprach. Er zog sich einige Schritte zurück und gab ihr keine Antwort. Der General sah ihn mit lebhafte^ Neugierde an, ließ den Arm Danvillc's los und schickte sich an, sprechen zu wollen; doch Lomaque trat zu gleicher Zeit vor und hob seine Hand in die Höhe, um gleichsam die Aufmerksamkeit der Anwesenden in Anspruch zu nehmen.

»Ich glaube, ich erfülle die Wünsche des Bür­gers Trudain.," sagte er, sich an Madame Danville wendend, «wenn ich dieser Dame empfehle, nicht zu heftig auf einer öffentlichen Antwort auf ihre Fragen zu bestehen.«

«Bitte, wer find Sie, Herr, der Sie sich heraus« nehmen, mir Rath zu ertheilen?" cntgegnetc sic hoch« müthigIch habe Ihnen nichts zu sagen, außer, daß ich jene Fragen wiederhole und auf deren Beantwor­tung bestehe.«

«Wer ist der Mann?« fragte der General, sich an Trudaine wendend und auf Lomaque deutend.

Ein Mann der keine» Glauben verdient,« rief Danville, der jezt zum ersten Male vernehmlich sprach und einen Blick töbtlichen Haffes auf Lomaque warf. «Ein Agent der Polizei unter Nobespi.rrc."

«Und in dieser Eigenschaft vollständig in der Lage, alle Fragen zu beantworten, die sich auf Verhandlungen der Tribunale Robespierrc's beziehen," bemerkte der gewesene Hauptagent mit seiner alten, unerschütterlichen G-istesgegcnwart.

«Sehr wahr!» ries der General; «der Mann ha^ recht, wir wollen ihn hören.»

«Hier ist nicht zu helfen,« sagte Lomaque und blickte Trudaine an; «überlassen Sie cs mir; es ist bas Beste, daß ich von der Leber weg rede. Ich war," fuhr er mit lauterer Simme fort, «bei dem Prozesse deS Bür­gers Trudaine und seiner Schwester zugegen. Beide standen vor dem Neoolntions-Tribunal, weil sic der Bürger Danville dcnuncirt hatte. Ich kann dafür bür­gen, daß Danville von dem eigentlichen Charakter der gegen den Bürger Trudaine und seine Schwester er­hobenen Anklage nichts wußte, bis das Gestäudniß Trudaine'S die Thatsache, um die es sich handelte, rffen dargelcgt hatte. Als es bekannt wurde, daß Beide dieser Dame behülflich gewesen, um aus Frankreich zu entfliehe», und als in Folge dessen Danvillc's Kopf selbst in Gefahr war, hörte ich, wie er, um sich zu retten, die falsche Versicherung gab, daß er von Anfang an um Trudaine'S Verschwörung gewußt habe«