Beilage zum Enzthäler Nro. 8S.

Miszellen.

DaS Königreich Sardinien.

(Fortsrzung und Schluß.)

Im Jahre l82l zeigte sich der erste schlagende Beweis für die veränderte Stimmung in dem Piemon- teflschen. ES geschah ein« Erhebung im konstitutionell- anti-östreichischen Sinne, doch verunglückte sie wie in Neapel. Victor Emanuel dankte ab; sein streng ab­solutistisch gesinnter Bruder Karl Felix übernahm die Regierung; eS folgte ein enger Anschluß an Oestreich. Diese Wendung diente nur dazu, den neuen Ideen un- ter der Hand größere Verbreitung im Volke zu ver­schaffen. Rach dem Tode des Königs Karl Felix im Jahre 18>tl bestieg sein Vetter, Karl Albert von Sa- voyen-Cangnan, den Thron. Er hatte, nach der Ab­dankung Victor Emanuel's, als Regent die von der siegenden Partei des Aufstandes verlangte Verfassung tm Namen des neuen Königs beschworen und dadurch fast den Thron verwirkt. Nur seine vielfach bezeugte Reue und Dcmüthigung hatte ihm das Recht der Erb­folge erhalten, von welcher ihn Oestreich vor Allem gern ausgeschlossen te. Rußland dagegen und Frank­reich waren dieser Maßregel cntgegengctreten. Karl Albert hatte mit den Carbonari in gewisser Verbin­dung gestanden und für die Einigung Italiens ge­schwärmt. Es lastete auf ihm die Beschuldigung, König von Italien werden zu wollen; ja, der ösireichiiche Ge­neral Bubna, in dessen Lager er sich auf Befehl des Königs Karl Felix im Jahre 182l hatte begeben müs­sen, soll ihn so spottend in seiner Umgebung bezeichnet haben.

Karl Albert'S Regierung ließ in den ersten fünf­zehn Jahren wenig von solchen Neigungen bemerken. Männer von entschieden absolutistischem Sinn, wie Graf Solaro dclla Margarita, zeichneten seiner Regierung die Richtung vor. Diejenigen, welche ehemals auf ih» im entgcgengesezten Sinne gehofft hatten, verur- theilten ihn als Abtrünnigen, und zu gemäßigteren Freunden der freieren Richtung äußerte er die Besorg- niß, daß ihm von beiden extremen Seiten schwere Ge­fahr drohe. DaS junge Italien verabscheute ihn, auch schien seine religiöse Anschauung ihn aus der Seite deS UltramontanismuS zu fesseln. Da erhoben sich in seinen Staaten jene viel genannten Männer Ccsare Baldo, Maffimo d'Azeglio und Gioderti, welche, fern von den Ausschweifungen der Sektenanhänger, das Wohl deS engeren und weiteren Vaterlandes von der fortschreitenden Bildung, sowie von der Pflege edler, nationaler Gesinnungen abhängig machten, und die auf diesem Wege ferne eigene Lieblings-Idee, die Un­abhängigkeit Italiens, verfolgien, eine Idee, die für Piemont wiej für daS übrige Italien in eben dem Maße um so dringender hervortrat, als sib der östreichische Einfluß immer sichtbarer diesen Regungen eiitgegcnstellte. Wenn Karl Albert noch in seinem Ent­schlüsse schwankte, so lüste sich doch jeder Zweifel mit dem Auftreten Pius lX. Was durch ihn oder in sei­nem Namen geschah, drängte auch Karl Albert vor- wärts. indem es theilS seine Bedenken hob, theils sei­nen Neigungen schmeichelte. Auch er betrat den Weg

der Reformen zog Männer genräßkgtliberalrr Ansicht in seinen Rath und endete mit der Verkündigung einer konstitutionellen Verfassung im Anfang des Jahres 1848, wie dieß in Neapel, Rom und Toscana geschah.

Die Erhebung Mailands und Venedigs trieb ihn zur Ucbernahme der Rolle eines Befreiers von Italien, gewiß nicht ohne die ehrgeizige Absicht: in irgend einer Form an der Spize der italienischen Staaten, wenn sie von dem fremden Einfluß befreit wären, zu stehen. Seine Hoffnungen schienen anfangs nicht unbegründet, da der König von Ncapol, von der lieberalen Partei fortgerissen, 15,000 Mann gutgrüdter Soldaten'zu^dem Befreiungskriege sendete, während auch dieZrömischer» Truppen, und eine nicht geringe Zahl Freiwilliger aus Toscana und den übrigen Thcilen Jtali-ns herbeiström- tcn. Allein die Katastrophe vom 15. Mai Zin^ Neapel hatte die Zurückberusung der neapolitanischen Truppen zur Folge, eine feierliche Allocution des Pabest er­klärte die Aufgabe des Statthalters Cbristi als^eine friedliche und aussöhnende, den Freiwilligen fehlte^es an geordneten Mitteln und Organisation, die Lom­barden hatten zwar im Mailänder Kampf Muth be­wiesen, zeigten aber wenig Geschick und Eifer für die Bildung regelmäßiger Truppen, deren es doch vor Allem bedurfte; ja man fing an, einen das Vertraue« auf Karl Albert lähmenden Einfluß von Seiten der radikalen Partei durch die Anhänger Mazzini's zu spü­ren ; schließlich fehlte ein geeignetes Haupt für erfolg­reiche militärische Unternehmungen, da Karl Albert zwar selbst nach dem Geständniß seiner Gegner, unerschütter­lichen persönlichen Muth und hochherzige Hingebung für seine und die Sache Italiens hatte, doch der Lei­tung des Kampfes, namentlich bei so schwierig zu hand­habenden Mitteln, nicht gewachsen war.

Im Laufe des Mais wurde mit Tapferkeit von beiden Seiten am Minicio gekämpft, wohin der Feld­marschall Radetzky seine Verteidigungslinie verlegt hatte, bis der damals sehr gestörte Zustand der östrei- chischen Monarchie die Heranführung der nöthigen Uo- terstüzung gestatten würde. Die Italiener erhielten einige Erfolge, rühmten sich namentlich in dem Treffen bei Goito eines glänzenden Sieges, welcher ihnen je­doch keine großen Fortschritte erlaubte. Man stritt um die Festungen Peschiera, Mantua und Verona, von denen die beiden lezteren militärisch-bedeutenden in den Händen der Oestrcichcr blieben, während nur das kleine ^ Peschiera den Angriffen der Italiener erlag. So stand man, sich gegenseitig im Schach haltend, bis zum 22 Juli, wo in der Umgegend von Rivoli Radetzky den Italienern einen empfindlichen Schlag beibracht», gegenüber. Ein eiliger Rückzug begann; Mailand, wo man den unglücklichen Auegang de« Kampfes selt­samer Weise den, Verrath Karl Albert'S zufchricb, wurde wieder von den Oestreichern genommen, und un­ter Vermittlung Englands und Frankreichs rin Waf­fenstillstand zwischen den beiden Theilen vermittelt. In diesem gab man das ganze nord-italische Land bis an den Tessin, mit Einschluß der Herzogthümer, welche sich nebst Venedig unter der Autorität Karl Albert'S vereinigt hatten, auf. Lezteres sagte sich nun von die­ser Verbindung los und ertheilte dem Advokaten Ma- nin, einem eifrigen Anhänger der Unabhängigkeit Jta-