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Volkes selbst kn Piemont ist nur ein dem Italienischen ähnlicher Dialekt; in Savoyen ist die französische übrr- wiegend. Dessen ungeachtet entwickelte sich auch hier in wenigen Jahren die doppelte Richtung nach freieren Institutionen im Innern und einer Annäherung an hie übrigen italienischen Staaten., namentlich auch die Ansicht, daß Sardiniens selbstständige, einflußreiche Stellung in Italien mit der Herrschaft Ocstreichs in demselben unverträglich sey. Die Könige von Sardinien hatten auch wirklich durch die Wiener Bestimmungen in Italien an Bedeutung verloren, denn Oest- reich, vor der Revolution nur im Best; von Mailand, und durch Venedig von demselben getrennt, hatte das Principat in Ober-Italien den piemontesischen Herrschern überlassen, welche großcnthcils in allen politischen Verwickelungen, die Italien betrafen, mit den Kaisern Hand in Hand gingen. Dieses Verhältnis hatte sich, wie aus dem Vorhergehenden erhellt, gänzlich geändert, da Oestreich nicht nur an Grundherrschaft hier so bedeutend geworden war, sondern auch sämmtliche Regierungen der Halbinsel in einen Zustand der Abhängigkeit versezt hatte.
(Fortsezung folgt.)
Schillerhaus zu Marbach.
Beim Herannahen des Schiller. Jubiläums dürften nachfolgende Notizen des »Heilbr. Tagbl« über die Restaurirung des Geburtshauses des Dichters in Marbach von allgemeinerem Jnicressc seyn.
Nachdem dasselbe im Frühjahr um 4000 ff. ange- lauft worden, mußte cs bei seiner schlechten baulichen Beschaffenheit einer durchgreifenden Verbesserung unterworfen, und zugleich seine Zurückführung auf den un- sprünglichen Zustand, den der b sherige Besizer bedeu- tend verändert hatte, in Angriff genommen werden. In wenigen Tagen wird das Werk vollendet seyn, das unter der Oberaufsicht von Oberdaurath Leins ausge- führr wurde.
Das Haus ist in seinen Wandungen, Böden, Fenstern u. s. w fast ganz neu her„eflellt und doch zugleich, wie der erste Anblick zeigt, ganz das alte, liebe Schillerhaus.
Die Räume des Parterre, welche bisher beinahe ganz von der vielbekannten Bäcker- und Wirthsstube eingenommen waren, sind wieder getrennt in das durchaus getäfelte, kleine, niedrige stille Stübchen mit dem altmodischen Ofen, und dem einzigen breiten Schieb, senster, hinter dessen ! leinen runden Scheiben Schiller das Licht der Welt erblickt hat, und in den Oehrn, in welchen jezt wieder von vorn, und nicht mehr wie früher von der Seite, durch eine hohe, halbrunde Thüre der Eingang führt.
Im oberen Stockwerk befindet sich, außer zwei kleinen Gemächern und der Küche, eine größere Stube mit drei Fenstern. Die kleinen runden Scheiben kämmt- licher Fenster, von denen die meisten zu diesem Zweck besonders in Schönmünzach gegossen werden mußten, drücken dem Hause das unverkennbare Gepräge des Alterthümlichen auf, welches noch durch die graue Steinfarbe der Außenwände und die dazwischen noch dunkler hervortretendcn Balken erhöht wird.
Eifrig wird auch schon von dem Comite für innere Ausstattung d,S Schillei Hauses durch eine Bibliothek, Schillerreliquien u. s. f. gesorgt. Unter leztern erwähnen wir, als bereits im Beffz des Comite's befindlich, ein Recept, welches Schiller als Negimenls- arzt bei dem Regiment« Augee im Jahre 178l einem Offizier desselben verschrieben hat.
Die Politik und die Sittlichkeit.
Von den Höhen fließen die Wasser, dem Geleze der Schwere folgend, nach den Niederungen zu; ein ähnliches Gcsez besteht auch in der M enschenwelt: — von ihren Höhen, d. i. von den durch Stellung und Bildung hervorragenden Persönlichkeiten und Ständen gehen die Einflüsse aus, durch welche Art und Maß der geistigen und sittlichen Bildung in den Niederungen der Menschheit, d. i. in den untern Schichten des Volkes bestimmt werden; aus diesen Niederungen schaut das Volk nur gar zu gern nach den auf den Höhen des Lebens Stehenden hinauf und sucht in der sittlichen Ausschreitung derselben die Entschuldigung für seine Laster. Dir Hochgestellten und Gebildeten find dcßhalb nicht bloß für sich, sondern auch umd eretwillen, welche nach ihnen aufschauen, hochverpflichtet, Wahrheit, Rechtlichkeit und Tüchtigkeit in Wort und That zu üben, »nd wenn in diesen Kreisen Tinge geschehen, welche in geradem Widerspruch mit der Moral stehen, so ist dieß im höchsten Grade zu beklagen, denn die fittenverderbliche Wirkung dieser Dinge bleibt nie aus. Man weiß es, welchen heillosen Einfluß die Irreligiosität und Frivolität der höhern Stände im vorigen Jahrhundert zunächst auf die Bcamtcnwelt und bald aus Alt und Jung tm Volke ausgeübt hat; man weiß es, welche Folgen die offenkundige Unredlichkeit und ungezügelte Genuß- subt der französischen vornehmen Welt unter der Regierung Ludwig Philipps gehabt hat- Die gleichen Ursachen bringen noch heute die gleichen Wirkungen hervor. Das Neueste in dieser Art ist die offenbare Handhabung der Lüge in der Politik. Man erinnere sich nur an die Zeitungsberichte und amtlichen Kundgebungen über die lezten kriegerischen Vorgänge in Italien- Oben an aber steht das Manöver, durch welches der Friede von Billafranea zu Stande gebracht worden ist! — Was soll solchen Erscheinungen gegenüber der sogenannte gemeine Mann denken? Doch wohl: Die machen's ja gerade so und noch schlimmer als Unsereins ! Die praktische Anwendung von diesen Gedanken lautet dann ungefähr so: Lügen die, — betrügen die. — halten die sich nicht an Wort und Eid gebunden, — warum soll ich's so genau damit nehmen? — Rechnet man dazu die gemeinen Schimpfereien und boshaften Verdächtigungen, mit denen sich jezt die guten Deutschen in den Zeitungen regaliren, so ist's nicht zu verwundern, wenn die sittliche Verderbniß im Volke immer weiter um sich greift und der immer herrschender werdenden Selbstsucht auch noch das Kleid der feiner» Sitte abgezogen wird. Mit dem steigenden Verfall der Sitten aber ist von jeher die politische Schwächung und Erniedrigung der Völker Hand in Hand gegangen. (Did.)
Redaktion, Druck und Verlag der Me eh'fchea Buchdruckerei in Ueucubueg.