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werden wir uns begegnen ? Diese und ähnliche Fra» k ren . . . das - . . das ist mehr als Tod! — O Karl! gen drängten sich in seinem Kopfe; aber immer wie» , bitte Du für mich bei . . . bei unserem Sohne!"
der trat Grund's blasse Jammergestalt zwischen ihn und leine Mutter. Endlich hörte er Schritte, Pauline öffnete die Thüre und ließ eine verschleierte Dame in schwarzer Tracht und einen Herrn eintreren. Die Thüre schloß sich, die Dame schlug den Schleier zurück - Mutter und Sohn stanken sich Aug' in Auge gegenüber und suchten nach Worten.
»Meine Mutter! darf ich Sie heute so nennen?" flüsterte er endlich, und trat ihr einen Schritt näher
— »Hugo! mein Sohn, mein Kind, vcrgicb!« rief sie schluchzend und wollte vor ihm niedersallent »Ich war nicht bei Sinnen in jenem Augenblicke! '
»Stehen Sie auf, Mutter !" sagte er und kämpfte seine Bewegung hinunter. »Was uns Beide angcht, das ist vergessen und vergeben. Ich habe kein Recht, Ihnen zu grollen für das, was mir widerfuhr . . -->
— »Oh, so komm' an mein Herz! . . ."
»Noch nicht, Mutter!» entgeguete Hugo abweh» rcnd. ».Gott ist mein Zeuge, daß ich nicht als Ankläger oder Richter gegen Sie auftreten will; aber es liegen noch Verhältnisse vor, welche uns scheiden. Gott verzeihe denen, welche die Schuld daran tragen und erweiche Ihr Herz, daß Sie für Recht und Wahrheit zugänglich werden! — Darf ich reden?«
— »Rede!« sprach sie tonlos und gesenkten Auges, und sank in einen Sessel. »Dieser Herr darf, ja soll uns anhörcn, — er ist . . .«
»Mein Vater, — ich ahnte es,« siel ihr Hugo in's Wort. »So will ich denn in Gottes Namen reden Aber womit soll ich beginnen 2 wie Mich meine Worte ! sezen, um nicht wehe zu thun und doch Alles zu sagen 2 ! «
— »Sprich schonungslos, wenn eS nur zum Ziele führen kann!" flüsterte Lidonie.
„Mutter, Mutter! welch ein Gefühl für einen Sohn, derjenigen, die ihm das Leben gegeben hat, sa- gen zu muffen, baß er ihretwegen errölhe. . . Nein, ich kann, ich will es nicht aussprechcnl Aber dreier Mann, mein Vater, mit welchem Sie seil Jahren zu- sainmenleben und reisen, ohne durch ein Band der Ehe mir ihm verbunden zu »epn, — der unglückliche Mann h er nebenan, der Ihr Gatte war und den Sw durch ränkevolle, unerbittliche Rachgier in's Verderben, zu dem Eurem des Selbstmordes brachten, — die kleine Leonie, welcher Sie Mutter fepn sollten, und die jezt mit Blicken unbeschreiblicher Furcht an dem Aniliz ihres Vaters hängt und zitternd fragt, ob er sterben oder ihr erhalten bleiben werde, — ric Hunderte von Arbeitern in Chailly-leS-Mines und Chaillp-leS-ForgeS- welche nun feiern, durch den Prozeß, den Sie ange- stiftct, um ihr tägliches Brod gebracht, .... alle schweren Schicksalsschläge meines ganzen Lebens, alle Gerüchte, welche gegen Sie zeugen .... barmherziger Gott! all' daS find ebenso viele eisige Gespenster, welche nach dem Herzen in meiner Brust greifen, welches Ihnen in diesem Augenblick mit Vertrauen und Liebe entgegenschlagen möchte! . . ."
— „Barmherzigkeit! höre auf, mein Sohn! ich habe dieß Alles und noch mehr verdient, ich will mich selber anklagcn, aber es aus Deinem Munde zu hö»
„Hugo, eS ist Deine Mutter — schone ihrer!" sagte der Fremde scheu. „Und wenn ich ein Hinderniß bin der Versöhnung, so soll mir kein Opfer zu groß sepn!"
— „Nein, laß ihn mir, Hugo ! ES war meine erste, einzige Liebe! 0» isvisnt longours ä ses Premiers »mours Eine Jugendliebe kann uns niemand aus dem Herzen reißen, zumal wenn sic mit Opfern besiegelt worden ist, wie ich sie ihm gebracht. Du selbst, den ich von mir geben mußte, warst ja eines dieser Opfer! Ich werde ihn hcirathen, ich habe es mir vorgenommen. O, was hat mir denn daS Leben geboten? Nur Müffigang, LuruS, HerzrnSöde und Elend! Dich mußt' ich verleugnen, ihn hatt' ich verloren; das Herz meiner
I anderen Kinder ist mir entfremdet, meinen einzigen , Liebling hat mir der Tod geraubt, und nun in meinem Alker stehe ich hier als eine .... als eine Berbre- cherin, als eine .... Verworfene vor meinem Sohne .... gebrochen, gedcmüthigt, hülflos, elend,
! entehrt! — O laß mir ihn! er soll mir seinen Namen geben und mich in ein anderes Land, in einen verbor- l genen Winkel führen, wo uns niemand kennt I Laß ihn mir, und thue sonst mit mir was Du willst, nur gib ! mir ihn und den Frieden, und ich will Dich segnen!.. /
! „Hugo, schone sie! glaube ihr! übe Nachsicht!"
^ flüsterte Pauline; „sie ist nicht mehr die stolze Frau ^ von ehedem! Das Werk der Umwandlung ist so alt ! als die Nachricht von der .... der Katastrophe des Herrn Grund!"
— „Ich suchte Dich, Dich zu meinem Vermittler!" rtef Sidonie. „Paulinc kann es mir bezeugen. Ich schrieb ihr, und als sic mir nicht antwortete, kam ich hieher! Handle Du für mich, wir Du es nach Gewis«
^ zcn und Recht für gut hältst, ich billige Alles!«
»Wirklich?" rief Hugo bewegt; »darf ich meinen Ohren trauen? Tu gibst mir Vollmacht?"
— »Alles, was Du willst! Du sollst mein Vermögen künftig verwalten!"
--Mutter, Mutter! wenn Du wahr redest, so folge mir zu Robert Grund! bring ihm diese Kunde, versöhne Dich mit ihm!«
Sie schien zu zaudern, aber Pauline öffnete die Zwischenthüre und winkte ihr. Sie schwankte, aber folgte endlich doch; unter der Thüre fiel ihr Pauline um den Hals und führte sie am Arme in's dritte Zim- i wer. »Diele Stunde," flüsterte sie ihr zu, »kann Jh- > ncn die Ruhe und den Frieden wieder bringen, wel- ! chen Sie zeitlebens vermißt haben!«
»Robert, können Sie mir verzeihen?" rief Sido- nic und sank an icinem Bett in die Kniee und benezte Eine welke Hand mit Thräncn.
— »Sidonie, ich habe nichts zu verzeihen! wir sind quitt, und Gott sev unS gnädig! Stehen Sic auf, und lassen Sic uns Freunde leyn fortan I»
»Von Herzen gern! Aber wem danken wir diese glückliche Stunde, in welcher alles Leid und Böse wie Schlacken von uns fällt?"
— »Ihr - der einfachen Tochter eines Laudpfar- ! rers - unserer Freundin, der Erzieherin unserer Kin- ' der! - sagte Herr Grund unv drückte Pantinen die
Hand, die mit Frcüdenthränen im Auge vor dem Lette stand. (Schluß folgt.)