Beilage zum EnzthAer Nro. 83
Miszellen.
Die Pfarrers - Tochter.
(Erzählung von Franz v. El ltog.)
(Fortsezung.)
Der Badwirth war ganz erstaunt, aber er war «och nicht am Ende seiner Verblüfftheit, als der Po- lizeikommtssär sich jezt legitimirte und ein kurzes Ver« hör bezüglich der französischen Gäste mit ihm vornahm, und ihm sodann unter Strafandrohung dao tiefste Stillschweigen und die größste Unbefangenheit anvcfahl. Hierauf kleideten sich Hugo und der Kommissär um und verließen mit einander das Gasthaus, als ob sie sich die Umgebungen besehen wollten.
Kaum waren sic aber einige hundert Schritte vom GastbauS entt'ernt, so daß sie von dort aus nicht mehr gesehen werden konnten, so schlug der Kommissär einen Waldpfad ein, welcher durch den Wald nach einer kleinen Burgruine führte, die gerade in entgcgengcsez- ter Richtung von derjenigen lag, in welcher sie den Gasthof verlassen halten. Schon aus der Ferne sahen sie auf den Mauerresten der Ruine städtischgeklcidcte Kurgäste umhergehcn, die von dort oben den Sonnenuntergang zu betrachten schienen. Eben erreichten sic den Fuß des Felsenhügcls, worauf die Ruine lag, als die Badgaste den steilen Steig herunterkamen. Nur zwei Herren und eine Dame blieben noch zurück. »Es find die Franzosen," flüsterte Hugo; „der Herr im schwarzen Seidcnhut mit der Brille ist Gaudry!"
— »Der Ankere ist der Badarzt,« entgegnete der Kommissär; »gehen w r hinauf! es kann kein besseres Pläzchen zu einer Verhaftung geben! Thun Sie, wie wir es abgesprochen hatten!"
Als sie droben waren» blieb der Bürgersmann gerade am Eingänge der Ruine stehen, und die beiden Herren traten aus die Bastei hinaus, wo Gaudry mit seiner Begleiterin und dem Badearzt standen. Es war ein Raum von kaum zwanzig Schritten, von Steinen und Mauertrümmern gesäubert, mit hölzernen Bänken versehen, mit Schranken eingefriedigt, nur durch ein Pförtchen in der dicken Mauer zugänglich, eine steile, zackt, e Felswand von etwa secbszig Fuß Höhe überragend, an deren Fuß das Flüßchen tosend vorüber» rauschte. Die beiden Ankömmlinge näherten sich unbefangen den drei Personen, bemerkten aber einen flüchtig lauernden Blick, womit sie von Gaudry und seiner Dame gemustert wurden; sie grüßten freundlich und lehnten sich an die Schranken, um die Gegend zu betrachten. Plözlich richtete die Dame eine Frage über irgend einen Punkt der Aussicht an den Badearzt, der herzukam und ihr antwortete-
Gaudry stand jezt allein und der Kommissär trat unbefangen hinter ihn und gab Hugo einen Wink mit den Augen.
Dieser drehte sich nach der Dame um, sah ihr einen Augenblick in'S Gesicht und rief dann französisch: »Jst's möglich? sehe ich recht, meine kleine Mimi? Wer hätte geahnt, la- pevsickente, hier zu begegnen?«
„Mein Herr, ich verstehe Sie nicht... Sie irren!" stammelte diese, unter der Schminke erblassend und wollte hochmüthig zurücktreten.
»Keineswegs, meine Liebe! ich irre nicht! Sie find I» pi-esiäents, die Königin von Mobile und dem ChLtcau-aux-FleurS! ich erkenne Sie nur zu gut! Wer, der Sie einmal gesehen, könnte Sie vergessen?«
Sie wollte antworten, aber sie vermochte nicht, denn hinter ihr trug sich ein Etwas zu, das fie aller Fassung beraubte. Gaudry hatte davonschleichen wollen, war aber vom Kommissär ergriffen worden, der ihm zurief: »Im Namen deS Gesezes, Herr Gaudry, Sie sind verhaftet!« worauf Gaudry sich losriß und nach dem Pförtchen eilen wollte, unter welchem aber plözlich jener Bürgersmann erschien, der den kleinen Franzmann mit beiden Armen anfstng, wie ein Kind an sich drückte und auf den Boden uicderlegte.
»Sie sind mein Gefangener, Herr Notar Jacques Gaudry von Paris, und ich lasse Sle fesseln. weil sic § mir entspringen wollten!" tagte der Kommissar.
»Gemach, Mamsell," sagte nun Hugo seinerseits und hielt die gepuzte Dame am Arme und um die Taille fest; „der Verhastsbefehl erstreckt sich auch auf Sie; und Monsieur Boniface, Lim-, Louis Berthet, sizt schon hinter Schloß und Riegel."
Inzwischen hatten der Kommissär und sein Gehilfe Herrn Gaudry die Handschellen angelegt, und der Kommissär verhaftete nun auch die Lorctte in bester Form. Man machte fich auf den Heimweg und hielt ein solch wachsames Auge auf beide Gefangenen, daß ihnen die Lust und Gelegenheit zum Entspringe» verging.
„Mein Herr Doctor," sagte der Kommissär zum Badearzt, „ich muß Sie höflich bitten, uns zu begleite». ! Die Nachricht von dieser Verhaftung darf besonderer § Umstände wegen nicht vor uns in'S Kurhaus gelangen. Der Verhaftete steht im Verdacht großer Unterschlagungen , und hat vielleicht noch einige Spießgesellen unter den Badgästen."
Bei der Ankunft im Badhotcl berichtete der Wirth, daß Herr Boniface bereits verhaltet und in einem kleinen Zimmer eng bewacht werde. Die beiden lezteir Gefangenen wurden nun ebenfalls abgesondert bewacht, I und man schritt unter Zuziehung der Ortsbebörden so- j gleich zur Durchsuchung ihrer Effecten, fand jedoch so- i wohl in Bonafaee's wie in Gaudry's Best; nur wenig l Geld oder Staatspapiere. Allein dieß beirrte den Kommissär nicht, der sogleich die nöthigen Schritte that, um ein Protokoll aufzunehmen und dann zunächst die Lorette zu verhören, welcher er eröffnet?, daß wenn sie umfassende Bekenntnisse ablege, sie von der Anklage der Thcilnahme am Diebstahl, Unterschlagung, Paß- fälschung und allen übrigen etwa noch zu ermittelnden Verbrechen frei und als Zeugin gegen die beide» Andern zugelassrn werde. La President? beichtete sogleich Alles, was sie wußte, und Hugo schrieb ihre Anssage Wort für Wort nieder. Dann ward sie abgeführt und die beiden Andern kamen nach einander an die Reihe; überrascht, daß man bereits wußte, in wessen Hand sie ihren Raub niedergclegt hatten, und sich verratpen glaubend, bekannten fie Alles und baten nur um die eine Vergünstigung, nicht nach Frankreich ansgeliefert ! zu werden. Ein deutsches Zuchthaus schien ihnen der i Ruderbank einer Galeere weit vorzuziehen zu seyn. Als ihr Verhör zu Ende und von zwei Herren beglaubigt