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war, die der französischen Sprache hinreichend mächtig, von dem Kommissär als Beifizer erbeten und in Hand­treue genommen worden waren, sperrte man Gaudrp und Berthct je abgesondert ein und überließ sie ihrem Nachdenken.

Hugo war seelenvergnügt über den seitherigen Ver­lauf seiner Mission, speiste mit dem Kommissär zu Nacht und trank eine Flasche Champagner mit ihm; dann stellte er ihm eine Urkunde aus, wornach er ihm 2000 Franken an dem Tage zu zahlen versprach, wo derselbe die beiden Gefangenen in Paris an die ent­sprechende Behörde abliefertc, und schrieb auf seinem Zimmer ein'ge beruhigende Zeilen an Pauline. Wäh­rend sodann der Kommissär die nöthigen Vorbereitun­gen zur Abführung seiner drei Gefangenen traf, begab sich Hugo noch einmal zu Gaudrp und hatte eine lange Antcrredrmg mit ihm, att deren Ende ihm dieser noch eine Schrift ausstellte, welche Hugo für seine weiteren Schritte von höchstem Werth war.

Am andern Tage reiste Hugo nach Paris ab, das er ss rasch wie es irgend thunlich war, erreichte. Herr vnV Frau Regnicr, bei denen er abstieg, begrüßten ihn wie ihren guten Engel, und stellten ihm ihr ganzes kleines Vermögen zur Verfügung, um den Prozeß zu Gunsten ihre» WohllhäterS zu wenden. Es war schon beinahe Mitternacht, als Hugo bei seinen Freunden «nlangte, und er mußte daher den Beginn seiner Ope­rationen auf den folgenden Tag verschieben; ohnedem bedurfte er der Ruhe. Aber am folgenden Morgen in aller Frühe war er unterwegs zu Herrn Grund's Anwalt und hatte mit diesem eine lange Confcrenz, an deren Schluß beide auf das Tribunal eilten, um Be- > schlagnahme auf das Vermögen der Frau v. Walzen- § dorf und die gesummte Verwaltung ihres Sachwalters zu beantragen, welche endlich, nachdem man noch eine ! telegraphische Depesche nach Deutschland abgeschickt »nd beantwortet erhalten hatte, von Gerichtswegen er­lassen wurde. Der Advokat selbst ward auf Antrag des Herr» Grund und feiner Bevollmächtigten verbaf- tet unter der Anklage, Complice und Beförderer der Unterschlagungen des Notars Gaudrp zu sepn, welcher bereits gegen ihn ausgesagt habe. Alles war so rasch und geheim betrieben worden, damit ja kein Wörtchen davon vorschnell in's Publikum dringe, denn die Sacke mußte Aufsehen in Paris machen. >

Mit Mühe erhielt Hugo die Erlaubniß zu einer Unterredung mit dem verhafteten Avonö, und empfing von diesem im Verlaufe derselben einige Eröffnungen, welche für ihn und Herrn Grund von großer Bedeu­tung waren. Hierauf sicherte er feinem Gönner noch den Beistand einiger der bedeutendsten Kriminal-An- ? walte von Paris für die Betreibung der Anklage und - Untersuchung gegen Gaudrp und Conforten, und eilte ^ dann nach Chailly, um dort zum Rechten zu sehen und j die Interessen seines Freundes Grund wahrzunehmen. ! Auf Hugo's Antrieb halse unterdessen Herr Regnier ! die bedeutenderen Gläubiger und Mit-Aktionäre des Herrn Grund ausgesucht und von der günstigen Wen- ! düng der Verhältnisse in Kenntnis gesezt, und täglich ! liefen Briefe von Regnier und Hugo in H. ein, welche einen entschieden günstigen Umschwung der Dinge ver­kündigten, und auf die Stimmung und das Befinden

des armen Herr» Grund vom wesentlichsten Einfluß waren.

Endlich kam sogar Hugo selbst nach H. um mit Herrn Grund einige weitere mündliche Verhandlungen zu pflegen, welche zur Beschleunigung des Prozesses unerläßlich waren.

»Mein einziger Freund! mein Retterl mein Wobl- thäter!« rief ihm der Verwundete weinend entgegen; »wie soll ich Dir danken, mein Hugo?»

»Reden wir nicht hievon k» cntgegnete dieser mit einem ungewöhnlichen Ernste; »eine ^WWMWlt die andere, mein väterlicher Freund! ich trage nur Pflichten ab, Pflichten des Dankes gegen Sie, Pflich­ten des Gewissens, der Ehre, der Pietät gegen . . » meine leibliche, unnatürliche, natürliche Mutter !« Und er warf sich mit einem tiefen, stummen Schmerz an Paulinens Hals, welche bei der Unterhaltung an­wesend war. »Oh, meine theure Pflegemutter!" flü­sterte er dann, »wenn Du wüßtest, wie mein Herz blutet unter dem Amte, das Ihr in meine Hände ge­legt habt! Der Sohn muß die eigene Mutter vor Gericht stellen wegen eines Vergehens, das Haarbreit neben einem gemeinen Verbrechen hinläuft I Ist das nicht entsezlich? ist dieß nicht eine widernatürliche Pflicht?»

»Streitet ste wider Dein Gewissen, mein Sohn?» fragte Pauline sanft; »geschieht ihr ein Unrecht?"

»Nein, leider hat sie eS verschuldet.«

»So vollende getrost, was die Vorsehung in Deine Hand gelegt hat,« sagte Pauline. »Es braucht olt starke Mittel, um die Rinde der Selbstsucht, der Lei­denschaft und Verhärtung um ein Menscheuherz zu sprengen, allein nie kommt rin Leid anders als zum Heile. Vielleicht bedurfte die Vorsehung gerade Dei­ner Hand, um dieses kalte Herz aus seiner Sicherheit zu reißen! Vielleicht aber gelingt eS gerade Dir, sie versöhnlich zu stimmen und der Vermittler zwischen ihr und dem Geseze zu werden. Ist denn der Prozeß un­vermeidlich ?"

»Nein, noch kann sie gerettet werden durch einen Vergleich; aber ihr Aufenthaltsort ist unbekannt "

..Keineswegs," sagte Pauline. »Sie ist hier; sie war bei mir, sie demüihigtc sich so weit, mich um Ver­mittelung zu bitten zwischen Dir und khr. Ich sprach lange mit ihr; willst Du ste sehen?«

»Muß ich nicht, so schwer cs mir auch wwd?"

Wao habt Ihr denn m>t einander zu flüstern ?"

fragte der Kranke.

»Hugo will mit Sidvnien sich über Dinge be­reden, welche vielleicht znm Frieden führen,» tagte Pauline.Sey nicht störrilch, lieber Rodert! wehre es ihm nicht. Sied', was niemand von dieser Frau erlangen würde, das gelingt vielleicht dem Sohn: Be­denke, welches Opfer er Dir und der gerechten Sache brachte, indem er seither gegen seine Mutter auftrat!"

»Seine Rabenmutter!« sagte Herr Grund bitter.

Gleichviel, das Opfer ist darum nicht minder groß. Wenige hätten so willig gebracht, wie Hugo "

»Wahr, sehr wabr! Nur Dein Sohn konnte das für einen Fremden tbun, Pauline!"

»Und Du dehnst seine Vollmacht auch darauf aus, Robert?"

Meinethalben; in ... . in Gottes Namen!» sagte der Kranke.

(Fortsezung folgt.)