Beilage znm Enzthäler Nro. S».

Die stehenden Heere.

Die Rettung rer Gesellschaft a»S den Gefahren der Militärherrschaft. eine Untersuchung auf geschicht­licher und statistischer Grundlage über die finanziellen und volkswinhschaft lieben, die politischen und socialen Einflüsse des Heerwesens, nebst eiuer nachgetragenen Denkschrift: Entwaffnung oder Krieg, von Wilhelm Schulz-Bodmer; F. A. Brockbaus, >651.

Zeitgemäßer konnte wohl kein Buch erscheinen, als die in der Ueberschrift genannte, dem Freiherr» v. Dunsen gewidmete Schrift Schulz-Bodmcrs. Sie zeigt mit unwidersprechlichcn Zahlen und durch klare Volks« wirthschafiliche und historische Kritik raS Ucbcl, das seit einem Jahrhundert die markzedrende Plage dcS Volkswohlstandes und daS Hindernis der GcfittungS- entwicklung ist. Die Wärme und der humane Geist, der das Buch durchweht, sprechen ebenso an, wie die Vielseitigkeit und Gründlichkeit der Beweisführung

Ein lehrreicher, geschichtlicher Rückblick aus Ent­stehung und WachSthum der stehenden Heere Europas eröffnet das Werk. Die Vollendung des SpstcmS brachte die erste französische Republik und das erste Aaiserthum. welches dos Conscriptionssystcm, «diese jährliche Blulsteuer-, diesen «militärischen Frobndienst der Volker ', oollends organifirle und die übrigen Staa­ten zur Nachahmung zwang. Ans den geschichtlichen Ueberblick folgt eine aus angehängte Tabellen gestüzte Statistik beS stehenden Heerwesens. Der Mannschafts- destand in den stehenden Heeren Europas wird auf 3,705,000 Mann, der der Kriegsmarinen auf 220,000 Mann, zusammen auf nahezu 4 Millionen, angegeben. Der Gesamnitbestand der regulären Land- und See­truppen beträgt bei Großbritannien 223,MO. Frankreich 610,000, Rußland l,042,000 (?), Oesterreich 650.000, Preuße» 226,000, Bayern 72,000, kleine deutsche Staa­ten 156,000, beide Stritten 153,000, sardinische Mo­narchie l04,000, kleinere italienische Staaten 40,000, Spanien 171,300, Portugal 52,100, Belgien 100,400, Niederlande 6l,000, Dänemark 46.000, Schweren und Norwegen 94,100. Türkei 96,700. Hiezu kommen l,750,000 Mann Milizen und milizariigc Truppen mit einem jährliche» Gesamm Verlust von ,8 Will-Arbeits­tagen. Die Milizen (Landwehr) vertbeilen sich: Eng­land 115,000, Frankreich (Nationalgarde) 300,000, Rußland 126.000, Oesterreich 203 00, Preußen 350,000, Bayern, 50,000, Sardinien 40,000, Schweden >30,000 Mann. Der jährliche Mitttärauiwand zur Unterhaltung dieser Streitkräkte im Frieden beträgt 2200 Mill. Fr. Im kurzen orientalischen Kriege find von den krieg- führenden Staaten und von den Neutralen für außer­ordentliche N >siu»ge» 6-7000 Mill. Fr. ausgegebc» worden, womit man, beiläufig gesagt, das bestehende Eisenbahnsystem der Welt um ein ganzes Drittel hätte vermehren können; gewiß hätte dieß der Menschheit mehr gefrommt, als das Resultat des KrimkriegeS.

Die bestehende Staatsschuld Europas wird von Schulz-Bodmer auf 51,000, von Anderen aus 60,000 Millionen Franken angegeben (England 20,000 Mill. Franken, Frankreich 910,000 Millionen Franken, Oesterreich 5000 Mill. Fr., Sardinien 1000 Mill. Fr ). Nehmen wir als Mittel 55.000 Mill. Fr. an. Hievon find nachweisbar wenigstens drei Viertel oder 40,000 Mill.

Fr. den Kriegen und den MilitärdefieitS des Friede»« znzuschreiden. Eine durchschnittliche Verzinsung dieser Summe zu 4 Procent legi den Nationen eine von de« Früchten ihres schaffenden Fleißes genommene Last vy« jährlich 1600 Mill. Fr. auf. Dieß zu den jährliche« Unterhaltungskosten deS stehende» HeerrS im Betrag von 2200 Mill gerechnet, ergibt eine jährliche Mili« tärlast von 3800 Millionen Franken, eine Last, welche von dem reinen jährlichen Staats, inkommen Europa« im Betrag von beiläufig 6000 Millionen Fr. «ahez« zwei Drittheile verschlingt. Dazu hat eS also die europäische Mitttärpolitik gebracht, die Völker jährlich nahe dreimal so viel für Zwecke deS Krieges, d. h. zue eigenen und gegkttte tigcn Zerstörung der Volkswirth- scha-'t als zur Förderung derselben bezahlen zu lasse». Diele Verhältnisse, die auf die Dauer unhaltbar find, find geeignet, recht viele und, eS ist zu wünslen, prak­tische und maßgebende Elihu Buritts erwachsen zu fas­sen, die sich im friedlichen Sinne Gott und der Nach­welt verantwortlich erachten. Der finanzielle Nach- thcil der stehenden Heere ist vielleicht nicht einmal d«r größte. Der allgemeine volkswirtdschaftliche, social? und sittliche dürfte noch bedeutender seyn. Wir nenn«» in dieser Beziehung: Die Abzichung von durchschnitt­lich zwei Millionen kräftigen jungen Männer» im b«. steu Aller von der produktiven Arbeit, was jährlich Milliarden (täglich nach Äolbs Statistik 2500 Mill. Fr.) ArbciiSwerthc der VolkSwirtyschatt und ihrer den Eich- kreis erobernden Culturaufgabe entzieht, ferner dir unproductive Verwendung nüzlicher ArbeitSlhicrr, d«« Schaven an den Einquarlicrungen, die Unterbrechung der Laufbahnen, welche eine gleichmäßig fortgese^e Ausbildung heischen, die Störunge,,, die in die Unter- nchinungcn, Comploirs, Werkstätten u. s. w. getragen werden, sämmtlichNachihcile, welche das »ach soscher- Bemcrkung so hochwichtige staatswirlhschaftliche Princtp der Stät gleit der Weeksortsczung antastcn und die in- dustrielle Evncurrenzfähigkeit gegenüber nichtconllribir-

t. n Völkern (England) immer wie er schwachen, so­mit von der Erreichung des Endziels des wlrthschaft- lichcn Berufslebens der Völker für einander, von der allgemeinen Erreichung dtS FreihandelsprincipS immer wieder entfernen.

Die sittlichen Nachtheile des stehenden Heeres ans der Hausflur kennt jede Hausfrau einer GarnifonSstadt. An den unehelichen Geburten, welche ihren sociale« Unkegen oit ins zweite und dritte Glied und durch aA« Verhältnisse der Gesellschaft sortplianzen hat das Sy­stem stehender Heere bekanntlich einen sehr bedeutend«» Antheil.

Der Verfasser führt die fittlichen und social« Schäden genau aus, zeigt dann in einem eigene» Ab­schnitte dasbesondcre Interesse der einzelnen Festlands- staatcn für Aushebung des soldatischen ZwangSdiensteS und kommt endlich auf die Reform des Heerwesens zur Bewahrung des inneren und äußeren Friedens zu sprechen. Seine Vorschläge eines FriedenSverrinS, völkerrechtlicher Schiedsgerichte, des Landwehrsystems

u. s- w. find wohlgemeint und durchdacht, praktisch aber doch nur dann, wenn alle Großmächte ffe ergr«i- fen werden. Dieses ist aber in so lange nicht zu «r» warten, als drei von den fünf Großmächten mehr oder