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selbst wenn man ein Brett auf seinen Leib legt und mit einem Schiebkarren darüber wegfährt. Es sei hier erwähnt, daß dem Pferde durchaus kein Tränkchen eingegeben wird. Die ganze Kunst soll darin bestehen, dem Pferde Liebe und Vertrauen einzuflößen. Wie dieß in so kurzer Zeit (einer Viertel- oder halben Stunde) ge­schehen kann, darin liegt eben das Geheimniß des Amerikaners. Er ist etwa 30 Jahre alt, war von fugend auf ein Pferdeliebhaber, trieb sich in den Prairien unter wilden Roßheerden herum und studirte dort des Pferdes Charakter und Eigentümlichkeiten so lange, bis er seiner Herr wurde. An Abenteuern der gefährlichsten Art scheint es ihm bei diesen Naturstudien nicht gefehlt zu haben. Er hat aus jener Zeit noch einen Armbruch und zwei Beinbrüche aufzu­weisen.

Miszellen.

Aus -er guten alten Zeit.

Bon den Gottesurtheilen der Vorzeit.

(Fortsezung.)

Die Feuerprobe wurde in verschiedener Weise «recutirt. Die einfachste Form bestand darin, daß der Angeklagte angehalten wurde, die bloße Hand in das Feuer zu halten. Feierlicher war es, wenn derselbe im Hemd durch einen brennenden Holzstoß gehen mußte, und um den Sieg der Unschuld um so glänzender zu Machen, wurde ihm bisweilen sogar ein Wachshemo angczogen. Nach dem Zcugniß des Jacob von Königs­hofen soll Richardis, die Gemahlin Carl's des Dicken, welche des verbotenen Umgangs mit Luitward, Bischof von Vercelli, angeklagt war, ihre Uuschuld durch glück­liches Ueberstehcn dieser Fcuersgcfahr dargethan haben, wogegen dem Leser aus der Geschichte der Krcuzzüge bekannt scpn wird, daß Peter BarttolomäuS, welcher vorgab, die heilige Lanze gefunden zu haben, im Jahre 1099 mit derselben im Hemd durch das Feuer ging, um sich von der Anschuldigung des Betrugs zu reinigen, aber nach Einigen tödtlich verbrennt hcrauskam.

Nach einer dritten Art, welche noch in der Mitte des 15. Jahrhunderts im Rheingau übl ch gewesen sepn soll, mußte ein glühendes Eilen eine Strecke weit in der Hand getragen werden, anderwärts mußte der An­geklagte dasselbe Mit bloßen Füßen betreten, oder über neun Pflugschaaren schreiten, eine Probe, aus welcher nach der Sage Heinrichs ll. Gemahlin, Kunigunde, und die Mutter Eduard des Bekenners unverlezt her­vorgegangen. Zuweilen wurde die Zahl der Schritte, welche imt dem Eisen in der H«l d zurückgclegt werden mußten, im Voraus bestimmt, und eben so kam cs vor» daß, um dem Unglücklichen das Leben so sauer als möglich zu machen, er nachher noch das Eisen in einen zwölf Schritt entkernten Trog werten und, wenn er diesen fehlte, die Probe unerbittlich von Neuem beginnen mußte. Auch hier kehlt es den alten Geschichtsschreibern nicht an Beispielen eines glücklichen Erfolges. De» Bischof Poppo, welcher in Dänemark als Verkündiger de» Chriftenthums ausgetreten, bekräftigte die Wahrheit

Kebattia«, Drus und Verl»» ser Nr«

seiner Lehre vor König Harald durch die Feuerprobe- und erreichte damit^dle Bekehrung des Heidenkönigs. Am komischsten lieSt es sich, wenn die alten Germanen mit echter deutscher Gründlichkeit und Vorsicht die Hand des Angeklagten nach überstandcaer Probe in einen Sack steckten, diesen zustegelten und erst nach drei Tagen in grenzenloser Spannung wieder öffneten, um nachzu­sehen, ob sich eine verdammende Brandwunde an der­selben wahrnehmen ließ, oder die Macht Odins das glühende Eisen in der Hand des Gerechten in ein grünendes Reis verwandelt hatte.

Aelter noch als diese Feuerproben find die soge­nannten Wasserurtheilc. Sie wurden bald mit kaltem, bald mit siedendem Wasser vorgenommen. Der sogenannte Keffelfang, nach welchem ein Stein oder Ring mit entblößtem Arme aus einem mit kochenden« Wasser «»gefüllten Kessel geholt werden mußte, ist in dem salischen VolkSgeftz ausdrücklich vorgeschrieben. An manchen Orten befanden sich zu diesem Zwecke eigene Kessel am Eingänge der Kirche eingemauert. Bei der kalten Wasserprobe wurde der Angeklagte einfach mit gebundenen Armen und Beinen in einen Teich geworfen. Allein hier waren unsere ehrlichen Vorfahren mit sich selbst im Zwiespalt, ob das Unterstnken oder das Oben­schwimmen ein Beweis der Unschuld scpn solle. Diese Waffertauche war neben dem Wägen der Heren, welche nach dem Aberglauben ein ungewöhnlich geringes Ge­wicht haben sollten, die bei weitem gebräuchlichste Heren- probe und als solche noch im vorigen Jahrhundert i» Geltung.

Wesentlich unterschied sich von den bisher genannte» Gottesurtheilen das sogenannte Kreu zurt heil. Hier mußten sich nämlich beide Theile, der Kläger und Beklagte, der Probe unterziehen. Auch war sie bei weitem die menschlichste. Beide Gegner mußten mit ansgebreitcten Armen unbeweglich an einem Kreuze stehen. Wer zuerst zu Boden sank, oder auch nur den Arm sinken lies, hatte verloren. Während sie dastanden, wurde gebetet und Messe gelesen. So wird unS erzählt, daß, als einst in einem Teiche des Klosters Bischofs- heim ein neugeborenes Kind gefunden wurde, und de» Verdacht sich auf die Nennen des Klosters lenkte, zur Ermittlung der Schuldigen alle Nonne» an» Kreuze stehen mußten. Aber noch merkwürdigere Bei­spiele zeigen, in welchem Ansehen im-Mittelalter diefet Gottesurtheil stand. Unter der Regierung Carl's de^ Großen geriethen die Bürger von Verona mit ihrem Bischof in Streit wegen des Wiedcrbaucs der Stadt­mauern. Nach langen Debatten einigte man sich dahin, daß die kreuzesprode den Streit entscheiden srllrc, und jede Partei wählte als ihren Kämpfer einen Geistlichen. Sic standen unter großen Feierlichkeiten so lange, brS der Vertreter der Bürgerschaft zu Boden fiel. Noch mehr, Carl der Große verordnctc sogar auf dem Reichs- tage zu Thionville, daß, wenn unter seinen Söhne» bei der Lhnlung des Reichs nach feinem Tode Grcnzstreitig- keiten entstehen sollten, das Kreuzgericht entscheiden sollte.

(Fortsezung folgt.)

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H'-che» Büchdr«Sere1 ln Ne»eribürs.