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Neuenbürg, 8. April. Unser sonst friedlicher Bezirk mußte am Vorabend des Charfreitags Zeuge eines raffinirten Gaunerstreiches werden, den ei» wür­diges Mitglied des Zuchthauses i» der Nähe der bad. Grenze ausführte. Am Gründonnerstag kam ein fremdes Individuum, für einen Schäfer sich ausgebend, hier durch, bestellte behufs der Weiterreise nach Diet­lingen ein zweispännigce Fuhrwerk und fuhr 8 Uhr Abends hier ab. Unweit des Dorfes Birkenfeld erhält der auf dem Bocke ffzende Fuhrmann, nichts Arges ahnend, von dem noblen Reisenden einen Schuß in den Hlnterkops, der ihn herabstürztc. Der Verbrecher, der einem Menschenleben um seiner Zwecke willen einen geringen Werth beizulegen scheint, schwang sich schnell auf den Bock, um von dannen zu fahren, indem er dem glücklicherweise nicht tödtlich getroffenen, sich wieder aufraffenden und in die Zügel greifenden Fuhrmann einen zweiten, blinden, Schuß ins Gcstcht abfeuerte, wodurch der Unglückliche von weiterer Verfolgung deS Räubers abgehalten wurde, jedoch noch so viel wahr- nehmcn konnte, daß derselbe mit seinem Fuhrwerke die Richtung ins Badische gegen Wilferdingen oder Dur­lach einschlug. Der auf so unerwartete Weite um sein Fuhrwerk Gekommene bemühte sich, in das an der Straße stehende einige lOO Schritte entkernte Wirlhs- Haus der Z'cgelhütte zu gelangen, um sich der Hilfe zu übergeben, aber auch Anzeige vom Geschehenen nach Birkenfeld machen zu können. Der Ortsvorsteher von Birkenfeld traf mit richtiger Umsicht sogleich An­stalten zur Verfolgung des Bösewichts durch Absenkung von Boten zur nächsten badischen Eisenbahnstation, nach Pforzheim rc. sowie zur alsbaldigen Meldung an das hiesige Oberamtsgericht, das sich sofort in der Nacht in Begleitung der Gerichtsärzte an Ort und Stelle begab. Kurz vorher eilte der hiesige StationScom- mandant in Begleitung eines weiteren Landjägers in verschiedener Richtung dem Verbrecher nach, und traf in der Nähe von Ellmendingen die von Lezterem, wahrscheinlich der schnelleren Reise hinderlich gewor­dene, zurückgelaffene leere Droschke, weshalb er ohne Aufenthalt seine Verfolgung bis Ettlingen fortsezte, dort aber 3 Uhr Morgens von der bereits allarmirten badischen Genödarmcrie erfuhr, daß der Bösewicht die Stadt noch nicht betreten hatte. Durch Pen Telegra­phen der Eisenbahnstation traf der Stationscommandant die ihm weiter nöthig scheinenden Anstalten zur Hab- haftwcrdung des Pferderäubers und Verhinderung der Flucht über den Rhein. Der verunglückte Fuhrmann, entweder durch den aufgeschlagenen Kragen seines Mantels oder sonstige günstige Umstände vor der Tödtlichkeit des in so unmittelbarer Nähe abgefeuerten

Schusses gcschüzt, konnte vorgestern zu seiner Fa­milie, allgemein bedauert, zurückgebracht werden.

Möge es bald gelingen, den Thäter der Gerechtig­keit zu überliefern. Derselbe soll, wie so eben einge­troffene Nachrichten sagen, aus Königsbach im Badi­schen sepn, im Verdacht mehrerer anderer Diebstähle stehen, und wahrscheinlich von r»n getroffenen Anstalten gegen seine Weiterreise in der eingeschlagenen Richtung zurückgeschreckt, sich rückwärts dem Murgthale zu ge­wendet haben. Was neuerdings von seiner Verhak- tung bei Bruchsal u. s. w. erzählt wurde, sind bis jezt bloße Gerüchte, die noch der Bestätigung warten.

Ausland.

Rußland.

Aus Kamiesch wird vom 20. Mär; berich­tet, man meldet aus Perekop vom !7. den Tod des Fürsten Menschikoff daselbst.

Ein Bericht aus Sebastopol meldet:Unsere Straßen sind in Reihen von Festungen umge­staltet. Ueberall sieht man mit Bombenkanonen und Geschüzröhre» gespickte Barrikaden. Jedes Haus der friedlichen Bewohner ist mit Schieß­scharten versehen und bildet für sich eine beson­dere Veste. Merkwürdig ist vorzugsweise die Kornilow'sche Bastion, früher der Malachow'sche Kurgau genannt. Von dem höchsten Punkte derselben übersieht man das ganze Lager der Anglo-Franzosen.

Nach, den neuesten Meldungen aus der Krim wird das Innere der Rhede von Sebastopol jezt von den Batterien der Verbündeten beherrscht, und die Russen suchen ihre Schiffe möglichst in Sicherheit zu bringen. Die Angriffs- und Ver- theidigungsarbeiten sind wundervoll.

Die Franzosen haben Sebastopol am 23. März an zwei Stellen in Brand gesteckt. Durch einen Tagesbefehl des Generals Osten- Sacken wurde allen Personen weiblichen Ge- ' schlechtes die Entfernung aus Sebastopol an­befohlen.

Neuenbürg. Ergebnis) dos Fruchtm-irltS am 7. April 1855.

Getreide-

Gattungen.

Vori­

ger

Rest.

Scbfl-

Neue 1 Ge- Zufuhr-sammt- lBetrag Sckfl. ! Sckfl.

Heutig. 1 Ver­kauf.

! Schfl.

Im

Reff

gcblieb

Schfl.

! Höchster tDurchschnitts- ! Preis.

! fl. I kr.

1 Wahrer

I Mittclpreis.

! fl. kr.

Niederster Durchschnitts- Preis, fl. ! kr.

Verkaufs-

Summe.

fl. l kr.

Kernen

32

14

46

23

23

22

30

22

14

22

6V-

511

14

Gem,Frucht

2

2

2

14

30

14

30

14

30

29

Gerste

Ackerbohnen

2

2

2

Erbsen

SUMIW

34

16

50

25

25

540

14

In Vergleichung gegen die Schranne am 3l. März ist der Mittelpreis des Kerncns niederer um 16 kr.

Brodtaxe vom 25. März 1855 an:

nach dem Mittelpreis der Schranne am 3l. März u. 7. April von 22 fl. 25 kr.

4 Pfund weißes Kernenbrod 19 kr. I Kreuzerweck muß wägen 4'/z Loth.

Fleifchtaxe vom 11.! April 1855 an:

Ochsenfleisch.12 kr. , Hammelfleisch.9 kr.

Rindfleisch.10 kr. Schweinefleisch unabgczogen .... 14 kr.

Kuhfleisch ........... 10 kr. abgezogen.13 kr.

Kalbfleisch .......... 9 kr. I Stadt-Schuldheissenamt. Weßinger.

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.