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Auf dem Rasen vor dem Baucrhause spielten drei Kinder: zwei Mädchen und ein troziger Bube; in der Hausflur hechelte die Mutter. Hanf. Durch die weit offene Thür trat langsam ein braunes schmuzigcS Weib; straff hing das fettige Haar ihr auf die Schultern herab, einen fast nackten Buben schleppte fle am zerrissenen Rocke nach. „I-atsotiu ÜIII- äiebis!" grüßte sie die Bäurin, die sie mit mißtrauischem Blicke maß. »Gib mir und meinem Söhnchen vliasmo*)!"
Die Frau schnitt den neben ihr liegenden Brodlaib mitten durch und reichte der Zigeunerin die Hälfte.
Sie wog die Gabe in der unreinen Hand und Iblieb wartend stehen.
»Was wollt Ihr noch? Geht in Gottes Namen!« rief nach langer Pause die Bäurin.
„keolio Maas**) mußt du mir geben,» verlangte halb trozig, halb schmeichelnd die Bettlerin, „0I,Iipt«ne und Kez-ae***)!«
»Nicht auch die Hühner und die Kuh?" schalt die entrüstete Frau. »Ein halber Laib Brod, denk' ich, war' genug.«
„Caljun ißt kein trocken Brod!" rief verächtlich das Weib und legte die Gabe auf die Schwelle.
„Laßt's nur liegen und geht einmal!« entgegnete ihren Zorn zurückpressend, die Geberin. »Meine Kinder essen es gern!"
»Deine Kinder?" rief mit bitterem Hohne die EgyPt^rin, und kauerte sich nieder, ihnen in die Augen zu sehen. Der sechsjährige Johannes hob drohend feine Peitsche, Margarethe das Nachbarskind, starrte die Fremde mit unverhehltem Widerwillen an, und die kleine dreijährige Liesbeth kroch furchtsam hinter die Gespielen.
»Geht weg von meinen Kindern!" schrie jezt aufspringend die Bäurin. »Martin, Jakob!"
»Ich thue deinen Frazen nichts," lachte die Unheimliche, »aber an mich denken sollst du, oft genug. Ke ins der Dreie wird dreiundzwanzig Jahre altz Hörst du? vergiß es nicht! Sie sprang mit gellendem Hohngelächter davon, und zitternd vor Angst führte die Mutter die erschreckten Kleinen in die Stube. Am nächsten Sonntag aber, als ihr Mann in der Kirche war, schrieb sie das Erlebte hinten in ihr Gesangbuch, welches Niemand, wie sie, in die Hände bekam. Ihrem Manne sagte sie cs später; der Nachbarin aber verriet!) sie nichts. —
Die Zeit, die täglichen Sorgen nagten an dem Schreckbilde, daß es im Lauf der Jahre erblich; zumal, da der Mann nicht an derlei Prophezeihungen glaubte und die bange Frau jedesmal derb znrückwies, wenn sie von der Geschichte nur beginnen wollte. Unv als das Jahr 1840 neue Gesangbücher brachte und die alten bei Seite legen hieß, so kam ihr auch die Erinnerung aus dem Auge. Da starb nach nur fünftägiger Krankheit der zweite Sohn, Johannes, und als der Pfarrer in der Leichenrede sagte: »in wenigen Tagen würde der Vollendete sein dreiundzwanzigstes Jahr erreicht haben,« sank die Mutter ohnmächtig in der Kirche zusammen. Liesbeth führte sie heun. und hier, von Kör-
*) Oba-sme: zu essen.
**) keetio maas: geräuchert Fleisch.
***) Oblipteue: Schmalz; — 6v)ao: Eier.
perschwäche und Mutterschmerz übermannt, entdeckte sie dem jungen Mädchen jene Prophezeihung — ja, sie gab ihr das alte Gesangbuch in die Hände.
Welche namenlose Angst preßte, welcher Jammer durchzuckte nun daS bis dahin so arglos fröhliche Herz des zwanzigjährigen Mädchens. Wie harmlos vergnügt hatte sie in das Leben geblickt, welche Freuden hatte sie von ihm gehofft, welche Schlösser wohl auf der Zukunft luftigen Grund gebaut — und Alles, Alles versank vor dem eisigen Hauch eines grausen Orakelspruchs, der aus dem Abgrund heraufzudröhnen schien. Sie raffte sich auf; sie wollte den Unsinn einer solchen Voraussage verlachen — und das Bild des tobten Bruders schreckte sie zurück. Sie wollte in der Religion Trost und Ergebung suchen — und das junge blühende Leben lockte und weinte um den süßen Tag, und schauerte vor der Nacht des dunkeln Grabes. Die Andern arbeiteten oft im Feld und Weinberge, sie aber saß einsam mit ihrer Nähterei zu Hause, und vor ihr aufgeschlagen waren die vergilbten Zeilen, die dem zwanzigjährigen Mädchen nach drei Jahren den Tod kündeten. »Ein verurtheilter Mörder,« flüsterte sie dann oft, »weiß seinen Tod drei Tage voraus; ich Unschuldige muß drei Jahre ihn kommen sehen!" —
So durchweinte sie die Nächte, durchgrübelte sie den Tag über der einsamen Arbeit. Den Freuden der Gespielen, dem heitern Sinn der Jugend hatte sie adieu gesagt auf immerdar, und war doch zu vernünftig, zu sehr Christin, in geisttödtender Pietisterei zu vcrdumpfen. Und kein Herz hatte sie, an dem sie ihre Angst, ihren Jammer hätte ausweinen können; allein wußte sie ihre Qual tragen! Ließen dann die Furien, die die Aermste verfolgten, einen Augenblick nur die Schlangengeißel rasten, so sank das überreizte Gehirn zurück, und mit dem Bissen im Munde schlief sie ein.
(Fortsczung folgt.)
Wer jezt durch das gesegnete Frankenland reist, hört in allen Orten den lustigen Drescherschlag, Ueberall ist man mit dem Ausdrusch« wohl zufrieden, aber kein Bauer, kein Pächter und kein Herr will verkaufen, es soll erst noch theurer werden. Das Ding aber hat gewiß seine gute Seite, denn Edelleute und Bauern können unmöglich Alles aufeffen wollen, und so werden sie endlich doch losschlagen müssen, und wir werden auch wohlfeileres Brod zu essen bekommen.
Vor kurzem hat ein Menschenfreund, Hr. Breant durch ein Testament einen Preis von 100,000 Franken Demjenigen ausgefezt, welcher ein radikales Mittel gegen die Cholera findet. Die Pariser Akademie der Mcdicin hat darüber zu entscheiden. Im Testamente ist weiter vorgesehen, daß die Zinsen des großen Kapitals so lange von der Akademie als Preis für Jene ausgefezt werden, welche überhaupt die Wissenschaft durch Forschungen über die Krankheitsstoffe in der Luft gefördert haben.
Wie vermöchte die verworfenste Tochter der Hölle — die Berläumdung — sich so leicht in der Welt fortzubringen, wenn sie nicht an den scheußlichsten Ausgeburten unseres Herzens — an der Schadenfreude, dem Neid und der Lüge ihre Mitschuldigen fände!
Redaktion, Druck und Verlag der M eeh'fchen Buchdruckerei in Neuenbürg.
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