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Beilage zum Enzthäler Nro. SS.

Mittwoch den 22. März 1854.

gerne mit Rath und That an die Hand gehen. Werden aber solche größere Unternehmungen von vorn herein nach einem festen Plane entworfen und ausgeführt, so ist gar nicht daran zu zwei­feln, daß sie nicht nur mit keinem Schaden ver­bunden sind, sondern vielmehr gewinnbringend sich erweisen werden.

Die Geldmittel zur Ausführung solcher Arbeiten werden freilich in jeziger Zeit in den wenigsten Gemeinden bereit liegen. Sie müssen entweder durch eine Gemeindeumlage oder durch Aufnahme von Kapitalien beigeschafft werden, und da man sich zu dem Ersteren gerade jezt, wo auch die Vermöglichen größere Ausgaben als sonst haben, schwer entschließen mag, so bleibt nur das Letztere übrrg. Gegen dieses Schulden­machen trägt nun zwar ein gewissenhafter Orts­vorsteher in gewöhnlichen Zeiten mit allem Recht großes Bedenken, aber wir leben auch nicht in gewöhnlichen Zeiten. Wie wir schon oben bemerkten, geholfen muß werden, und es fragt sich daher nur, ob es vortheilhaster ist, 500 fl. für einfache Almosen auszugeben, oder 1000 fl. auf nüzliche Arbeiten zu verwenden, so daß, wenn man recht rechnet, die Gemeinde­kaffe eigentlich gar keinen Verlust erleidet.

Erst vor einigen Tagen erhielten wir ein Schreiben von Herrn Posthalter Roller in Ba­lingen, worin es heißt:

Fragt man, wie ist zu helfen? wo ist Ar­beit mit einigem Nuzen zu finden? so wäre mein Rath folgender: Da die Felderpreise auf den nie­dersten Punkt herabgesunken sind, dieser niedrige Preis aber sich keine 5 Jahre halten kann, so soll man in Orten, wo der Morgen geringes Feld nur 5, 10k bis 15 fl. kostet, einige ankaufen und 2 V 2 Schuh tief roden lassen. Bleiben diese Felder auch 5 Jahre lang unverkauft, so haben nach Verfluß dieser Zeit die nun tiefgründi- gen Felder sicher einen höheren Werth, so daß wenig Verlust dabei herauskommen wird. Eben diese Felder- die bis setzt wenig Nutzen trugen, werden auf ewige Zeiten tiefgründig bleiben. In den an unserer Schwcizerstraße gelegenen Orten Endingen, Erzingen, auch Weil- heim, sind eine Menge Aecker feil per Morgen zu 5, 10 bis 15 fl. , die Niemand will, und so sind viele Orte in unserer oberen Gegend."

Wir führen dieses nur als ein einzelnes Beispiel an, wie se nach den Verhältnissen Ar­beit geschaffen werden kann ohne großen Auf­wand, und wie solches, recht angegriffen, zu einer nachhaltigen Verbesserung unserer landwirth- schaftlichen Verhältnisse führen und also auch für die Zukunft segensreich wirken muß. Am Kredit zur Beischaffung der Geldmittel fehlt es keiner Gemeinde, und die Genehmigung, für diesen Zweck auch Passivkapitalien aufzunehmen, wird

von der höheren Behörde keiner Gemeinde ver­weigert. ES ist also ganz in die Hände der Gemeindebehörden gegeben, durch Schaffung niiz- licher Arbeiten nicht nur dem Nvthstand ihrer Bürger bis zur Erndte gründlich abzuhelfen, sondern zugleich den Grund zu künftigem Wohl­stand der Gemeinde zu legen. Möge keine Ge­meindebehörde die schwere Verantwortung auf sich laden, eine solche Gelegenheit unbenüzt ge­lassen zu haben! (W. f. L- u. F.)

Kronik.

Deutschland.

Württemberg.

Dienstnachrichten.

Ernannt: auf die Aktuarsstelle bei dem Ober­amte Neuenbürg der Verweser derselben Negie­rungs-Referendar Braun von 'Neukirchen, auf die Gerichtsnotarsstelle in Stuttgart der Amtsnotar Jmhsf in Sternbach, auf die AmtsnotarSstelle in Dürrwangen, OA. Balingen, der Amtsnotar Grüner von Schelklingen. In den Ruhestand versetzt: der Oekonomiever- walter, Oekonomierath Gmelm bei der Heilan­stalt Winnenthal.

Diensterledigungen.

Die Grelle des Oekonomieverwaltert bei der Heilanstalt Winnenthal. Die AmtsnotarS­stelle in Steinbach, OA. Hall.

Die Mädchenschulstelle in Leutkirch.

Neuenbürg. In Birkenfeld ist eine Fa­milie an Wurst-Vergiftung erkrankt.

Ausland.

Turkey.

Konstantinopel, 9. März. Die Con­vention zwischen den Westmächren uud der Pforte wegen einer umfassenden Emaneipa- tion der Christen und dem Oriente wird ge­genwärtig hier bearbeitet. Ein Friedensabschlnß zwischen der Pforte und Rußland kann nur unrer Zustimmung der Westmächte erfolgen. Die Con­vention enthält noch überdies die Bestimmung, daß dem Sultan ein Hülss-Corps zu überlassen sey. Eine militärische Expedition nach Grie­chenland ist zu gewärtigen.

Frankreich.

In den lezten Tagen war der Andrang von Auswanderern so stark, wie das noch nie vorgckommen. Am 14. d. Mts. beförderte die Paris-Sirasburger Eisenbahn 1300, Tags dar­auf 11000 und gestern 900 Personen (also in drei Tagen 33001 nach Havre. Die Leute ver­lassen Europa ganz fröhlich. Die Fahrt von Strasburg nach Paris legen sie in vierzehcn Stunden zurück.