sondern alle Freunde der Landwirthschast ein- ladel

Der Vorstand: Baur.

Der gegenwärtige Nothstcmd.

Ein Wort an die Herren Ortsvorstehcr.

Der Noihstand, in welchem sich derzeit unser Land befindet, kann recht benutzt von den segensreichsten Folgen für d e Hebung der land­wirthschaftlichen Veihältnisse Württembergs wer­den und es ist daber der jetzige Augenblick in landwirthschaftlicher Hinsicht von außerord, nilicher Wichtigkeit. Ob er dazu benützt wird oder un- benützt vorübergeht, hängt großentbeils von dem ab, was die Gemeindebehörden zur He­bung des Nolhstandes zu thun beschließen, und darum richten wir diese Zeilen zunächst an die Vorstände derselben, welchen hier eine Gele­genheit, wie selten, gegeben ist, sich große Ver­dienste um das Vaterland zu erwerben.

Wir halten es für ganz überflüssig, das Vorhandenseyn des erwäbnten Notbstandes erst zu erweisen, aber nicht als überflüssig scheint cs uns, hervorzubeben, was dem jetzigen Rothstand eigenthümlich ist. Zu diesem Zweck müssen wir unter den Nvthleidenden zwei Klassen unterschei­den, nämlich die kleinen Leute, welche zwar so viel Grundeigenkhum besitzen , daß sie in gewöhn­lichen Jahren von dem Ertrage desselben leben können, aber in der Regel nichts oder nur we­nig davon auf den Markt bringet, und so­dann die Taglöhner, welche ohne genügendes Grundcigenlhum vorzugsweise durch ihre Arbeit für Andere ihren Lebensunterhalt verdienen müs­sen. Tritt eine Brodthcuerung ein, so ist zunächst diese letztere Klasse übel daran, und zwar dop­pelt, denn weil Jedermann sich einschränkt, so finden sie weniger Gelegenheit zur Arbeit als sonst, und zugleich will der gewöhnliche Arbeits­lohn beiden gesteigerten Brodprcisen nicht reichen. Dies ist auch gegenwärtig auf gleiche Weise der Fall, wie in früheren Nothjahren, aber dazu kommt in diesem Jahre nun noch die Roth der kleinen Grundbesizer, welche in vielen Gegenden des Landes im verflossenen Jahr so wenig Frucht und Kartoffeln geernbtet haben, daß ihr Wintcr- vorrath bereits aufgezehrt ist. Hier ist die Lage noch viel bedenklicher, denn diese Kleinbauern, welche gewöhnlich im Winter nur im Hause mit ihrer eignen kleinen Wirthschaft beschäftiget find, haben durchaus keine Gelegenheit, durch Arbeit bei Andern sich das Fehlende zu verdienen. Bei ihnen ist also die Nahrungsquelle nicht bloß, wie bei den Taglöhnern re., vermindert, sondern geradezu abgeschnitten, sie aber bilden wohl in den meisten Gemeinden die Mehrzahl!

Hier mu ß geholfen werden, und zwar zunächst von Seiten der Gemeinden, denn in ihrem wohlverstandenen Interesse liegt es, daß nicht die Mehrzahl ihrer Bürger entweder durch

ungenügende schlechte Nahrung körperlich ruinirt wiid, oder durch Ueberschulduug ökonomisch zu Grunde geht, oder gar durch Ergreifung uner­laubter Mittel sittlich herabkommt. Es fragt sich daher nur um die Wahl in den Mitteln zur Hülfe. Und hier wird gewiß jeder, die Ver­hältnisse ruhig Erwägende zugeben, daß einfache Almosen, bestehen sie nun in Geld oder Brod oder Suppe, nichts taugen. Bei kärglicher Rei- chung sind solche Almosen ungenügend, bei reich­licher Austheilung erschöpfen sie die Gemei'ndckaffe und erregen den Unwillen derer, welche sie bei oft selbst beschräiilten Mitteln reichen müssen. Darum ist Arven das Einzige, was gründlich belfen kann, diese Arbeit kann aber Niemand, als die Gemeinde, schaffen und, was die Haupt­sache ist, sie kann es ohne Rachtheil für sich, ja sie kann es zu ihrem eigenen größten Nutzen!

An nützlichen landwirthschaftlichen Arbei­ten fehlt cs in keiner Gemeinde. Wo ist die Gemeinde, die behaupten kann, alle ihre Bicinal- unv Feldwege seyen bereits im besten Zustand, es lassen sich in dem Gemeindewald keine nütz­lichen Kulturen mehr machen, die Allmanden und Weidepläzc seyen keiner Verbesserung mehr be­dürftig, eS gebe keine Steinriegel mehr abzu­heben, keine sumpfigen Stellen mehr trocken zu legen, keine Userbauien mehr vorzunehmen, keine Wiesenwässerungen mehr anzulegen re.? Doch wir wollen auihören, Dinge anzuführen, die jedem Ortsvorstand nahe genug liegen und von ihm gewiß auch bis jezt schon nicht unbeachtet blieben. Ein Streitpunkt kann nur der seyn, in wie weil solche Arbeiten auch in der Art nüzlich genannt werden können, daß durch späteren höhe- reu Ertrag der Waldungen, Allmanden, Wei­den re. die Gemeindekasse für ihre Auslagen vollständigen Eriaz und Gewinn erhält. Hiebei kommt cs aber natürlich auf den Grad von Um­sicht an, mit dem solche Meliorationen vorgenom­men weiden, und wo der Ortsvorsteher nicht selbst Mann vom Fach ist, wird er immerhin wohl thun, Sachverständige aus der Nachbar­schaft dabei zu Rathe zu ziehen. Wie Herr Di­rektor Walz in Hohenheim kürzlich durch den Bezirksarmenverein seine Bereitwilligkeit ausge­sprochen hat, überall im Oberamtsbezirk Stutt­gart, wo man beabsichtigt, zum Besten der Ar­men größere landwirth. Arbeiten, wie Verbesserung von Allmandflächen, Draim'rungen, Felvwegreguli- rungen rc., vorzunehmen, mit dem Schuldheiß an Ort und Stelle zu gehen, den Plan dazu zu entwerfen und die Ausführung im Großen zu überwachen, so wird sich gewiß in jedem Bezirk ein tüchtiger Landwirth finden, der gleiche Bereit­willigkeit , bei solchen Arbeiten behülflich zu seyn, an den Tag legt. Auch die landwirthschaftlichen Bezirksvereine werden gewiß jedem Ortsvorsteher, der sich in solcher Angelegenheit an sie wendet,

(Fortsezung in der Beilage.)

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.