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Ausland.

Frankreich.

Paris, 21. Juli. Die Journale sind noch fortwährend mit Beschreibungen der einzelnen Scencn der präsidentiellen Reise angefüllt. Blu­mensträuße spielen eine große Rolle bei den Huldigungen, die dem Prinzen im östlichen Frankreich zu Theil werden. Nach allen Schil­derungen hat wohl noch nie ein Staatsoberhaupt einen solchen Blumenregcn von Ort zu Ort auf sich hcrabströmen seben. Die Freunde des Prin­zen versichern, daß alle diese Blumen ohne Dornen sind. Es bestätigt sich, daß der Prinz-Präsident den Entschluß gefaßt hatte, auf dieser Reise keine offizielle Rede zu halten. Der mehrtägige Aufenthalt, welchen iiouis Napoleon bei seiner Tante, der verwittweten Großher­zogin Stephanie in Baden-Baden genommen, hat dem Gerüchte neue Nabrung gegeben, daß ernstlich von einem Heiraihsprojckte des Prinz- Präsidenten die Rede sep. (F.J. >

Miszellen.

Die bayerische Kellnerin

(Fortsezung.)

Graf Amberg erhob das Glas gegen das Licht und belobte wohlgefällig die Helle schimmernde Farbe dieses dem Goldtopase gleichenden Nasses, auf welchem der von feinen ätherischen Stoffen gewebte Silberschaum schauckelte. Er kostete und gestand, anfänglich wohl mehr aus Gefälligkeit, bald aber aus Ueberzeugung, wie er nun begreife, daß man sich leicht an die ver­lieblichte Bitterkeit, an den würzigen und doch so rei­nen Geschmack eines solchen Getränks gewöhnen könne. Mit Ablegung dieses Glaubensbekenntnisses überkam den Proselyten allmählich auch der bei dem neuen Kultus zu beobachtende Ritus. Schnell genug hatte er aufgesaßt, wie der ächte Trinker den Zinndeckel des Glases behutsam mit dem Daumen lüpfte und an den Henkel zurücklehne, wie er ihn nach vollbrachtem Trunk leise zurücksinken lasse, wie dem mehr Verlangenden nach geleertem Becher das rasche taktmäßige Aufschla­gen des Zinns gezieme. Schon nach Leerung des er­sten Glases schwenkte er es so tapfer als nur Einer klappernd, und schaute erwartungsvoll nach dem fol­genden, vielleicht mehr noch nach der schönen Ueber- bringerin, durch das Gedränge.

Ambergs Hoffnung' ging in Erfüllung. Abermals war es die schöne Marie, welche ihm das Getränk kredenzte. Unverwandt hing sein Auge an dem lieblichen Gebild bis zum lezten Augenblick, wo es wieder im Gewühl versank.

»Nun, habe ich zu viel gesagt ?» fragte der Baron.

»Beim ewigen Gott,» erwiderte der Graf ernst­haft, »sie ist schön, mehr noch als dies, sie ist reizend. Dies Ebenmaaß der Glieder, diese unbewußte Harmo­nie ihrer Bewegungen, das nußbraune, stillstnnende, treue Auge, die füllreichen blonden Locken, und dieser magische Jugcndreiz, die Glorie, welche das blühende Antliz umfließt. Sie nannten, wenn ich nicht irre,

Marien spröde, streng, unzugänglich den Schmeicheleien, wie der Verlockung. Theilen Sie denn auch diesen Glauben wahrhaft, Mar?»

Herr von Hardp blickte überrascht auf den Grafen. »Ei nun,» erwiderte er, »ich glaube ja; nein wirklich, ich pflichte der allgemeinen Stimme bei. Aber Ihre

Frage klang so ernst, so feierlich-Ja doch, cs

ist meine feste Ueberzeugung. Ein Mädchen, wie dieses da, das einmal die Augen der ganzen^Stadt auf sich gelenkt hat, welches durch ihre Schönheit und Stellung so tausendfältiger Versuchung ausgestellt ist, findet eben in jener allgemeinen Aufmerksamkeit den sichersten Wäch­ter. Ein Mädchen, wie die schöne Marie, kann nicht einmal im Verborgenen fehlen. Nicht nur ihre Hand­lungen, auch ihre Gedanken schon werden von Tausen­den von Spähern bewacht. Ich bin überzeugt, daß sie makellos rein sep.«

»Wunderbar genug,» erwiderte sinnend der Graf, »aber doch möglich glaublich wahrscheinlich. Den niedern Ständen wohnt häufig noch eine Sittlichkeit, vor allem aber eine Willenskraft inne, die uns schon in Träumen fremd geworden ist. Sie ist schön sehr schön. Kommen Sic, und lassen Sie uns einen Gang durch den Garten machen.«

Die Schatten begannen sich bereits zu verlängern. Hier und dort brannten schon Lampen in den Zelten und Lauben; alle waren noch überfüllt mit fröhlich schwazenden und lachenden Gruppen. In einem der Pavillons drehten sich die hölzernen Gäule mit ihren ehrenfesten Sonntagsrittern um, die kleinen Wägelchen voll jubelnder Dirnen, die mit der Lanze in der Hand sich mühten, den eisernen Ring zu heben. In einem andern räumigen Saale schwenkten die Paare sich im Tanz. Ueberall herrschte Lust, Leben und Freudigkeit, nirgends jene widrige, übersättigte Rohheit sinnloser Völlerei. Die höhern Stände mischten sich sorglos unter die Haufen der Proletarier und freuten sich mit den Freuenden. Rodrich's Auge stieß nirgends auf tückische Feindseligkeit, mit welcher in seiner Heimath der Niedere in dem Augenblick der Freilassung sich so gern gegen den höher Gestellten für die erlittenen De­mütigungen zu rächen liebt, nirgends auf die knech­tische Reverenz des Gebeugten, eben so wenig" aber auch auf das hochmütige und verlezend zur Schau getragene Bewußtseyn des Ranges und Reichtums. Von Augenblick zu Augenblick fühlte Amberg sich woh- ler, freier, heimischer in diesen Kreisen. Lächelnd drückte er seines Freundes Hand und zog ihn dann wieder in das dichteste Gedränge mit sich fort. Die schöne Marie vermochte er bei einbrechender Dunkelheit nicht mehr in dem lauten Schwarm ausfindig zu machen, (Fortsezung folgt.)

In New-Orleans fürchtet man das Eindringen einer auf den westindischen Inseln herrschenden Krank­heit, die man für die ächte orientalische Pest und viel bösartiger als die Cholera hält. Sie soll aus Afrika oder Asten durch ein Schiff nach Madeira und von da nach den westindischen Inseln verschleppt worden sepn.

Redaktion, Druck und Verlag der M e eh'sche» Buchdruckerei in Neuenbürg.