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Kaiser den Umgang mit Gützlaff und seinem Gefährten bei Todesstrafe verboten hatte (denn zu tövten wagte er fie nicht, aus Furcht vor dem »König der Könige«) kam der Thronfolger heimlich in der Nacht mit Lebens­gefahr zu ihnen, um von ihnen die Wissenschaft und Religion der Europäer kennen zu lernen. »Aber für das Höhere im Christenthume,« klagt Gützlaff, »hat mein Kaiser kein Interesse, er ist nur für das Wissen begeistert.« Doch hat er seinem Volke volle Religions­freiheit und der Verkündigung des Christenthums wird kein Hinderniß mehr entgegengestellt. Gützlaff fordert daher, daß man den günstigen Augenblick benüzen solle. Er will 60 junge Theologen für China gewinuen. In England und Holland hielt er begeisterte Ansprachen zu diesem Zwecke und tn dem leztern Lande schlossen sich 24 Studenten und Kandidaten an ihn an. Auch in Berlin hielt er am 31. Mai einen Vortrag auf der Universität, dessen Wirkungen sich schon hie und da zeigen. Ueberall in Deutschland sucht er »Vereine zur Förderung der evang. Mission in China« zu stiften, deren Mittelpunkt der zu Berlin seyn soll. Sehr merkwürdig ist es, wie dieser Missionar so ganz Chi­nese geworden ist; sogar seine Gestalt entspricht den Abbildungen von Chinesen, welche man bei uns zu Gesicht bekommt. Seiner Sprache merkt man die 27jährige Gewohnheit an das chinesische »Ong ang« an. Dabei ist sein Nationalbewußtseyn, obgleich er ein geborner Deutscher ist, ganz chinesisch, er ist der »Vertreter der 367 Millionen des chinesischen Volkes" geworden.

Bunte Matter.

So viel Fälle es in der Erziehung auch geben mag, in denen die Anwendung von Strenge nüzlich und nothwendig ist, so giebt es deren doch weit mehr, in welchen man mit Nachsicht und Milde zu verfahren hat; denn einerseits beruhen die meisten Fehler und Vergehungen des Kindes nicht sowohl auf Böswillig­keit, als vielmehr auf Jrrthum und Mangel an Ein­sicht, und anderseits wirkt ein freundliches Wort der Zurechtweisung und Belehrung in den meisten Fällen sicherer, als strenge Rüge und Strafe, die ge­wöhnlich mehr erbittern als bessern.

Es giebt nur ein Heilmittel gegen alle Leiden und Schmerzen und gegen die tiefsten Wunden, die das Geschick uns schlägt, und dies ist der, zwar nur allmählig, aber um so sicherer wirkende Balsam der allen Kummer mildernden Zeit. Nicht Plözlich, sondern unvermerkt und leise benimmt sie dem Schmerz seine Bitterkeit und heilt sie die tiefsten Wunden. Wenn man Trauernde trösten will, so darf man ihren Schmerz nicht im Sturmschritt beseitigen wollen, sondern muß der Zeit und den mit ihr wechselnden Gedanken und Gefühlen den größten Theil der Arbeit überlassen.

Nach der Masse von trefflichen Erziehungsschriften, die wir schon besizen, sollte es mit der Erziehung weit besser stehen, aber leider! werden sie eben nur gelesen, kritisch beleuchtet und dann bei Seite gelegt, wobei alsdann die Wissenschaft, aber das Leben nichts gewon­nen hat.

Wenn die Triebfedern unserer Handlungen, die Neigungen und Leidenschaften, in Bewegung sind, so handeln wir und rcflektiren nicht; wenn wir dagegen reflektiren und der Besonnenheit das Steuer wieder in die Hand geben, so steht unser Handeln still und wir find nur Beschauer. Thatkraft und Besonnenheit sind zwei Extreme, die sich nur selten vereinigen, und wir dürfen schon zufrieden seyn wenn sie sich nur eini­germaßen begegnen und vermitteln.

So sehr wir uns auch der menschlichen Einsicht und der Klarheit unserer Gedanken zu rühmen pflegen, ko ist doch das Gebiet der dunkeln oder der nur im Dämmerlicht stehenden Vorstellungen das bei weitem größte und ausgedehnteste.

Am vielen Schwäzen erkennt man die Hohlköpfig- keit, gerade so wie die Trommel so viel Lärm zu ma­chen Pflegt, weil sie leer ist.

Wer Einen um dessen guten Namen zu bringen sucht, der macht diesen arm, ohne sich selber zu berei­chern.

Die äußere Bildung und Abgeschliffcnheit, die Feinheit der gesellschaftlichen Formen kaun uns empfeh­len und einen uns günstigen Eindruck Hervorbringen; aber für die Dauer uns geliebt und geehrt machen, uns Vertrauen gewinnen und die Herzen uns zuwenden, das vermag nur jene Bildung, die aus dem innersten und fruchtbarsten Boden unseres Geistes emporgewach­sen und in unser ganzes Wesen übergegangen ist.

Die meisten Bücher haben keinen andern Reiz, als den ihrer Neuheit und verlieren das Interesse, wenn man sie zum zweiten Male lieft. So auch viele Menschen, die uns bei der ersten Bekanntschaft anzie- hen, bei wiederholter Betrachtung und weiterem Ver­kehr aber nicht befriedigen und gleichgültig lassen.

Auflösung der Rnthsel in Nro. L9.

1.

Die Hindus, die Ostindien und die umliegenden Länder bewohnen. Der Indus, ein bedeutender Strom, mündet in das arabische Meer.

2 .

Mainz, Stadt am Einfluß des Main in den Rhein, im Großherzogthum Hessen mit 41,000 Ew. Znaim, Stadt auf einem Berge an der Thaya mit über 5000 Einwohner.

3.

Ungrisch-Brod ist eine Stadt in Mähren mit 3400 Ew. Böhmisch-Brod, eine Stadt in Böhmen mit 1600 Ew. Deutsch-Brod, ebenfalls in Böhmen mit 4000 Ew. Deutsch-Brod ist also am größten.?

Neuenbürg.

Der Heu- und Oehmdgras-Ertrag

einer Thalwiese der Stadt von ungefähr 1 Mor­gen und etlichen Ruthen wird am

Donnerstag den 27. dieses Abends 6 Uhr

auf hiesigem Rathhause im öffentlichen Aufstreich verkauft werden, wozu man in- und auswärtige Liebhaber einladet.

Den 25. Juni 1850.

Stadtschuldheissenamt.

Meeh.

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.