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hatte und konnte glücklicherweise durch die Landjägermannschaft heute nacht noch festgenommen werden.
Pfullingen, 11. Septbr. DaS überaus seltene Fest der diamantenen Hochzeit feierten hier gestern in aller Zurückgezogenheit Josef Flad sen., früherer Mühlebesitzer, geb. am 11. Mai 1811, und seine Gattin Marie Barb., geb. Beutel, geb. am 19. Febr. 1813, welche am 10. Sept. 1837 sich die Hand fürs Leben reichten. Die Jubilare erfreuen sich noch beneidenswerter Gesundheit und vollständiger Geistesfrische und wurden von der ganzen Gemeinde herzlich beglückwünscht.
Ebingen, 12. Sept. Der wegen Ermordung seiner Braut in Haft genommene Friedrich Mayer von Winterlingen ist aus dem Gefängnisse in Rott- weil entsprungen und hat sich zu Hause vom 4. Stock herabgestürzt, wobei er sich lebensgefährliche Verletzungen zuzog.
Bietigheim a. Enz, 10. Sept. Vorgestern hatte ein hiesiger Mann das Unglück, beim Essen eine Nähnadel zu verschlucken. Herr vr. msä. Schuhmacher hier, welcher alsbald um Hilfe gerufen wurde hatte das Glück, die Nadel, welche im Kehlkopf stecken geblieben war, durch glücklichen Griff zu entfernen.
Lauffen a. N., 12. Sept. Auf Veranlassung des Herrn Stadtschultheißen Lehn er versammelten sich gestern abend die Interessenten für eine Licht- und Kraftleitung vom Württ. Portlandzementwerk auf die linke Neckarseits („Dorf"). Zunächst gab Herr Stadtschultheiß Lehner einen erschöpfenden Bericht über die schon seit Jahren schwebenden Verhandlungen, wies auf die offensichtliche Dringlichkeit der Frage hin und forderte mit packenden Worten zum sofortigen Zusammenschluß aller Beteiligten auf. Sodann erörterte Herr Direktor Grauer die Sachlage vom Standpunkte des Elektrizitätswerkes und gab Erläuterungen zu dem in seinen Grundzügen bereits ausgearbeiteten Plane. Hiernach wäre, da die verfügbaren Kräfte bereits anderweitig in Anspruch genommen sind, eine besondere Dampfanlage zu erstellen mit einem Aufwand von etwa 60000 Demgemäß muß darauf gerechnet werden, daß außer den für die Straßenbeleuchtung vorgesehenen 42 Lampen noch 400—500 Lampen von Privaten und eine gewisse Anzahl von Motoren angeschlossen werden. Die Kosten einer Flamme belaufen sich pro Stunde auf 1—2 -A die Einrichtung pro Lampe auf 14—20 D'e Versammlung war von den gegebenen Mitteilungen sehr befriedigt und noch gestern abend wurden 220 Lampen und 10 Pferdekräfte angemeldet. Wir zweifeln nicht daran, daß die noch fehlenden 200 Lampen in den nächsten Tagen angemeldet sein werden und damit eine Frage entschieden sein wird, die für unsere Stadt besonders in Beziehung auf die industrielle Weiterentwickelung von größter Wichtigkeit ist.
Neckarsulm, 12. Sept. Die letzten Mitglieder der Reblauskommission werden uns dieser Tage verlassen, nachdem die Untersuchung des Kochen
dorfer RehlausherdeS beendet ist. Dieselben kommen teils in die Umgegend von Stuttgart, teils nach Neckar- wsihingen, wo seiner Zeit zuerst in Süddeutfchland die Reblaus aufgetreten ist.
Künzelsau, 10. Sept. Kürzlich wurde ein der Brandstiftung in Sonnhofen und Mäusdorf verdächtiges 17 Jahre altes Dienstmädchen in das hies. Amtsgericht eingeliefert. Nach langem Leugnen be- quemte sich die raffinierte Person zu einem Geständnis und gab zu, 2 Brände in Sonnhofen und 2 in Mäusdorf gelegt zu haben. Die Brände in Mäusdorf fanden schon vor 3 Jahren statt, als das Mädchen erst 14 Jahre alt war. Der angerichtete Schaden beläuft sich auf mehr als 25000
Gerabronn, 12. Sept. Ein in London ansässiger geborener Gerabronner, Hr. D. Landauer, hat für die Hagelbeschädigten seines Heimatbezirkcs eine Kollekte unter seinen Freunden veranstaltet und dank seiner lobenswerten Energie, mit welcher er die Sammlung betrieb, einschließlich seines Beitrags die gewiß hohe Summe von 4000 ^ zusammengebracht und hierhergesandt. Dieses wohlthätige Vorgehen unseres Landsmannes dürfte im Bezirk freudige Aufnahme finden und es wäre zu wünschen, daß dieses Beispiel auch von anderen im Ausland befindlichen Schwaben nachgeahmt würde.
Ellwangen, 11. Sept. Unsere Stadt und Umgebung zeigt gegenwärtig ein recht kriegerisches Bild. Nachdem uns vergangenen Dienstag nach 18tägigem Aufenthalt das 3. und 4. Jnf.-Reg. verlassen, rückten gestern nachmittag der Stab der Kavallerie-Brigade, der Stab III. Abteilung Feldart.-Reg. 29, sowie das Pionier-Bat. 13 hier ein. Wie man hört, sind die Leute mit ihren Quartieren recht zufrieden und auch unter der Einwohnerschaft herrscht nur eins Stimme des Lobes über die gute Haltung und das musterhafte Betragen der Mannschaften. Das anhaltend schlechte Wetter beeinträchtigt die Uebungen natürlich sehr. Biwaks konnten bis jetzt nicht abgehalten werden und mußten Notquartiere bezogen werden. Heute verspricht das Wetter bei starkem Nord- Ost einige Besserung. — Im Laufe des heutigen Tages passierten in zahlreichen Extrazügen über 6000 Mann bayr. Truppen, welche mit ca. 400 Pferden von den Kaisermanövern in ihre Garnisonen zurückkehren, den hies. Bahnhof.
Zwiefalten, 11. Sept. Von einem vorerst unberechenbaren Unglück wurde die Familie des Th. Metzger hier betroffen. Dessen 12jähriges Töchterchen wurde von einer ihrer Schulgenossinnen mit der Stahlfeder derart in den linken Augapfel gestochen, daß die Erhaltung des Auges oder unter Umständen beider Augen sehr gefährdet ist. Das Mädchen wurde der Behandlung eines Spezialarztes unterstellt.
Saulgau, 12. Sept. Gestern Nacht 1 Uhr wurden die Bewohner von Blochingen bei Mengen durch Sturmgeläute aus dem Schlafe geweckt. Es
brannte die Gemeindefarrenscheuer sowie zwei Oekono» miegebäude in kurzer Zeit bis auf den Grund nieder. Die Feuerwehr war rasch auf dem Platze und nur deren angestrengter Thätigkeit ist es zu danken, daß ein nächststehendes Wohnhaus verschont blieb. Die sehr wertvollen Gemeindefarren konnten mit knapper Not gerettet werden. Die Entstehungsursache ist bis jetzt unbekannt.
Mengen, 12. Sept. Infolge der anhaltenden starken Regengüsse der letzten Tage ist die Ablach wiederholt aus den Ufern getreten und überschwemmt das ganze Wiesenthal. Das viele noch auf den Wiesen liegende Oehmdgras wird zum größten Teile fortgeschwemmt und geht durch die Ungunst der Witterung so zu Grunde. Auch auf die andern Feldgewächse, namentlich die Kartoffel wirkt die anhaltend nasse Witterung sehr schädlich und es mehren sich allgemein die Klagen über die geringe Rentabilität der Landwirtschaft.
Tuttlingen, 12. Sept. Gestern vormittag fiel in der untern Hauptstraße eine Frau, welche ein Kofferchen trug, plötzlich ohnmächtig um. Durch Anwendung stärkerer Essenzen gelang es dieselbe bald wieder zum Bewußtsein zu bringen. — Gestern mittag sprach Abg. Conrad Haußwann in Trossingen über „Politische Sorgen". Heute abend wird er über dasselbe Thema hier sprechen.
Ravensburg, 10. Sept. In Weingarten wurde ein zur 14 tägigen Uedung einberufener Landwehrmann trübsinnig und sprang heute früh 2 Stock hoch in der Kaserne herunter; derselbe wurde schwer verletzt in das Spital verbracht.
Ravensburg, 10. Sept. Gestern machte ein praktischer Arzt von Wurzach OA. Leutkirch bei seiner Rückkehr die Entdeckung, daß sein Schreibtisch erbrochen und ca. 60 ^ daraus entwendet seien; als er nachforschte, fand er, daß mit dem Geld seine Haushälterin, Magdalene Romberg von Dornbirn, verschwunden war und es lenkte sich auch sofort der Verdacht des Diebstahls auf diese. Es wurde ermittelt, daß sie sich Leutkirch zugewendet habe, wo sie von einem Radfahrer verfolgt, aufgegriffen und nach Wurzach zurückgebracht wurde, sie war noch im Besitz des Geldes und gestand auch den Diebstahl sofort zu. Bei ihrer Vernehmung gab sie an, daß sie mit einem Stemmeisen, Messer und Bohrer versucht habe, den Schreibtisch zu öffnen, was ihr aber nicht gelang, worauf sie die Erdölkanne benutzte und durch aufgießen von Erdöl ein Loch in die Tischplatte brannte, um so die Schublade aufmachen zu können, was auch der Fall war. Die Romberg ist schon wegen Diebstahls vorbestraft.
Tettnang, 10. Sept. (Hopfen.) Wie vorauszusehen war, sind die Hopfenpreise etwas in die Höhe gegangen und wurden für schöne Ware in den letzten Tagen pro Zentner 90—100 ^ bezahlt. Die Frühhopfen sind im Bezirk nahezu verkauft und auch die Späthopfen werden meistens verkauft, sowie sie gut trocken sind.
Cläre von Helden lächelte. Sie wußte nur zu genau, daß von ihrem kleinen Erbteil so gut wie nichts übrig war, daß ihr guter Schwager und Vormund ein recht schlechter Vermögensverwalter war und dieses kleine Vermögen für sich aufgebraucht hatte. Deßhalb auch seine Furcht, daß sie sein Haus einmal verlassen könnte, daß er gezwungen würde, Rechenschaft abzulegen. Er brauchte ohne Sorge sein. Wenn sie nur dieses Haus hätte verlassen können, dann würde sie sich um den Verbleib ihrer kleinen Erbschaft nicht gekümmert haben.
„Du hast recht, Kurt," entgegnete sie. „Laß uns nicht darüber sprechen."
„Cläre, Du weißt, wie gern ich Dich habe, Du weißt, wie die Kinder an Dir hängen. Du hast mir versprochen, bei uns zu bleiben, und für die Kinder zu sorgen, Du kennst ja Amalie, sie kümmert sich kaum um die Kinder, sie hat ja ganz andere Interessen ... und dann ihre Heftigkeit, ihre maßlose Eifersucht ... ich bedaure Dich von ganzem Herzen. Cläre, aber ich bitte Dich, verlaß mich nicht, wenigstens jetzt noch nicht ... in einigen Jahren, dann ist es etwas Anderes . . ."
„Aber Kurt, ich verstehe Dich nicht? Wie kommst Du auf den Gedanken, daß ich Dich und die Kinder jetzt verlassen sollte? Ich. liebe den kleinen Kurt und Emmy aufrichtig; es würde mir sehr leid thun, sie verlassen zu müssen . ."
„Das Hab' ich Amalien auch schon oft gesagt, aber sie — sie möchte Dich gern verheiraten."
„Verheiraten?!"
„Sie möchte Dich gerne aus dem Hause haben, sie möchte — na, kurz und gut, sie ist eifersüchtig auf Dich!"
„Verheiraten?! Mich verheiraten? Und mit wem?"
„Ich sollt' es Dir eigentlich nocht nicht sagen . . . aber da wir drauf gekommen sind — mit dem Doktor Mittenzweig . . ."
„Ach, das ist empörend!"
„Doktor Mittenzweig ist ein wohlhabender Mann, er hat eine gute Praxis, er ist Stabsarzt außer Dienst — an sich hätte ich gegen eine solche Verbindung nichts, aber ich kann den Kerl nicht ausstehen, er ist ein Schleicher — ein . . . na, ich will weiter nichts sagen!"
„Kurt, ich gebe Dir mein Wort, daß ich dem Doktor niemals meine Hand reiche!" rief Cläre in Hellem Zorne.
„Er ist auch schon etwas alt für Dich — vierzig Jahr! — Hm, das ist ja an sich noch kein hohes Alter . . . man kann sich sehr lange jung erhalten ... ich schmeichle mir wenigstens, das ich noch jünger und besser aussehe, als Doktor Mittenzweig ... Das kommt eben ganz auf den Charakter an . . . aber Cläre, mein liebes Kind, was weinst Du denn so?"
Cläre war in den Sessel zurückgesunken, hatte ihr Gesicht mit den Händen bedeckt und weinte bitterlich. Jetzt verstand sie, weshalb der Doktor fast jeden Tag kam, weshalb er so oft zu Tisch blieb, weshalb er so lange in dem Kinderzimmer, in dem sie mit den Kindern sich befand, weilte und weshalb ihre Schwester ein Alleinsein des Doktors mit ihr so häufig herbeizuführen suchte. Sie sollte an den ihr so unsympatischen Arzt verhandelt werden, denn anders vermochte sie eine solche Heirat nicht zu nennen, die auf keinem andern Grunde beruhte, als der der gegenseitigen vernunftmäßigen Vereinbarung. Doktor Mittenzweig war ein reicher Mann, er stand nicht mehr in der ersten Jugend, er konnte seine Gattin ohne Rücksicht auf Geld und Gut wählen, er würde gewiß auch nicht nach dem verschwundenen Vermögen Cläres geforscht haben — und Amalie war von ihr auf gute Art befreit. Ah, sie durchschaute jetzt die Handlungsweise ihrer Schwester! Aber Amalie sollte sich in ihr getäuscht haben! Ja, sie wollte dieses Haus so bald wie möglich verlassen. Sie wollte mit dem Geliebten Antmt und harte Arbeit teilen — nur fort von hier, wo ihr die häßlichsten Leidenschaften des menschlichen Herzens in nacktester Gestalt entgegentraten. (Forts, folgt.)