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K r o n i k.
Deutschland.
Prinz Friedrich von Baden ist am 24. Mai in Begleitung der Minister Beck und Dusch in Frankfurt angekommen. Am 26. traf der Grosherzog in Begleitung des Obersten und Fliigeladjutanten Seltene! ebendaselbst ein und stieg im Englischen Hofe ab.
WÜL tiemberg.
Die Beschlüsse der in Reutlingen am Pfingstsonntag abgehaltenen Versammlung von Abgeordneten der Vereine, Gemeindekvllegien und Bürgerwehrcn des Landes enthalten unter andern insbesondere folgende Forderungen an unsere Negierung:
1) Ungesäumte Anerkennung und thatkräftige Durchführung des reichsgesezlich bereits bestehenden Bündnisses mit allen Reichsländern, also auch mit Baden und mit der Rheinpfalz.
2) Unverzügliche RückberuMng der Truppen aus ihrer Angriffsstellung an der badischen Grenze und Verweigerung des Ein- und Durchmarsches von Truppen, die nicht auf die Reichsverfassung beeidigt sind, insbesondere Nichtein- laffung von solchen Truppen in die Festung Ulm.
3) Alsbaldige Bewaffnung des ganzen Volks, um jeden Angriff der Reichsfeinde bestehen und jeden deutschen Bruderstamm gegen dieselben schüzen zu können.
4) Sofortige öffentliche und feierliche Beeidigung des Heeres, sowie aller weltlichen und geistlichen Beamten.
5) Amnestie für alle politisch Angeschuldigte oder Gefangene Civil und Militär.
Die am Pfingstmontag zusammengetretene Volksversammlung trat den am Pfingstsonntag gefaßten Beschlüssen bei und stellte noch folgende weitere Forderungen:
Unverzügliche Einberufung einer verfassunggebenden Landesversammlung. Jeder Bürger, sey er reich oder arm, soll wählen dürfen. (Kein Census!)
Von dieser Versanmlung verlangen wir:
Endliche schleunige Erfüllung der Zusagen, mit denen wir Jahr und?:ag abgespeist worden und doch hungrig geblieben sind.
Namentlich unentgeltliche Abschaffung der Feud Masten und Ersaz des Ausfalls in den Staatseinnahmen durch eine ?ine, verhaltniß- mäßig ansteigende Einkommensteuer.
Umfassende Verminderung er Staatsausgaben durch Vereinfachung des Saashaushalts.
Aushebung der Apanagen.
Abschaffung der Pensionen.
An die Stelle des Beamtenhees in der Verwaltung endlich vom Volke gewhjte Bezirks- und Kreisausschüsse und unbeding. Selbstständigkeit der Gemeindeverwaltung.
An der Stelle des stehenden Heers I alsbaldige Volksbewaffnung und Volks- Heer, namentlich Wahl der Offiziere bis zum Hauptmann durch die Soldaten und Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit.
Es wurde eine Deputation ernannt, um diese Beschlüsse der Negierung und Kammer vorzulegen. Dieselbe wurde in der Kammer aber nicht zugelassen. Am 30. Mai wurde sie vom Gesammtministerium empfangen und die Unterredung soll eine sehr lebhafte gewesen scyn, von der die Deputation aber unbefriedigt zurückkam. Römer soll, wenn er gedrängt würde, vom Ministerium zurücktreten wollen.
Preußen.
Berlin, 23. Mai. Man spricht von einem französischen Courier, welcher hier durch nach Wien gereist, um wider den Einmarsch der Russen in Ungarn zu protestiren; auch will man aus Privatbriefen von einer neuen bedeutenden Niederlage der Oefterreicher durch die Ungarn wissen.
Berlin, 23. Mai. (F.J.) Ueber die Art und Weise, in welcher man die süddeutschen Bewegungen zu bewältigen gedenkt, schweben hier Berathungen. Man wird jedoch jedenfalls nicht mit preußischen Truppen operiren; vielmehr soll einpreußisches Corps gemeinschaftlich mit süddeutschen Truppenabtheilungen nach den vorzüglichsten Punkten der Bewegung dirigirt werden. —
Wenn wir gestern berichten, daß die Sendung des Adjutanten Sr. Maj. Prinzen Crop an den König von Würremberg nicht den gewünschten Erfolg gehabt hat, so müssen wir heute dieser Mittheilung eine andere zufügen. Der Erfolg jener Sendung erscheint einer mächtigen Hofpartei zwar unangenehm; aber nichts desto weniger kam er nicht unerwartet. Der gegenwärtige Regent Würtembergs handelt nur im Einvernehmen mit seinem constitutionellen Ministerium. Das Ministerium Römer ist aber nicht geeignet, jener Partei weder direkt noch indirect zu dienen. Man muß also auf Eventualitäten denken, die, können sie nicht den Sturz des Ministeriums herbeiführen, zu einem weiteren Resultate verhelfen. Man verfolgt jetzt in gewissen Regionen seine Zwecke sehr konsequent; man unterhält nicht umsonst an so manchen deutschen Höfen Verbindungen mit Leuten, die die Märzereignisse des vorigen Jahres verdrängt haben. Ein Resultat könne diese Verbindung zwischen Berlin und Stuttgart zur geeigneten Zeit herbeiführen — die Abdication des Königs von Württemberg.
Breslau, 22 Mai. Die Bekleidung der russischen Truppen, welche wir hier zu sehen bekamen, ist im höchsten Grade elend; sie gehen meistens baarfuß und in Unterhosen; ein abgeschabter Mantel bedeckt ihre Blöße.