172

Ausland.

Schweiz.

Bern, 22. Mai. Dieser Tage war ein Abgeordneter aus Baden oder Rheinbayern hier, um Offiziere für das zu bildende Volksheer zu gewinnen. Einige unabhängige Männer sind wirklich dahin verreist.

lieber die Auswanderung der Deutschen und über deutsche Colonisation.

(Fortsezung aus Nro. 42.)

Der Ackerbau leidet auch besonders durch den Mangel an Instrumenten. Die Regierung thut zwar Alles zur Förderung der Industrie; sie setzt Prämien auf Verbesserung der Maschinen, läßt von Nord-Amerika und England Geräthe aller Art kommen; doch bleiben diese immer nur in dem Besitz reicher Grundherrn. Der kleine Bauer behilft sich, wenn auch mit vieler Um­sicht, mit den einfachsten Hilfsmitteln der Natur. Am häufigsten baut man Waizen, Gerste und Hafer. Der Mais spielt hier keine so wichtige Rolle als in Nord-Amerika. Die europäischen Getraidearten haben ihn wie die andern ein­heimischen Nahrungsmittel fast ganz verdrängt. Die reichen Erndten gehen aber aus Mangel an Scheuern und notiger Behandlung beim Schneiden und Dreschen oft ganz verloren. Gartenbau treibt der Chilene wenig und die Daumzucht ist fast unbekannt. Die Obstbäume wachsen wild aus dem Samen auf, Niemand denkt daran sie zu veredeln. Sie liefern gleich­wohl sehr schmackhafte Früchte und ungeheure Erndten. In den Südprovinzen ist der Wcin- stock erst seit einigen Jahren von den Deutschen gepflanzt. Wenn die Wälder gelichtet sind, werden diesem Sohne der Wärme die Orange, die Olive, die Feige und selbst die chilenische Palme bis über die Ufer des Rio Bueno folgen.

Von den Südprovinzen, aus den Häfen von Valdivia und St. Carlos; werden die Pro­duckte der Oekonomie schon reichlich ausgeführt, und der Handel beginnt hier äußerst lebhaft zu werden. Die Regierung hat ihn für alle Nationen freigegeben und sehr günstige Verträge mit Nord- Amerika, England und Frankreich geschlossen. Die Eingebornen genießen große Bevorrechti­gungen und Schutz hinsichtlich der Zölle, und privilegirte Handelsgesellschaften gibt es keine. Wie aber auf dem Ackerbau der Zehnte, so lastet auf dem Handel der Estanko, das Monopol auf Taback, Wein, Spielkarten:c., trifft jedoch nur den Lurus. Wir hoffen, daß er gleich den Majoraten recht bald der rastlos fortschreitenden Aufklärung weichen werde.

Die nördlichen Provinzen führen fast aus­schließlich edle Metalle aus. Die Bergwerke lieferten 1844 4000 Mark Gold, 137,000 Mark

Silber, 88,000 Centner Kupfer, im Gesammt» werth von 4 Millionen Pfund Sterling. Die Süd-Provinzen treiben einen lebhaften Handel mit Holz, Getraide, getrocknetem Fleisch, Häuten, Talg, Schinken, Fischen, Sardellen, Hanf, Flachs und Bohnen. Diese Produkre gehen nach allen Häfen der Westküste, nach Bolivia, Peru, Ecu­ador, Guatemala und Mejico; sie gehen ums Cap Horn nach Buenos-Ayres, Brasilien, Nord- Amerika und Europa; selbst die asiatischen Märkte werden mit ihnen beschickt, sowie Australien und Manila. Die herrschenden Südwinde, die zahl­reichen Häfen, die innern Wasserstraßen be­günstigen den Handel eben so sehr, als der spekulative und kühne Geist des Volkes ihn fördert. Dieser Geist, der den Chilenen so auf­fallend von allen süd-amerkanischen verwandten Stämmen unterscheidet, ist durch glückliche Zu­fälligkeiten gepflegt und eigenthümlich ausgebildct worden. Als die ersten Eroberer, Galicier, Chile betraten, fanden sie tapfere, unabhängige Völker, die in keiner Weise sich mit ihnen vermischten. Sie eroberten unter fortwährenden Kämpfen einen Theil des Landes und ließen sich abge­schlossen und friedlich neben der unüberwundenen indigenen Race nieder. Die geographische Lage beförderte diese unfreiwillige Absonderung, und da Plantagenbau in Chile unmöglich ist und sein mäßiges Klima dem Afrikaner nicht zusagt, so betrat der Sklave nur als Seltenheit dies Land und der Galicier bewahrte sein kälteres Blut vor den wilden Leidenschaften, die die Mit­gift aller Mischlingsracen sind. Die Indier, sobald sie erkannten, daß der Durst nach Gold allein den Europäer treibe, daß das Gold allein der Grund des Elends ihrer peruanischen Brüder sey, verschütteten sorgfältig die ihnen wohlbe­kannten Minen, die ohnehin großentheils im Innern der Berge lagen, wohin die Spanier sich nicht leicht wagten. So wurden die An­kömmlinge genöthigt, auch dieser das Gemüch vergiftenden Leidenschaften zu entsagen; sie kehrten zu den Beschäftigungen, die sie einst im Mutter­lande getrieben, zu Ackerbau und Viehzucht zu­rück. Das ganze furchtbare Treiben der Minen­lotterien, aus dem nur schneller Reichthum mit seinen Thorheiten oder schnelles Elend mit seinen Lastern hervorzugehen pflegen, das dem peru­anischen Charakter diese tiefen Züge der Untreue und Nänkesucht eingrub, blieb dem chilenischen ganz fremd. Dos einfache Naturleben, die Neigung zum Aikerbau erhielt ihn ernst und genügsam und drängten ihn zurück auf das richtige Maß der Begierde« und Hoffnungen, ohne in ihm die höhne Spekulation zu tödten. Der Ackerbau ist mch heute eine Lieblingsbeschäftigung der höchsten stände, aber in einer andern Weise als bei uns.

(Fortsezung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'sche» Buchdruckerei in Neuenbürg.