Be »läge zum Enzthüler Nro. 72.

Der Kriegszug derdeutschen repub­likanischen Legion vom Stadthaus^ zu Paris bis in den T8ald bei ^ Doffenbach.

(Au, den Kritftil cine, Hauptsührrrs der Legion Lormn.)

Aus der ewig denkwürdigen Revolution vom Fe­bruar war die Republik entsprungen. Die Deutschen in Paris hatten mit Herz und Hand zum großen Werke geholfen, jezt aber, da die neue Ordnung der Dinge sich befestigte, war unsre Rolle ansgespielt; man be­trachtete uns zwar als Brüder, allein wi§ waren und blieben fremd. Das fühlten wir Alle und unsre Blicke schweiften sehnsüchtig nach Osten. Uns Alle packte das Heimweh. Nach Deutschland, nach Deutschland verlangte Jeden. Jeder fürchtete zu spät zu kommen, um an dem Bölkerschmause" Theil zu nehmen.Fürsten zum Lande hinaus" das war unsere Loosung. ^

Während dieser Zeit der Unruhe hörte ^ch, saß sich in Paris cinedeutsche demokratische Gesellschaft" unter dem Präsidium Herweg Hs gebildet und be­schlossen habe, die Deutschen in Paris zu einem Litup» pen-Corps zu vereinigen, welches man nach Deutschland schicken sollte, um dem sich erhebenden Volke als An­haltspunkt und Stüze zu dienen. Ich erkundigte mich bei Herwegh selber und fand mich zur bestimmten Zeit am Sammelplaze ein, von wo aus die Mitglieder jener Gesellschaft auf eine Ebene marschiren sollten. Ich traf daselbst etwa 800 Arbeiter aus allen möglichen deut­schen Vaterländern, von denen die meisten auf den Barrikaden mitgckämpft hatten. Die Leute' schienen vom besten Geiste beseelt, d. h. sie waren, wenn man sie hörte, vollständig davon überzeugt, daß für Deutsch­land nur Heil zu erwarten sep, wenn man seine 36 Fürsten verjagte; zu diesem Zwecke Gut (?) und Blut daran zu wagen, war ihr fester Entschluß. Unter Trom­melschlag und -Vorträgen einer schönen schwarz-roth- goldenen Fahne sezie sich der Zug endlich in Bewegung. Auf der Ebene angekommen, wurden ic bereits in Lektionen" eingetheilten Leute mit größte Mühe in Ordnung gestellt; ein ehmaligcr prcussischer Offizier, Reinhardt Schinimcipsenuig, hatte den militärischen Oberbefehl. Die Uebungen sollten aiigefangcu werden, und ich begann, die mir zugethcilte Sektion zu ordnen, als es den Führern einfiel, daß es zweckmäßig sc >, die Leute noch einmal zu fragen, ob sie auch fest cntschossen sepen, Paris zu verlassen und zur Unterstüging ihrer Bruder nach Deutschland zu ziehen. Wer diesen Ent­schluß mchl tbeilie, wurde aufgefordert, zurückzutreken. Zu meinem Erstaunen blieben mir von meiner Sektion nur 16 Mann, mit welchen ich indessen meine Erer- citien sortsezte. Die, Stimmung der Uebrtggebliebencn war ganz vorrrefftiau sic waren rußig, bescheiden und vollkommen geneigt, sich jeder militärischen Ordnung z» fügen, und hätte man von vornen herein dienöchige Festigkeit gezeigt, und hätte Einigkeit im Ausschuß ge­herrscht, so häkle man aus den Leuten eine vortreffliche Truvpe bilden können. Reinhardt Schimmelpfennigs Fähigkeiten reichten indessen hiezu nicht ans, die andern Ausschußmitglieder sahen dieß wohl »uv wollten ihn unterstüzen, wodurch er noch verwirrter wurde und eine heillose Consusion entstand. Vom Erercierplaze marschirken wir in die Stadt zurück eine» weiten Weg zum Stadthause, um den Parisern unsre Fahne zu zeigen und sie mit unsrem Plaue bekannt zu-mache».

Unterwegs schlossen sich ^ioch viele Deutsche an, so daß der Zug eine bedeutende Lange hatte. Alle 3VV Schritte wurde Halt gemacht besonders vor dem Hotel LamartineS, des Ministers des Auswärtigen, wo man die deutsche Republik, oie allgemeine Republik und Lamartine hoch leben ließ. ES war finster, als der zu ungeheurer Stärke angeichwollenc Zug vor dem Stadthaus anlangte. Hier wurde das französische Volk von einem Franzosen aufgefordert, »nS Waffen zu geben, welche Bitte von uns Allen mit lautem Rufe wiederholt wurde.

An demselben Abend fand ich mich bei einer Zu­sammenkunft des Ausschusses ein- Derselbe bestand aus dem Präsidenten Herwegh, den Vicepräfidenten Bornstedt, und v. Löwenfels, verschiedenen Aus­schußmitgliedern, von welchen ich nur Börnstein und Schimmelpfennig nenne. Herwegh, bekanntlich ein politischer Dichter, ein geborner Württemberger. Bornstedt, kurz vorher Herausgeber der Brüßler deut­schen Zeitung. v. Löwenfels, früher preußischer Lieu­tenant und Lehrer der französischen Sprache und der Mathematik bei einer Divisionsschule, seit der Revo­lution in Paris, wo er sich durch seinen Eifer, aber auch durch seinen, wenn gleich ehrenhaften Ehrgeiz auszeichnete; er hätte zugerne als Befehlshaber eines Heeres sein Vaterland in Erstaunen gesezt. Börnstein war früher österreichischer Artillerist, hatte sich zum Feldwebel emporgeschwungen; in Paris sagte man von ihm, er habe einen Feldzug in Polen mitgemacht, ob aber als General oder als Korporal, darüber waren nur Wenige unterrichtet, ich nicht. Bei dieser Zu- sammcnkunft nahm mich Reinhardt Schimmelpfennig auf die Seite und eröffnet? mir, er wolle das Kom­mando niederlegen, wenn ich bereit wäre, es zu über­nehmen. Ich entgegncte, die Entscheidung hierüber ge­bühre dem Ausschuß, übrigens sep es wünschenswcrtb, einen erfahrenen General an die Spize zu stellen. Am andern Abend näherte sich mir Herr v. Löwenfels, sprach seine Unzufriedenheit über Reinhardt und den Wunsch aus, daß ich an dessen Stelle das Kommando übernehmen möchte. Ich that indessen keine Schritte und. die Sache blieb einstweilen unentschieden.

Bornstedt war von Allen der Thätigstc. Er be­suchte unaufhörlich die verschiedenen Pariser Kludbs und suchte die Franzosen geneigt zu machen, uns Geld und Waffen zu geben. Wir bekamen auch etwa 150 Gewehre geschenkt und wenigstens so viel Geld, um die laufenden Ausgaben zu bestreiten. Es -war ein Ccntral-Bureau errichtet, das vom Morgen bis zum Abend mit Leuten voll war, welche sich in die Listen der Gesellschaft eintragen ließen. Anschläge mit Auf­forderungen zur Unterstüzung waren an allen Straßen­ecken zu finden. Der Ausschuß hielt eine Menge von Sizungcn, die mir gar nicht gefielen, denn es waren rein keine Verhandlungen, was dem Ausschüsse nicht gefiel, wurde auf die verlczcndste Weite zurückgewiesen m v die ganze Thätigkeit beschränkte sich darauf, Geld zusammcnzubringcn.

Während dessen wurden die Leute der Legion äußerst ungeduldig und trieben zum Abmarsch, weil die Meisten ihre Arbeit aufgegeben hatten und ibr Geld nicht nuzlos in Paris verzehren wollten. Die Leute hatten sich überhaupt seit einiger Zeit merklich verändert. Louis Blanc machte die französischen, Barn­stedt die deutschen Arbeiter verrückt.

Man schmeichelte ihnen aufs unverschämteste, ,'0 daß sie endlich glauben mußten, die ganze Revolution sep nur durch sie und für sie gemacht worden. Man­cher bescheidene, fleißige Arbeiter wurde dadurch ein aufgeblasener Narr, der verlangte, die Regierung solle dafür sorgen, daß er fanllenzen und gut leben könne. Aehnliche Dinge, wie Louis Blanc predigte Bornstedt unfern Leuten, bei denen er sich besonders dadurch populär machte, daß er sie Du nannte und sich von ihnen so nennen ließ und daß er ihre Kleider und Manieren annahm. Durch seine Veranstaltung wurden auch Arbeiter in den Ausschuß ausgenommen, was ge­wiß zweckmäßig gewesen wäre, wären die Gewählten nicht so ganz von ihm geleitet gewesen. So konnte es bei den militärischen Einrichtungen nicht gedeihen, wenn man den Leuten tagtäglich vorprcdigte:Die Anführer sind nichts Besseres als ihr, sie sind eure Diener und wenn sic das nicht scpn wollen, so find sie Aristokraten.« Wir trugen gewiß Alle die Grund- säzc^ der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit im Herzen; allein das war der falsche Weg, diele Grund- säze in die Wirklichkeit einzmühreu; die wahre Brüder-