229
K r o n i k.
Deutschland.
Frankfurt, 19. Juni. (F. I.) Endlich haben die Verhandlungen über die provisorische Centralgewalt begonnen, und zwar bis dahin in weit ruhigerer Weise, als nach manchen bangen Prophezeihungen zu erwarten war. Alle Parteien scheinen einzusehen, daß ein völliger Bruch im Innern der Nationalversammlung einen gleichen im ganzen Vaterlande Hervorrufen würde. In der Thal wurde gestern Abend in dem weiten Raume zwischen den äußersten Reihen, der Rechten und der Linken ein Weg zur Verständigung über den hochwichtigen Gegenstand der heutigen Tagesordnung angebahnt. Wir glauben, daß es nicht allein der Achtung vor den beiderseitigen Rechten, sondern auch der wechselseitigen Einsicht in die hinter den Parteien stehenden materiellen Kräfte bedarf, um ihr Zusammenwirken als die Hauptbedingung ihrer Selbsterhaltung und als die heiligste Pflicht für die Erhaltung des gemeinsamen Vaterlandes darzustetten. Gelingt es der Nationalversammlung, die wichtigsten Lebensfragen durch eine an Totalität grenzende Majorität zu entscheiden, so ist sie der Exekutivgewalt des ganzen deutschen Volkes gewiß, ob sich nun deren höchstes Organ in Frankfurt trinitarisch, unitarisch oder wie sonst gestalte. Dann wird keine Minorität in ganz Deutschland den verzweifelten Muth haben, sich auf irgend welche Seite außerhalb des Volkes zu stellen und mit Frei- schaarensensen oder mit legitimistischen Bajon- netten gegen Deutschlands Einheit zu kämpfen.
Mainz, 18. Juni. (F. I.) Ueber die Werbungen, die hier stattfinden und von denen ich Ihnen schrieb, werden jezt Ansichten laut, welche diese ganz eigenthümliche Erscheinung aus einem Gesichtspunkte auffassen, der viel für sich hat und deshalb in die Oeffentlichkeit gebracht zu werden verdient. Es wird nämlich von Leuten. denen eine genaue Kcnntniß der Lage der republikanischen Partei nicht abzusprechen ist, behauptet, daß der Name Heckers diesen Werbungen nur untergeschoben sey, und daß dieselben eigentlich von der Reaktionspartei ausgehcn, die damit keinen andern Zweck, als die Entfernung unruhiger Köpfe, zu erreichen suche. Den Angeworbenen werden goldene Berge versprochen, um sie nur aus dem Lande zu schaffen; eine Rückkehr derselben, auch wenn sie die Erfahrung gemacht, daß man sie getäuscht, befürchte man nicht, da sie sich durch das Einlassen auf die Sache viel zu sehr kompromittirt, um nicht wegen ihrer persönlichen Sicherheit besorgt zu sey'n. Wer da weiß, daß es hier in Mainz immer noch eine ziemlich starke Partei gibt, welche an die Möglichkeit der Wiederherstellung der guten Zeiten vor dem 6. März 1848 glaubt, dem wird es gar nicht wunderbar erscheinen, daß
solche nichtswürdige Kunstgriffe wie die erwähnten Werbungen, angewendet werden, um einen eben so nichtswürdigen Zweck zu erreichen. Mögen alle Diejenigen, welche in die Netze dieser Partei gerathen, sich wohl versehen, damit sie nicht das Opfer einer verruchten Bosheit werden.
Hamburg. Die Vossische Zeitung meldet: So eben Abends 6 Uhr erfahren wir die freilich nicht verbürgte Nachricht, daß in Hamburg ein Erpresser angekommen sey, der angezeigt habe, daß 34 Segel der nordamerikanischen Flotte im Anzuge seyen, um die von den Dänen genommenen Schiffe frei zu machen.
Württemberg.
Stuttgart. 19. Juni. (S. P. Z.) In auswärtigen Blättern (z. D. in der deutschen konstitutionellen Ztg. u. a. m.) sind durch Korrespondenzen aus hiesiger Stadt die von einem kleinen Theile des sechsten Infanterieregimentes begangenen Exzesse, wie es scheint absichtlich, übertrieben und entstellt worden. So ist die Angabe, als sey das Regiment auch am zweiten Pfingstfeiertag nach der von Sr. Maj. dem Könige persönlich an dasselbe gerichteten Ansprache mit verdoppelter Energie in den Ruf: „Es lebe Hecker!" ausgebrochen, durchaus unwahr und dahin zu berichtigen, daß geraume Zeit nachdem Se. Maj. sich bereits entfernt hatte, ein einzelner Handwerksgeselle, accompagnirt von einer Anzahl muthwilliger Gassenjungen und Lehrbuben in den Ruf: „Hecker soll leben! Die Soldaten sollen leben! Alle sollen leben!" ausbrach. Das in dem Kasernenhof spazirende Militär nahm hievon lediglich keine Notiz, und verhielt sich während des ganzen Abends durchaus ruhig.
Baden.
Aus dem bad. Oberlande, 16. Juni. (F.J.) Hier, an der Grenze der freien Schweiz, im Oberrhein - und Seekreis Badens, aus denen nach Heckers und Struves Plänen die Revolution wie eine Lawine über ganz Deutschland sich wälzen und die Republik gebären sollte, ist es ruhig, aber keineswegs politisch windstill geworden, denn das Volk horcht in fast ungeduldiger Erwartung der Beschlüsse des Reichstages, die dem gesammten deutschen Vaterlande sein Reichsgrundgesez auf der breitesten Grundlage bringen sollen. Obgleich das Volk des badischen Oberlandes in seiner Mehrheit dem Heckerschen Ansinnen nicht zugethan war und dem republikanischen Zuge auch nur so lange folgte, als es durch Drohungen aller Art dazu gezwungen werden konnte, so ist seine Theilnahme an der politischen Reform eines einigen und freien Deutschlands doch eine stets wachsende. Möge der Reichstag die imposante Haltung und die gespannte Erwartung des deutschen Volkes, die, wie im Süden, so über unser gesummtes deutsches Vaterland sich wie ein glühendes Feuermeer verbreitet, nicht verkennen und die sprüch- wörtlich gewordene deutsche Geduld nicht länger