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Ein plözlichcs Licht gieng »ach dieser Erklärung des Schullehrers, welche von dem Kornmüller nachher bekräftigt wurde, den..Richtern auf. Der Bäcker H*, wohl verstau cn, chur dieselbe Person, welche an dem Morgen, als die gerichtliche Untersuchung des Diebstahls bewirkt wurde, in das Hans der befohlenen Wittwe cinzudringcn wußte, dort den bewußten Dcklaraticns- scheiu aufgerafft und der gerichtlichen Commission cin- gchändigt hatte. Ein räthiclbaftcres Betragen war indessen den Richtern noch nie vorgckonimen. Was konnte den Bäcker H^ zu einem solchen Betragen bewogen haben? Er stand ja laut der Erllärung der wirklichen Thätcr weder mit ihnen noch mit ihrem Verbrechen in irgend einer Verbindung. Dahinter mußte ein dichtes Gcheimniß stecken, welches indessen mehr oder minder mit dem begangenen Diebstahl verwickelt war. Allein wie kam denn aus den sonderbaren Einfall, den Namen des abwesenden CorporalS Rüßler zur Unterzeichnung des Briefs zu gebrauchen? Tausende dergleichen Fragen entstanden noch und stoffen die eine aus der andern. Je meßr man die Sache betrachtete, desto uncrklärbarer wende der Zusammenhang derselben.
Bevor noch der Schullehrer und der Müller das Gericht verließen war bereits H^ verhaftet und verhört. Doch hierbei blieb cs noch nicht. Kurz darauf wurden auch der Wollkämmer und seine Frau aufgespürt und, weil beide sich schon auf flüchtigen Fuß begeben hatte», eingcholt und gefänglich zurückgcbracht.
Nun wurde der Proeeß des Niklas und seiner Familie, obgleich er bereits vollendet war, noch einmal vorgcnommen und alles darin dunkel Gebliebene durch die Geständnisse der zulest Verhafteten enträthsclt. Aus diesem allem entw ickelte sich nun ein Verbrechen, welches, obgleich cS in keinerlei Beziehung oder Verbindung mit dem bei der Wittwe Andrecht statigefundenen Ticb- stähle stand, vielleicht nie ans Licht gekommen sepn würde, wenn licht gerade an dem Morgen der Diebstahl bekannt geworden wäre.
Am Abende vor dem Tage kam der Corpora! Nüh- lcr wie er häufiger that, in das Hans des Wollkämmers, um Karten zu spielen. Der Bäcker H* war gewöhnlich und so auch jcncu Abend mit von der Partie. Er kannte den Corpora! nicht von diesen Spielxarlbien allein, sondern er stand auch mit ihm in einer genaueren Verbindung. Der Bäcker H--' war nämlich Brodlic- ferant für die Bcsazung; aber er war ein schlcälcr Mensch, d-r aus gieriger Gcldsnchl und damit das Brod das bestimmte Gewicht hätte, den Teig verfälschte und also den Soldaten wirklich der Gesundheit nach- thciligcs Brod liescr'e. Nübler, der die Aussicht über die Speisung der Compagnie haiic, war dahinter gekommen, allein er ließ fich, ebeiüo schlcchidcnkcnd als H*, von diesem bestechen und gab wenig darauf, ob einige seiner Kameraden, von dem Brod vergütet, ihre Gesundheit gefährdeten. Dies war aber zugleich ein Grund, weshalb H- peil Corpora!, den er fürchten und ihm dazu noch Geld geben mnyte, tödlich haßtc,- was Rühler von seiner Leite mit Verachtung und in
herrischem Tone beantworleie, indem er den Bäcker v'» Zeit zu Zeit bedrohte, daß er hn anzcigen wurde, im Fall er ihn nicht mit hinreiß endem Ge d versähe Ncch fürchterlicher indcß haßlcn den Corpora! der Wo käm- mer und dessen Frau; der Haß entsprang bei ihnen aus Rachsucht wegen eines ansehnlichen Verlustes, den ihnen der Corpora! zngcsügt hatte, indem er bewirkte, daß ihnen eine sehr vielen Gewinn abwerfc de Lieferung von Gamaschen und andern Kleidungsstücken für die Garnison genommen wurde. Indem cs noch übrigens bei ihm stand, ihnen auch noch einen andern Bertheil zu entgehen, so fürchteten ssc ihn, gleich dem Bäcker, daß er ihnen nicht schaden möchte.
An dem Abende der erwähnten Zusammcnkuust entstand unter ihnen ein heftiger Zwist, worin die drei klebrigen des CorporalS Gegner waren. Jczt wirkten lange verbissener Haß bei rem Einen, weichende Rachsucht bei den beiden Andern und bei Rühler der heftigste Jähzorn. Der anfängliche Zwist stieg bald so hoch, daß rer Corpora!, durch den Wollkämmer unket den Fuß gebracht, fürchterlich mißhandelt zur Erde fiel. Bis hichcr hatte er den Unglücklichen mit aller Gewalt angegriffen, während der Bäcker nur durch Auhczuug das Sciuige dazu that. Als nun Rühler aber unterlag, und durch Rache angespornt, dem schurkischen Bäcker znschwor, ihn in der Folge wohl finden zu wollen, da hcztc dieser aus Furcht vor Entdeckung den wüthendcn Wollkämmer und dessen Weib an, daß fie dem Verhaßten fest nur den Nest gebe» möchten, weil rein Lande an einem Soldaten mehr oder weniger doch wenig gelegen wäre So ward Rühler ermordet.
Lie Tl.st war vollbracht und nicht zu wicderrusen! Alle Drei erkannten sich schuldig an dem Morde des Mannes, dessen Leiche noch i» ihrem Blute schwimmend zu ihren Fuß n lag. Sie verbanden sich untereinander, daß keiner von ihnen je etwas bekennen, sondern jeder das Scinigc thun sollte, die Sache geheim zu halten.
Die Sonne gic g für das erste Mal über der voll- fübricu Grcuclihat auf und noch lag das Schlachtopfcr im Keller des Wollkänicrs. An diesem Morgen kam die Wittwe Andrecht zurück und der Diebstahl wurde ruchbar. Nun wurde das Mordccmplot von Höllenangst gefoltert. Fürchterlich peinigte sic das erwachw Gewissen. Die allezeit vergröferüdc Furcht, welche den Bösewicht erfüllt, stüstcite ihnen zu, daß dieser Diebstahl zur Entdeckung ihres Verbrechens führen, indem die benachbarten Wohnungen gerichtlich durchsucht werden würden, ob allda das gestohlene stecke. Schon schilderte ihre angstvolle Phantasie ihnen die Ankunft des Gerichts in dem Hause des Wollkämmers; schon meinten sie das scharf forschende Auge des Richters bis in den Keller dringen zu sehen und zitterte» bei dieser gräßlichen Vorstellung, als die Frau des Wollkämmers folgende List erdachte.
Da hat der „blaue Reiter", sprach sie, welcher mit der Hanna, der gewesenen Magd der Frau Andrecht, verheiratet ist, als er unlängst hier war, sein Taschentuch liegen lassen. Stille einmal! Ter Bursche pflegte