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Weilderstadt an 9,55, Calw an 10,43, Nagold an 11,33. (Dieser Zug hält in Feuerbach, Zuffenhausen, Kornthal, Ditzingen und Höfingen nicht an, dagegen an allen übrigen Stationen.) Personenzug 340 Stuttgart—Leonberg 9,50 nachm, in Stuttgart abgehend wird am Sonntag, den 14. Juni, bis Calw fortgesetzt:
Stuttgart ab 9,50, Leonberg an 10,50, ab 10,55, Weil d. Stadt an 11,17, Calw an 13,05 früh am 15. Juni.
Stuttgart,!.. Juni. Gestern Morgen wurden die neuen Taxameter-Droschken einer Probefahrt unterzogen, der heute die definitive Einführung folgen soll. Die Wagen find leicht, elegant, und im Sommer ihrer Luftigkeit wegen den Zweispännern entschieden vorzuziehsn. — Das Hotel „Viktoria" geht mit dem heutigen Tage pachtweise an einen Herrn über, der seither ein Hotel in Mainz in Pacht hatte.
Ludwigsburg, 2. Juni. Am Sonntag Nachmittag legte sich zwischen hier und Kornwestheim ein etwa 18 Jahre alter Bursche, der dem Arbeiterstande anzugehören scheint, auf das Geleise in dem Augenblick, als ein Personenzug herankam, so daß ihm der Kopf vollständig vom Rumpfe getrennt wurde. Die Persönlichkeit des Burschen, sowie die Motive des Selbstmordes sind bis jetzt nicht bekannt.
Gellmersbach, 39. Mai. Die seit vier Monaten mit sehr gutem Erfolg ausgeführten Bohrversuche auf Steinsalz sind nun am hiesigen Platze beendet und es wird nun der K. Salinenverwaltung Friedrichshall das MutungSrscht zuerkannt werden. Der sehr umfangreiche Apparat soll nun abgebrochen und in der Willsbacher Gegend aufgestellt werden.
Mergentheim, 3. Juni. Nachdem der angekündigte Besuch und Vortrag des Herrn Prälaten Kneipp zu verschiedenen Malen verschoben wurde, fand derselbe gestern Nachmittag statt. Eine große Anzahl seiner Anhänger fand sich am Bahnhofe zu seinem Empfange sin; von da aus begab sich der Herr Prälat direkt in das auch in weiteren Kreisen bekannte Sanatorium vr. Stützte, woselbst er einige Zeit bei den dort seiner harrenden Hilfesuchenden verweilte. Hierauf fuhr Prälat Kneipp zu der geräumigen Turnhalle, welche lange vor der festgesetzten Zeit bis auf das letzte Plätzchen besetzt war. Es mögen gegen 3000 Zuhörer gewesen sein. Der 1'/-» stündige, äußerst lehrreiche Vortrag behandelte die bekannte „Wasserkur" und führte Redner eine Reihe verschiedenartiger Krankheiten an, welche durch die Wasserkur geheilt wurden. Als Ursache der immer größeren Verbreitung der Nervosität bezeichnet Redner die Verweichlichung der Jugend und die falsche Nahrungsweise, empfiehlt die Anwendung von kaltem Wasser schon bei Säuglingen, warnt jedoch vor zu langem und zu vielem Baden. Bei den Männern bezeichnet er als Hauptübel: das viele Biertrinken, bei den Frauen das zu viele Kaffeetrinken. Redner empfiehlt insbesondere einfachere und kräftigere Nahrung. Zum Schluß dankt Herr vr. Stützle dem Herrn Prälaten für den belehrenden Vortrag und schloß mit
einem Hoch auf denselben. Durch das einfache und natürliche Wesen machte der Herr Prälat in allen Schichten der Zuhörerschaft den allergünstigsten Eindruck. Gestern Abend fuhr der hochwürdige Herr nach Ulm, von wo aus derselbe morgen früh seine Reise nach Wörishofen fortsetzt.
Ulm, 3. Juni. Mit dem Orientexpreßzug heute Vormittag ist die Königin-Mutter Natalie von Serbien auf der Reise von Paris nach Belgien hier durchgekommen. — Hier war gestern und noch heute Vormittag das Gerücht von einem großen Unglück beim Feldart.»Reg. Nr. 13 auf deni Schießplatz in Griesheim verbreitet und hatte nicht wenig Beunruhigung hervorgerufen. Nach Erkundigungen an zuständiger Stelle ist aber an dem ganzen Gerücht kein wahres Wort.
Sigmaringen, 30. Mai. Ein Küchenmädchen im Gasthof zum Löwen, gebürtig aus Altoberndorf, ist infolge Nachtwandelns aus dem obersten Stockwerke herabgestürzt und wurde gestern morgen vom Nachtwächter im Blute liegend aufgefunden. Dasselbe wurde ins hiesige Spital verbracht. Sein Zustand ist bedenklich.
Tettnang, 39. Mai. Gestern wurde in Waltenweiler, Gde. Ettenkirch, wegen Bettels ein Handwerksbursche verhaftet und in den Ortsarrest verbracht. Dem Amtsdiener erklärte er, wenn er ihn einsperre, hänge er sich. Als dieser nach kurzer Zeit nach dem Arrestanten sah, hatte derselbe sich wirklich an einer Schnur hinter der Arrestthüre erhängt, wurde aber noch rechtzeitig abgeschnitten und kam nach einiger Zeit wieder zum Bewußtsein.
Ochsenhausen, 39. Mai. Gestern abend 10 Uhr schlug der Blitz während eines gegen 7 Stunden anhaltenden Gewitters bsi Edenbachen in ein Oekonomie- gebäude, lötete den in seiner Kammer schlafenden Knecht, sowie zwei Pferde und zwei Stück Vieh. Das Oekonomiegebäude wurde ein Raub der Flammen, das anstoßende Wohngebäude konnte gerettet werden. Das Gewitter war eines der heftigsten seit Jahren, hatte anfangs die Zugrichtung von Süd nach Südosten, später von Osten nach Westen.
Vom Bodensee, 30. Mai. Große Anstrengungen werden laut „O. A." von der österreichischen Regierung gemacht, um Bregenz zur ersten Stadt am Bodensee zu machen. Nun will man dort sogar den Bahnhof vom See weg hinter die Stadt verlegen, damit diese mehr Gewinn an ihrer Lage ziehen kann und will den Güterverkehr gleich direkt nach dem nahen Hard leiten, bis wohin sich dann Bregenz natürlich sehr bald ausdehnen würde. Auf den Pfänder soll eine Drahtseilbahn gebaut und weiter gegen das Algäu geführt werden. Auch auf Schweizer Seite ist man bestrebt, dem Fremdenverkehr neue Wege zu bahnen, wie die in ca. 4 Wochen zu eröffnende Drahtseilbahn Rheineck-Walzenhausen beweist.
Köln, 3. Juni. Die „Köln. Ztg." meldet aus Moskau: Die Zahl der Opfer bei der Katastrophe vom Samstag hat thatsächlich 2700 betragen.
— In Hannover wurde dieser Tage der Prozeß gegen den freis. Redakteur Schüler, früheren Strassoldaten, wegen einer von ihm verfaßten Broschüre, „Kasernenleben" betitelt, vor der Strafkammer verhandelt. Die Anklage lautete auf Beleidigung des jetzigen Kriegsministers und anderer Offiziere. Mitangeklagter war der Drucker der Broschüre, Verlags- hänvler Robert Lutz aus Stuttgart. Schüler wurde zu 8 Monaten Gefängnis, Lutz zu 1000 ^ Geldstrafe verui teilt. Die Kosten des Verfahrens wurden beiden Verurteilten auferlegt. Der Staatsanwalt hatte 18 bezw. 2 Monate Gefängnis beantragt.
— Aus Metz schreibt man: Prinz Heinrich habe das dortige Gut Montarlier gekauft. Das Gut ist eines der größten in ganz Lothringen; es gehören dazu 2 umfangreiche Pachthöfe und ein großer Waldbestand, wo noch alljährlich Wölfe geschaffen werden. Auch der Lindersee, einer der größten Landseen der Lothringer Hochebene, gehört dazu.
Berlin, 2. Juni. Der Kaiser sandte sofort nach Empfang der Unglücksnachricht aus Moskau ein Beileidstelegramm an den Kaiser von Rußland.
Berlin, 3. Juni. Reichstag. Erste Beratung des Nachtragsetats, varunter die Forderung für den Uebergang der Landeshoheit des Schutzgebiets der Neuguineakompagnie auf das Reich, Kasernenbauten für die neuen vierten Bataillone, neues Telegraphenkabel nach England. Die Debatte betrifft hauptsächlich den Neuguineavertrag, den Barth (Freis. Ver.) und Richter (Freis. Volksp.) entschieden bekämpfen. Graf Arnim (Reichsp.) betont die Notwendigkeit, die Rechte des Reichs bezüglich Neuguineas zu sichern.
Paris, 2. Juni. Ein schwerer Unglücksfall ereignete sich vorgestern auf dem Bahnhof von Chantilly. Nach der Beendigung des Derbyrennens drängte sich die Menge, um in den ersten nach Paris zurückkehrenden Zug zu gelangen. Der Pariser Gemeinderat und Advokat Deville hatte das Unglück, von den hinter ihm Stehenden in dem Augenblick auf das Geleise hinabgestoßen zu werden, als eine Lokomotive verschoben wurde. Dem Bedauernswerten wurde der rechte Fuß vollständig zermalmt. Gestern wurde an Deville im Spital von Chantilly die Amputation des linken Knies vorgenommen. Die Aerzte hoffen, ihn am Leben zu erhalten.
Rom, 3. Juni. Dem „Fanfulla" zufolge sandte König Humbert an den Kaiser Franz Josef ein Danktelegramm für die in der Thronrede enthaltenen Beweise herzlicher Freundschaft und Sympathie.
Moskau. In einem großen alten Brunnen, der zur Zeit der französischen Ausstellung gegraben wurde und, seither unbenutzt, mit Brettern zugedeckt war, hat man nachträglich noch eine große Zahl Leichen gefunden (die somit, wie es scheint, zu den 1282 hinzukämen). Die Bretter waren morsch und brachen unter dem Gewicht der Menge, so daß viele in den Schacht hinabstürzten oder hinuntergestoßen wurden. — An dem Unglück sind die mit der
niemals hatte sie ihn so stark empfunden wie heute. Und nun sah sie Runen auch schon auf sie zuschreiten. Er begrüßte sie mit einem Kompliment und bat um dm erst« Walzer.
„Ich danke, ich tanze nicht."
„Sie scheuen doch nur, meine Gnädige?"
„Nein, «S ist mein Ernst."
„Und warum wollen Sie nicht tanzen?" fragte er etwas ungeduldig.
„Einfach, well ich nicht will."
„Ah so! Verzeihen Sie."
Ein ironisches Lächeln glitt um seine Lippen, gleichwohl überflutete sein Gesicht einen Augenblick glühende Röte.
Di« Umstehenden und die, welche zunächst saßen, hotten mit stillem Ergötzen die kleine Szene beobachtet. Runen hatte sich bereits so mißliebig gemacht, daß jeder ihm eine kleine Niederlage gönnte.
„Du hast Runen den Walzer abgeschlagen?' sagte Wufsow, als er kam, um sie zur Polonaise zu holen. „Warum?"
„Du wirst mich auslachen, aber ich kann den Gedanken nicht ertragen, mich von chm berühren zu lassen."
„Du hast dir förmlich Schrullen angewöhnt.'
„Mag sein, aber ich kann nicht anders."
„So willst du heute gar nicht tanzen?"
„Nein."
„Wie du willst."
Edith hatte sich zu einigen älteren Damen gesetzt und unterhielt sich animiert mit ihnm.
ES konnte nicht mehr lange bis zum Souper sein. Sie Halle noch eine Sorge, sie mochte nicht neben Runen sitzen, und sie fürchtete, daß er sich, trotz der vorher
gehenden Ablehnung des Walzers, dennoch nicht würde abhalten lassen, ihr seine Nachbarschaft auszudrängen.
Sie sah sich nach Oberst Brenken um; er war ein aller jovialer Herr, Witwer, und nannte sich scherzend ihren Verehrer. Wie gewöhnlich, neckte er sich auch heute mit ihr.
„Nun Libellchen, rathen Sie mir, wen soll ich heute zu Tffch führen, die Baronesse Irma, oder Freifrau v. Sölden?"
„Nehmen Sie mich."
„Im Ernst? Aber warum?" Er sah sie einen Augenblick prüfend an, dann nickte er. Er hatte vorhin die kleine Szene mit Runen ebenfalls beobachtet und zog nun seine Schlüffe.
„Und wen wird Ihr Herr Gemahl zu Tisch führen?"
.Ach ja, ich weiß. Nun, wenn Sie mit mir vorlieb nehmen wollen, dann bitte ich."
Er reichte ihr den Arm und marövrierte so geschickt, daß Edith neben ihrem Mann zu sitzen kam.
Runen aber wußte mit gleicher Geschicklichkeit einen Platz neben ihr zu gewinnen.
Er war heute berückend geistreich und beherrschte bald die Unterhaltung seiner nächsten Umgebung. Er wirkte so belebend, daß sich alle von ihm fortreißen ließen. Selbst ihr Tischnachbar konnte sich seinem Einfluß nicht entziehen und nannte ihn im stillen einen verfluchten Kerl.
Nur Edith blieb kalt. Sie fühlte ganz genau, daß dieser Aufwand von Geist und Liebenswürdigkeit einzig und allein um ihretwillen verschwendet wurde; aber sie gönnte ihm nicht den Triumph, daß er dadurch Eindruck auf sie gemacht habe.
Runen sah mit geheimer Wut, wie alle seine Künste an ihrer Kälte scheiterten^- (Fortsetzung folgt.)
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