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Nr. 214

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Mittwoch, den 14. September 1927

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101. Jahrgang

Keine Besprechung der Locarno-Mächte?

Verdächtige Verschleppungsmanöver

TU Genf» 14. Sept. Der Zusammentritt der Locarno­mächte noch vor der für Ende dieser Woche vorgesehenen Abreise ChambcrlainS und Briands scheint nach der gegen­wärtigen Lage zweifelhaft zu werden. Von französi­scher und auch englischer Seite zeigt man wenig Neigung, zu einem Zusammentritt der Locarnomächte, da man hier­bei scheinbar eine Aufrollung der Nheinlandfrage von deutscher Seite befürchtet. Die Verhandlungen hierüber sind gegenwärtig noch im Gange.

Es muß darauf hingcivicsen werden, daß von deutscher Seite das Zustandekommen einer Mesprechnng der Locarno­mächte dringend erwünscht erscheint, da hierbei möglicher­weise zum letzten Mal auf der gegenwärtigen Tagung des Völkerbundes die Gelegenheit gegeben sein werde, bei den alliierten Außenministern noch einmal eindringlich auf die Erfüllung der Deutschland gegebenen Nückwirkensverspre- chnngcn hinzniveisen.

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Das Verhalten der alliierten Locarnomächte ist recht durch­sichtig und entspricht durchaus ihrer bisherigen ablehnenden Haltung. Im März d. I. verbot Briand die innerpoli­tische Lage ,eine Aussprache über die Nheinlandbesatzung, im Juni eine Augenentzündung, im September will man nicht zusammcnkommen, weil die kleinen Mächte protestier­ten. Im Dezember wird Briand Grippe haben, und im März muß er sich für den bevorstehenden Wahlkampf rüsten, im Juni 1928 ist in Frankreich Kabinettskrise und das alles auf Kosten des N Heinlandes und des Friedens. Die Franktireur-Enquete kann nicht statt­finden, weil Vanderveldes innerpolitische Situation es nicht erlaubt, die allgemeine Abrüstung muß verschoben werden, weil für das künstlich gemachte Sicherheitsproblcm noch keine Frankreich befriedigende Lösung gefunden ist. In­zwischen werden in Belgien verschiedene Hetzbcnkmüler eingeweiht und mit Kränzen geschmückt, Herbstmanöver fin­den stat, und neue Flottenbauprogramme werden genehmigt.

Die Verminderung der englischen Bcsatznngstrnppen.

TN. London, 14. Sept. Offiziell wird mitgeteilt, daß die Frage der Zurückziehung eines Teiles der britischen Ve- satzungstruppen auf Grund des englisch-französischen Uebcr- einkommens nunmehr im Einzelnen geregelt wurde. Da­nach wird ein Bataillon Infanterie in Stärke von 700 Mann

zurückgezogen, ferner 300 Mann aus anderen Formationen sowie ein Dutzend Stabsoffiziere. Durch die Zurückziehung des Bataillons Infanterie wird nunmehr auch die zweite Rheinbrigade auf 3 Bataillone reduziert.

Minderheitenschutz und Flüchtlingsfrage

Mahnwortc Dr. von Nhcinbabcns.

TU Genf, 14. Sept. In der gestrigen Sitzung der fünf­ten Kommission, die sich mit Fragen des Minderheiten­schutzes, der Flüchtlings- und der Opiumfrage befaßt, nahm heute der deutsche Delegierte Dr. von Nheinbaben das Wort. Er führte insbesondere aus, daß es nicht genüge, wenn in den Kommissionen nur die Einmütigkeit über das Prinzip festgcstellt wird, ohne sich Rechenschaft abznlcgen, wie es sich in der Praxis auSwirkt. Wenn nen nach dem Anfang der erstatteten Berichte urteilen wii.de, so könnte man annehmen, daß in den verhandelten Fragen eigent­lich nichts mehr zu tun sei. Er forderte alsdann ein be­schleunigteres Tempo für die in Angriff genommenen Auf­gaben und das umsomehr, als gerade jetzt auch bei aufrich­tigen Völkerbunsdfrcnndon Zweifel aufgetaucht seien, ob die Instanzen des Völkerbundes auch den genügenden Frei­mut und die Entschlossenheit besitzen, um den gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Er zollte Dr. Nansen für die von ihm geleistete Flüchtlingsarbeit die Anerkennung der deutschen Regierung und sprach die Erwartung aus, daß die Verhandlungen über die Flüchtlingsfrage endlich zu einer Liquidation des Problems im Interesse einer mehr als eine Million betragenden Anzahl Flüchtlinge, wie auch des so dringend benötigten sozialen Friedens führen möge.

Eine saarländische Delegation in Genf

TN. Genf, 14. Sept. Gestern ist hier eine saarländische Delegation unter Führung von Kommerzienrat Röchling eingetroffen. Auf der Tagesordnung des Volkerbunbsrats stehen diesmal zwar keine saarländischen Fragen,- die De­legation beabsichtigt jedoch, während der Völkerbundstagung mit den maßgebenden Persönlichkeiten Fühlung zu nehmen und sich laufend über den Gang der Verhandlungen zu in­formieren. Insbesondere beabsichtigt die Delegation, die deutsche Delegation auf die ernste wirtschaftliche Lage im Saargebiet aufmerksam zu machen und eine eingehende Darstellung der zunehmenden Verschlechterung der wirt­schaftlichen Verhältnisse im Saargebiet zu geben.

Die französisch-polnische Zusammenarbeit

Die wahren Absichten Frankreichs

Verewigung der durch den Versailler Vertrag geschaffeue« Situation.

TU Genf, 14. Sept. Während der gestrigen Nachmittags, debatte in der Völkerbundskommission für Abrüstungs­fragen bezeichnete der Kommisstonsvorsitzends, der hollän­disch« Delegierte Laudon, ebenso wie der polnische Dele­gierte Sokal zuvor die Sicherheitsgarantie als Voraus­setzung für die Abrüstung. Laudon erklärte zu dem hollän­dischen Antrag, daß dieser nur die Prüfung der drei gro- ßen Grundsätze: Schiedsgerichtsbarkeit, Sicherheit und Ab­rüstung wünsche und nicht die Wiederaufnahme des Genfer Protokolls bezwecke.

Der polnische Delegierte Sokal begründete in einer längeren Erklärung den der Vollversammlung eingereich- ten polnischen Nesolutionsentivurf. Dabei rückte er den Sicherhettsgcdanken ostentativ in den Vordergrund. Sokal erklärte, daß eine Abrüstung ohne vorherige politische Siche­rung gegen Kriegsgefahr undurchführbar sei. Die Ab- rüstungsverhandlungen seien bereits in ein entscheidendes Stadium getreten. Ihre Schwierigkeiten aber lägen vor allem noch in der Unklarheit der politischen Verhältnisse und der Furcht vor dem Kriege, die vielfach noch sehr auf der öffentlichen Meinung laste. Die Regierungen würden allein durch die Furcht vor einem Angriff zur Aufrecht­erhaltung ihrer Militürausgaben gezwungen. Erst müsse die nationale Unabhängigkeit und die territoriale Sicher­heit gewährleistet sein. Das sei der entscheidende Punkt im gesamten Abrüstungsproblem. In diesem Sinne sei der polnische Antrag aufzufassen.

In einer groß angelegten Rede verteidigte gestern Paul-Boncour den Sicherhcitsgcdanken als den Mit­telpunkt des Abrüstungsprobiems. Ein Mißerfolg auf dem

Gebiete der Abrüstung bedeute für den Völkerbund einen Bankrott. Das Genfcr Protokoll sei keineswegs unklar. Locarno stelle ciu Fragment -es Protokolls dar. Die Ge­gensätze in der Abrüstungsfrage beruhten nur darauf, daß der Sichcrheitsgedanke noch immer keine Lösung gefunden habe. Alle Abrüstungsverhandlungen könnten erst von die­ser Lösung ausgehen. Die technische» Abrüstungsfragen seien dagegen bcdentungslos. Sollte heute eine Abrüstungs- konvcntion wirklich Zustandekommen, so müßten in dieser zahlenmäßig die Riistungen der einzelnen Länder ausge­nommen werden. Das würde ohnehin wieder die öffent­liche Meinung aufs schwerste erschüttern. Anstelle einer Ab­rüstung hätte man nur wieder eine Aufrüstung. Die Ver­bindung zwischen Abrüstung und Sicherheit müsse wieder hergestellt werden. Mit der Ablehnung des Genfer Proto- ko. sei auch die Sicherheitsgarantie zunichte gemacht wor­den. Eine Abrüstung sei heute auch schon deshalb nicht vor­handen, weil kein geeigneter Organismus für die inter­nationale Sicherheit vorhanden sei.

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Die gestrigen Erklärungen Paul Voncours Im Ab­rüstungsausschuß des Völkerbundes wurden gestern abend in allen Delegationskreisen lebhaft erörtert. Allgemein ist die weitgehende Unterstützung ausgefallen, die Paul Boncour dem polnischen Delegierten in der Forderung auf weitere Sicherheitsgarantie» gewährt hat. Von deutscher Sette muß die von Paul Boncour geltend gemachte Forderung auf Or­ganisierung der internationalen Sicherheit als ein neuer Vorstoß znr Verewigung der bnrch de« Versailler Vertrag geschaffene» Zerstückelung Deutschlands aufgefaßt werden. Der vou französisch-polnischer Seite während der gegen­wärtigen Genfer Tagung immer wieder geltend gemachte Hinweis ans die Gefährdung des Friedens «ud im Zusam­menhang damit ans den Abschluß von allgemeinen kontlnen-

Tages-Spiegel

Die geplante Zusammenkunft der Locarnomächte in Gen soll anscheinend vermittels der bekannten Verschleppungs­taktik der Alliierten wieder vertagt werde».

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I« der gestrige» Abrüstungsdebatte zeigte sich dcntlich da! enge Zusammenwirken zwischen Frankreich und Polen ir der Sicherheitsfrage.

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Pan! Boncour legte in Genf die ablehnende Haltung Frank­reichs in der Abrüstungsfrage dar.

In englische» Kreisen ist mau sehr verstimmt über die Wie- Leraufrollung der Frage -es Genfer Protokolls durch Boneour.

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In Kreisen Äer kleineren Völkerbnndsmächte erwartet man daß Dr. Streseman in der Vollversammlung znr- stnngssrage sprechen werde.

tale» Sicherhcitsverträgen kann nur dahin verstanden werden, daß der im Versailler Vertrag geschaffene Zustand und insbesondere die deutschen Grenzfestsctznngen im Osten für die Zukunft verewigt und durch eine Beteiligung Deutschlands an derartigen Sicherheitsverträgen endgültig garantiert werden sollen. Die fortgesetzte Betonung der Be­drohung des Friedens und die Schaffung der internationalen Sicherheitsgarantie kann nur als ein Mittel aufgefaßt wer­den, um in Genf bereits eine Atmosphäre zu schaffen, di« in der Zukunft den Abschluß von weitgehenden Sicherheits- Verträgen mit Deutschland ermöglichen soll.

Moskau wünscht Garantieverträge

TU Riga, 14. Sept. Wie aus Moskau gemeldet wird, hat das politische Büro unterbeut Vorsitz Stalins eine Kon­ferenz über die Außenpolitik der Sowjetrcgierung abge­halten. Tschitschcrin berichtete über die außenpolitische Lage. Das politische Büro billigte die Politik des Außcn- kommissariats, insbesondere die Absicht mit Frankreich, Ita­lien und der Türkei Garantieverträge abzuschließen.

Moskau rechnet mit Lettlands Opposition gegen eine baltische Union.

TU Warschau, 14. Sept. Wie aus Moskau gemeldet wirb, widmet die amtlicheJsvestija" den Genfer Bemü­hungen um das Zustandekommen einer baltischen Union einen längeren Artikel. In diesem wird betont, daß Lett­land die englischen Bestrebungen nach einem gegen Sowjet­rußland gerichteten Zusammenschluß der baltischen Staaten nicht unterstützen werde. Nach derJsvestija" könnte eine baltische Union nur dann z ustandekommen, wenn zuvor jeder baltische Staat seine wirtschaftlichen Grundlagen durch einen Wirtschaftsvertrag mit Sowjetrußlanb festigen würde.

Erdbebenkatastrophe auf der Krim

Ivo Opfer des Erdbebens.

TU. Riga, 14. Sept. Aus Moskau wird amtlich gemeldet,, daß durch ein Erdbeben in Südrußland, besonders die Städte Simfcropol, Aluschta, Livadia, Feobosia und Balaklawa ge­litten haben. Insgesamt sind dem Erdbeben über hundert Menschen zum Opefr gefallen. Die Telephonverblnbung zwischen Sebastopol und Simfcropol ist unterbrochen. Bei Balaklawa kenterte ein griechischer Dampfer. Die Manö­ver in Südrußland sollen abgesagt werden, da die Truppen zu Aufräumungsarbeiten herangezogen worden sind.

Das Leningrader Observatorium verzeichnet ein Erd­beben in einer Entfernung von 7000 Kilometern, dessen Herd man in Japan vermutet.

Taifunkalastrophe in Japan.

TU London, 14. Sept. Wie ans Tokio berichtet wird, sind durch riesige Fluten in Kyushn schwere Uebersch.vem- mungcn verursacht worden. Tausende von Personen sind ertrunken. Die Verbindungen sind vollständig unterbro­chen und man befürchtet, daß die niedriger gelegenen Teile der Insel vollkommen weggerissen werden könnten. Die Boote an der Küste wurden durch die Fluten in die Stadt getrieben. Hunderte von Fischerbooten sind verloren. Die Katastrophe wird auf ein Meercsbeücn einige Meilen von der Küste entfernt znrttckgesnhrt. Nagasaki und einige an­dere Städte wurden von einem schweren Taifun heimgc- sucht. Zahlreiche Häuser sind zusanimenaed'.vchen und die t.'lefonischen Verbindungen sind unterbrochen