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besondere Wahrnehmungen gemacht werden, so wäre behufs Berichterstattung an K. Ministerium des Innern Anzeige hieher zu erstatten.
Calw, 28. Okt. 1895.
K. Oberamt Voelter.
Die OrlsitehörLe«,
welche mit der Erledigung des oberamtl. Auftrags vom 37. Sept. d. I. (Calwer Wochenbl. Nr. 116) betr. die Jahresschätzung der Gebäude noch im Rückstand sind, werden an ungesäumte Vorlage des verlangten Berichts erinnert. Eventuell ist Fehlanzeige zu erstatten.
Calw, den 28. Oktober 1895.
K. Oberamt Voelter.
Tagesneuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Am 25. Oktober ist von der Evangelischen Oberschulbehörde die Schulstellr in Ettlenschieß, Bez. Ulm, dem Schullehrer Roth in Hühnerberg-Meistern, Bez. Calw, übertragen worden.
— Die unterm 17. Februar 1893 erfolgte Bestellung des Wundarztes 3. Abteilung, Martin Lörcher von Althengstett zum Stadtwundarzt in Calw, ist von der Kgl. Regierung des Schwarzwaldkreises am 35. Oktober 1895 nachträglich bestätigt worden.
8. Liebenzell, 28. Okt. Gestern Vormittag hielt der seit 11 Jahren in China thätige und nächster Tage wieder dahin abgehehende Missionar Di lg er in der hiesigen Stadtkirche vor einer zahlreichen Zuhörerschaft eine Missionspredigt über 1. Kor. 15, 58. Der gewandte Redner sprach über den Missionsbefehl als Antrieb zum Missionswerk, die Missionsarbeit als Missionskreuz und den Missionserfolg. Bei ersterem Punkt bemerkte derselbe, daß uns durch den japanischchinesischen Krieg die Chinesen näher gerückt worden seien, unser Interesse erweckt haben, und daß dadurch der Herr der Christenheit ihre Missionsaufgabe aufs neue vor Augen gestellt habe. Er bedauerte, daß die christlichen Geschäftsleute den Heiden statt des Christentums meistenteils nur Bierflaschen u. dergl. bringen. Als Missionskreuz bezeichnet« er die Einsetzung des eigenen Lebens, die vielen Entbehrungen, das Erlernen der Sprachen, die Schwierigkeiten bei Errichtung von Missionsstationen und Bekämpfung des Aberglaubens. Dieses Kreuz werde gelindert durch den schönen Erfolg der Mission. Er selbst habe in 11 Jahren 230 Chinesen getauft, welche einen Vergleich mit unfern Christen wohl aushalten. Die Basler Mission zähle in China bereits 100000 bekehrte evangelische Christen.
Horb, 23. Okt. Bier Bewohner von Eutingen kamen mit angekauftem neuem Wein auf der Heimfahrt nach dem Dorfe W., um zu übernachten. Die
mit Weinfässern beladenen Wagen blieben auf der Straße stehen. Als am andern Morgen nach 3 Uhr die Eutinger aufstanden, um die Pferde wieder einzuspannen, fanden sie einen Mann auf einem ihrer Fässer sitzen und mit einem Schlauch Wein entnehmen. Die Eutinger sprangen herbei, faßten den Mann und bald zeigte es sich, daß der Mann der bestellte nächtliche Hüter von Ordnung und Gesetz in W., der Nachtwächter war.
Solitude, 24. Okt. Nachdem seit gestern abend unsere kleine Hochebene von dichten Nebelschwaden eingehüllt war, stellten sich heute nachmittag zwischen 3 und 4 Uhr, bei einer Temperatur von -i- 1° Reaumur, die ersten Schneeflocken ein.
Stuttgart, 36. Oktober. Heute nacht nach 11 Uhr ist in einer Fleischrauchkammer der Appen- zeller'schen Metzgerei in der Calwerstraße Feuer entstanden ; der Ruß hatte sich entzündet. Die Berufsfeuerwache löschte das Feuer. Ein Schaden ist nicht entstanden.
Stuttgart, 27.Okt. Dem Bildhauer B a u sch in Stuttgart wurde bei der Concurrenz für die künstlerische Ausschmückung des Friedrichsplatzes daselbst der erste Preis zuerkannt. Bausch ist auch im vorigen Jahre bei den Wettbewerben in Wiesbaden (Panthergruppe für das königliche Hoftheater) und in Darmstadt (Giebelfeld für den Neubau der technischen Hochschule) mit ersten Preisen ausgezeichnet worden. Für letztere hat er die Ausführung erhalten.
Eßlingen, 26. Okt. (Polizeibericht). In einem hiesigen größeren Confektions-Geschäft fehlten in letzter Zeit allmählich verschiedene Waren im Wert von über 300 Es hat sich nun ergeben, daß ein Frauenzimmer aus dem Bezirk, das öfters Einkäufe im Laden gemacht, bei dieser Gelegenheit die Waren entwendete. Die meisten gestohlenen Gegenstände konnten wieder beigebracht werden. Die Diebin wurde von Fahnder Bühler festgenommen und ans k. Amtsgericht eingeliefert.
Plochingen, 34. Okt. Vor einigen Tagen wurde eine hiesige Köchin, welche in dem benachbarten Baltmannsweiler der einer Hochzeit thätig war, auf dem Heimweg von einem Strolch angehalten, der ihr mit Erstechen drohte, wenn sie ihm nicht ihr Geld gebe. Die Frau gab ihm in der Angst ihre Barschaft mit 3 Von dem Thäter, der in dem Walde sofort eine andere Richtung einschlug, hat man bis jetzt keine Spur.
Göppingen, 27. Okt. Gestern Abend wurde der in den 30er Jahren stehende Ankuppler Lipp, Vater von 3 Kindern, auf dem hiesigen Bahnhof von einem Güterzug überfahren und schrecklich verstümmelt.
Vom Unterland. Der Herbst ist nun in der Hauptsache vorüber. Die Weingärtner haben allen Grund, mit dem Ertrag ihrer Weinberge zufrieden zu sein, denn nicht nur war der Preis ein recht hoher, sondern das geschätzte Quantum wurde
auch fast überall übertroffen. Weniger zufrieden', wollen manchmal die Weintrinker sein. 50 Pfg. für '/- Liter will manchem zu viel sein. Man habe da und dort 14 Tage bis 3 Wochen zu früh gelesen, hört man oft sagen. — Der endlich eingetretene ausgiebige Regen befreit unfern Bauernstand von einer großen Sorge. Die Feldmäuse hatten in besorgniserregender Weise überhand genommen. Nun wird hoffentlich die Plage ein schnelles Ende finden. Solchen Kalamitäten gegenüber ist der Mensch machtlos; Gift legen schadet wohl mehr, als es nützt, weil zwar einige Mäuse getütet, aber auch nützliche Tiere mit vergiftet werden. Die Natur findet da immer wieder die rechten Mittel und Wege.
Adelmannsfelde n. Eine seltene Feier wurde letzten Sonntag hier begangen. Die Wundarzt Halle r'schen Eheleute, welche sich trotz zurückgelegter 86 Lebensjahre noch bis in die letzte Zeit vollkommener geistiger und körperlicher Rüstigkeit erfreuten, konnten auf eine 60jährige glückliche Ehe zurückblicken und ihre diamantene Hochzeit feiern, umgeben von fünf noch lebenden Kindern. Dem Jubelpaare wurden von nah und fern Glückwünsche zu teil. Aufs höchste erfreut aber und tief gerührt wurde dasselbe durch die huldvolle Teilnahme Ihrer Königlichen Majestäten, welche Ihre Glückwünsche in einem huldvollen Kabinettschreiben aussprechen und zugleich Ihre Bildnisse in prächtigem Rahmen als Hochzeitsgeschenk dem greisen Paar zugehen ließen.
Ulm, 26. Okt. Heute Vorm, fielen hier die ersten Schneeflocken dieses Winters. — Gipser» meister Bosch war gestern im Gosbacher Wald auf der Jagd. An einem Dachsbau ging ihm unversehens das Gewehr los und der Schuß zerschmetterte ihm den linken Arm vollständig. Der 76jähr. Mann ist noch gestern seinen Verletzungen erlegen.
Herbertingen, 27. Okt. Die Fahrten der sog. Daimler-Motoren scheinen dem Verkehr nur mangelhaft dienen zu können, denn sie sind häufigen Störungen ausgesetzt. So blieb vorgestern vormittag dieser Motorwagen auf der Fahrt von Saulgau hierher stecken und vorgestern nachmittag passierte auf der Fahrt von Riedlingen hierher kurz vor der Station dasselbe, so daß die Passagiere zu Fuß bis zur Station gehen mußten.
Waldsee, 24. Okt. Der wegen Brandstiftungsverdacht in Haft genommene Pächter Hildebrand von Brand bei Haidgau gesteht nun nach vielen Ausflüchten ein, das Haus, mit welchem auch Vieh verbrannte, selbst angezündet zu haben. Vor ungefähr 6 Wochen ging Hildsbrand mit seinem Inventar um ca. 1100 ^ höher in die Brand» Versicherung. Es wird vermutet, H. habe einige Stück Vieh schon vor der Katastrophe weggegeben und solche ebenfalls im Feuer umgekommen angemeldet.
Friedrichshafen, 26. Okt. Bei der dreitägigen Hofjagd im Seewald ergab die Gesamt-
dd- ^Nachdruck verb-Irn-I
Kriegs-Grinnerungen
von Th. Schmidt.
H. An der Loire.
(Fortsetzung.)
Natürlich mußten weit ausgedehnte Requisitionen gemacht werden, die durchaus nicht ungefährlich waren, denn die durch jene erbitterte Landbevölkerung hatte sich im Geheimen in allen Orten bewaffnet und lauerte in dm Weinbergen, Gehölzen oder sonstigen Verstecken kleineren Trupp- auf, um sie zu überfallen oder aus der Entfernung zu beschießen. Der Krieg artete gegm Ende Dezember in einen wahren Guerillakrieg auS. Tagtäglich wurden FranctireurS eingebracht, welche einen Transport oder einen einzelnen unterwegs erschöpft oder krank zurückgebliebenen Soldaten hinterrücks überfallen und auSgeraubt bezw. getötet hatten. Die Wahnwitzigen, die in ihrer blinden Wut gegen den siegreichen Feind sich zu solchen Tollheiten hatten hinreiben lassen, büßten ihre Thaten fast immer mit dem Leben.
Selbstverständlich waren bei den geschilderten Mühsalen und Beschwerden und täglichen Gefechten die Abgänge an Tobten, Verwunveten und Kranken, namentlich letzteren, groß; manche Compagnie zählte nur noch 70, 60 und 90 Mann und wurde nicht selten aus dem Feuer von einem Feldwebel oder alleren Chargirten herausgeführt.
BiS zum letzten Drittel deS Dezembers war ich zu* meiner großen Freude keine Stunde krank gewesen, und hoffte ich bestimmt, da der Feldzug sich seinem Ende zuneigte, bis zum letzten Gefechtstage bezw. Friedensschluß bei der Batterie zu verbleiben. Allein mein Wunsch sollte sich nicht erfüllen. Eine einfache Erkäl
tung, die ich kaum beachtete, war der Vorläufer einer gefährlichen Krankheit, der roten Ruhr. Trotzdem diese ziemlich heftig auftrat, meldete ich mich doch nicht gleich krank, sondern marschirte mit der Batterie noch bis Vendome mit. Hier, wo ich einen Tag der Ruhe pflegen konnte, gesellte sich plötzlich zu jener Krankheit eine zweite, Gelenkrheumatismus, welcher mich derart peinigte, daß ich mich bei unserm gefürchteten Dr. Eisenbart krank melden mußte. Was dieser mit mir begann, habe ich bereits in einem früheren Kapitel erzählt. Erst nach drei Tagen, während welcher ich heftig fiebernd bei strenger Kälte auf der Protze von Ort zu Ort gefahren wurde, kam ich, als die Batterie Vendome wieder berührte, auf Befehl des Batterie-ChefS ins Lazarrty. Ich war so schwach daß mich drei Kameraden vom Appellplatze fort- ' tragen mußten.
Schwer wurde mir der Abschied von den lieben Kameraden, besonders von dem stets zum Helfen bereiten Knülle, den ich leider nie wieder gesehen habe, da er bald nach der Heimkehr in die Garnison entlassen wurde. Fünf Monate hatte ich Freud und Leid mit meinen Geschütz-Kameraden geteilt und in so schwerer Zeit hängt man doppell fest an einander. — Ultiw» ratio rsgis, so lautet der Spruch aus den Gelchützröhren, „Die letzte Hilfe des Königs!' Wie oft hatte mein Geschütz, der Pauke gleich, zu dem wilden Kricgtztanze dumpf den Takt geschlagen! Wie oft hatten uns die braven Kameraden von der Infanterie zugejubelt, wenn wir .Schwarzen" heranraflelten! .Da komuit unsere Artillerie!" Was diese Worte bedeuteten, das weiß jeder Infanterist, der in Frankreich vor dem Feinde stand. Ich war gern Soldat und stolz darauf, mein geliebtes Vaterland mit verteidigen zu können.
Das war für mich nun alles vorbei, ich war herausgedrängt aus dem Ruhmespfade des siegreichen Heeres, und der Wunsch, als Sieger wieder mit einziehrn zu können in die Garnison, ein Wunsch, dessen Erfüllung jedes Jünglingsherz höher schlagen läßt, er sollte sich leider nicht erfüllen. Dagegen rollte sich noch einmal ein Bild von furchtbarer Tragik und ergreifendem Ernst vor meinen Augen ab k- Täglich, stündlich war ich im Lazareth Zuschauer all des Unheils und Schreckens,