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König Wilhelm von Preußen, der die Operationen leitete, saß während dem in banger Erwartung unweit Rezonville neben einer Gartenmauer auf einer Leiter; die Dunkelheit war schon hereingebrochen und das einzige Licht, welches die Umgebung erhellte, kam von einer Wollspinnerei her, deren Gebäude in Hellen lammen standen. Verschiedene höhere Offiziere, der riegsminister und Bismarck standen um den hohen Herrn, es herrschte tiefes Schweigen, man erwartete nicht ohne Besorgnis die Entscheidung der Schlacht. Da ward Moltke sichtbar und brachte freudig erregt die Meldung: „Majestät, der Sieg ist unser, der Feind ist nach Metz zurückgeworfen."
Begeistertes Hurrah der Umstehenden bildete die Antwort und pflanzte sich fort durch die Reihen der siegreichen Krieger nach Ost und West, nach Süd und Nord.
(Fortsetzung folgt.)
Tagesneuigkeiten.
Calw, 14. Aug. Der heutige Viehmarkt war mit 439 Stück befahren. Milchvieh wurde bei steigenden Preisen lebhaft gehandelt und fette Ochsen fanden Absatz zum Teil zu hohen Preisen. Auch auf dem Schweinemarkt zeigte sich lebhafterer Handel wie seither. Milchschweine lösten 16—26 Mk. und Läufer 40—60 Mk. pro Paar.
* Würzbach. Gemeindepfleger Burkhardt dahier schoß am 3. ds. wiederholt einen Sechser-Hirsch; es ist dies der dritte innerhalb 14 Tagen.
Stuttgart, 12. Aug. (Das Schicksal des Raubmörders Vöster) ist immernoch nicht entschieden. Derselbe ist jedoch keineswegs, wie jüngst durch die Blätter ging, über sein Schicksal beunruhigt, sondern zeigt sich immer noch als derselbe rohe Patron wie seither.
Eßlingen, 13. Aug. Die Gemüter sind gegenwärtig wieder an der Tagesordnung, demjenigen am Sonntag abend sind gestern mehrere gefolgt, von denen dasjenige am Spätnachmittage wiederum von bedeutenden Waffermaffen begleitet war. Ein vor 2 Uhr herrschendes Gewitter, das hier jedoch kaum bemerkt worden ist, hat einem hies. Bürger, Vater von 9 Kindern, den Tod gebracht. Der 40jähr. Weißgerber Theodor Bruder, gegenwärtig ohne Beschäftigung, hatte Verwandten in Feuerbach einen Besuch abgestattet, und befand sich auf dem Rückwege von dort, als ihn um '/,2 Uhr in der Nähe der Pragwirtschast zwischen Cannstatt und Feuerbach ein Blitzstrahl traf und ihn sofort tötete. Die Uhr, die der Getötete in der Tasche trug, ward auseinander- geriffen.
Tübingen, 11. Aug. Im Mai d. I. fand abends nach dem Kinderfeste eine Schlägerei statt, bei welcher dem hiesigen Wachtmeister Barthaare ausgerissen, auch ein Schutzmann beleidigt wurde. Einer der Thäter erhielt, da die Schutzmannschaft bedeutend in der Minderheü war und von der Waffe Gebrauch
machte, einen bedeutenden Hieb über den Kopf. Heute nun standen in dieser Sache die Gebrüder Zänker vor der Strafkammer des Landgerichts und wurden zu 7 und 8 Wochen Gefängnis verurteilt.
Vom Jagstthal, 3. Aug. Eine komische Ueberraschung wurde einem Reservisten bereitet, der zu einer zwölftägigcn Hebung einberufen war. Der Arzt hatte der Frau desselben Lohbäder verordnet und dieselbe das gar zu buchstäblich in dieser Zeit befolgt, indem sie nicht nur den Körper, sondern auch das Gesicht fast täglich mit Lohwaffer wusch. Loh- wafser färbt nun sehr dunkel und der Reservist wollte in der zur Kreslin umgewandelten Frau bei seiner Rückkehr durchaus nicht seine Gattin erkennen. Es bedurfte vielen Zuredens seiner Nachbarn, bis er zufrieden war. (!)
Winterlingen, 12. Aug. Gestern ging auf hiesiger Markung ein schweres Gewitter nieder, wobei ein großer Teil der Feldfrüchte total verhagelt wurde. Der Schaden beläuft sich nach oberflächlicher Schätzung auf 70- 80,000
Albershausen, 12. Aug. (Ein Gauner.) Gestern Nachmittag versuchte ein in den 20er Jahren stehender Handwerksbursche auf dem Wege nach Bünzwangen ein 12jähriges Mädchen zu vergewaltigen, wurde jedoch von des Wegs daherkommenden Leuten verscheucht. Einige Zeit darauf sah man denselben im Orte herumbetteln. Der Polizei gelang es, den Thäter zu verhaften.
Vom Ries, 13. Aug. Gestern von abends 7 Uhr bis nachts 1 Uhr zogen über unsere Gegend nicht weniger als sechs Gewitter unter heftigen elektrischen Entladungen. Der Blitz zündete in den an der Grenze liegenden bayrischen Ortschaften Reim- lingen, Wemding, Laub; auch soll er in Trochtel- fingen OA. Neresheim, gezündet haben. In der Stadt Nördlingen brannte der Dachstuhl einer Färberei ab. Mit den Gewittern war ein sehr ausgiebiger Regen verbunden, den man schon lange herbeigesehnt hat.
Karlsruhe, 13. Aug. InLahr ist gestern Nachm, nach der „Bad. Landesztg." ein furchtbares Hagelwetter niedergegangcn, das den Tabak und die Reben völlig zerschlagen und auch die Obstbäume beschädigt hat. — JnSchonach geriet dis 32 Jahre alte Ehefrau des Schreinermeisters Hoer, die in das brennende Nachtlicht Oel nachgießen wollte, wodurch die Flasche explodierte, in Brand und hat sich derartig verletzt, daß sie gestern gestorben ist.
Mainz, 13. Aug. Der Kassirer Steinmetz der Krankenkaffe der „Lederarbeiter und Schuhmacher" ist wegen einer Reihe fortgesetzter Betrügereien zum Nachteile der Krankenkaffe verhaftet worden. Die unterschlagenen Beträge sind in ihrer Gesammt- heit recht wesentlich. Die Betrügereien wurden dadurch verübt, daß der Kassirer eine ganze Reihe von Mitgliedern der Kaffe m seinen Büchern als krank führte, deren Krankenrenten der Kassirer allwöchentlich
in seine eigene Tasche steckte. Ein anderer Arbeiter,, der sich mit den Fälschungen der Quittungen beschäftigte, wurde ebenfalls in Haft genommen. Steinmetz hat ein unumwundenes Geständnis abgelegt.
Kronberg, 13. August. Die Kaiserin Friedrich wird am Freitag den 16. d. Mts. der Kaiserin Augusta Viktoria in Wilhelmshöhe einen Besuch abstatten und Abends wieder hierher zurückkehren.
Erfurt, 9. Aug. Zwei hies. Bürger, Mitkämpfer der Schlacht bei Wörth, hatten die Kampfgefilde in Elsaß-Lothringen aufgesucht und waren schließlich auch nach Nancy gefahren. Schon auf dem Bahnhofe waren die Reisenden, denen sich noch ein gemütlicher Leipziger beigesellt hatte, mit argwöhnischen Augen beobachtet worden. In der Stadt selbst trat ein Gendarm an sie heran und fragte nach ihren Legitimationen. Da keiner der Ausflügler einen paßähnlichen Ausweis bei sich trug, so mußten sie dem Gendarm zum Bürgermeister folgen, der den Deutschen den „freundschaftlichen" Rat erteilte, schleunigst aus Nancy wieder zu verschwinden. Hauptsächlich richtete der Beamte seine Mahnung an die beiden „krussisns" der „Laxon" aus Leipzig schien ihm ungefährlicher zu sein. Auf der Straße hatten sich bereits Leute angesammelt, welche die Deutschen mit keineswegs freundlichen Blicken musterten. Die Ausflügler waren zuletzt glücklich, als sie ungeschoren abfahren konnten.
Aus Elsaß-Lothringen, 12. Aug. In den Kreisen der unterelsäßischen Bevölkerung erregt es große Erbitterung, daß einzelne altdeutsche Zeitungen die alten Schauergeschichten von Verstümmelung von Verwundeten nach der Schlacht von Wörth wieder aufwärmen. Diese Geschichten gingen in der damaligen aufgeregten Zeit ungeprüft von Mund zu Mund; es fanden in Folge dessen auch in Wörth, Langensulzbach und Gunstet zahlreiche Verhaftungen statt. Die eingeleitete Untersuchung ergab aber die vollständige Unschuld der Betreffenden, die dann auch auf Anordnung des damaligen Kronprinzen wieder freigelaffen wurden. Ein großer Teil dieser Leute lebt heute noch und hat die ihnen zugefügten Unbilden vergessen. Vollständig der Stimmung der betr. Gemeinden entspricht der Protest, den ein deutschgesinnter Bewohner von Wörth veröffentlicht: „Solche Verleumdungen können hüben und drüben nur Verbitterung erregen. Die 25jährige Erinnerungsfeier soll aber nicht der Verbitterung, sondern der Versöhnung dienen. Wir protestieren daher lebhaft gegeir solche Verläumdungen und rufen es laut allen Deutschen zu: Unsere Bevölkerung hat sich 1870 als eine ruhige, Gesetz und Ordnung liebende Bevölkerung betragen und keinen der angegebenen Greuel verübt. Von der deutschen Presse erwarten wir, daß sie uns gegen die Verleumdung schützt. Je kräftiger sie es thut, um so mehr wird die Erinnerungsfeier zur Vereinigung mit Deutschland dienen können. Die Siege der deutschen Heere von 1870 sind ja so großartig, zum Teil so einzig in der Geschichte dastehend, daß
„Danke!" sagte der Beamte, dann schritt er wieder rüstig fürbaß. Noch hatte er jedoch nicht die Einfahrt des Gehöftes erreicht, als ihm Herr Lutter selbst entgegentrat. Dem alten Mann wurde die Zeit zu lang, bis die erwarteten Gäste kamen. So war er vor das Thor getreten, um Ausschau zu halten. Als er nun statt der Geladenen den Telegraphenboten bemerkt hatte, fühlte er sein Herz von eigentümlicher Angst bewegt. Er wechselte die Farbe, war aber nichtsdestoweniger festen Schrittes dem Manne entgegengetreten.
„Kommen Sie zu mir?" fragte er rasch. „Oder richtiger, haben Sie eine Depesche für den Gutsbesitzer Heinrich Lutter?"
„Zu dienen, Herr!"
Hiermit reichte der Beamte dem Alten das blaue Couvert. Nachdem er darauf seinm OboluS empfangen, wandte der Mann sich grüßend wieder nach der Stadt zurück. Lutter betrachtete indessen das ominöse Couvert von allen Setten. ,'was Gutes bedeutet das nicht," brummte er vor sich hin, ,'waS Gutes ganz gewiß nicht! Und doch, was könnte mich treffen: meine Familie Hab« ich um m'ch, und mein Vermögen ist sicher untergebracht!"
Damit riß er die Hülle von der Depesche.
,C . . . am Rhein —" las er dann mit halblauter, stockender Stimme, und dann weiter:
„Herr Doktor Fritz Schmieden, plötzlich vom Schlage getroffen, liegt
schwer krank danieder. Veranlassen Sie feinen Sohn, unverzüglich nach
Hause zurückzukehren.
Luise Bernhard, Repräsentantin."
Herr Lutter hatte längst das letzte Wort gelesen, und noch immer starrte sein Blick wie entsetzt auf die nicht mißzuverstehenden Zeilen. Dann hob ein tiefer Seufzer die Brust des alten Mannes. Ohne seinem Empfinden noch durch einen Ausruf, ein weiteres Wort Luft zu machen, wandte er sich nach dem Hause zurück. Hier suchte er Tante Betty in der Küche auf. Als er sie mit glühenden Wangen
am Herde fand, mit drr Bereitung einer Speise für die Abendtafel beschäftigt, sagte er mit bebender Stimme: „Laß alles liegen und stehen, Betly! Aus unserem Feste wird nichts."
Der Holzlöffel, mit dem das Fräulein eifrig in der kupfernen Kasserolle gerührt, emsi:l der flinken Hand.
„Bruder — um Gottes willen — so hat sich Guido doch noch in der elften Stunde zurückgezogen und — ?"
.Unsinn!' unterbrach Lutter den Jammer der Alten, dann reichte er ihr die Depesche. „Da. lies selbst." sagte er, „da hast Du die traurige Geschichte! Ich will inzwischen anspannen lassen und. so schnell die Pferde laufen können, nach der Stadt fahren. Guido muß noch mit dem Abendzuge reisen, der aber geht in ein und einer halben Stunde von Kronberg ab. Der arme Junge darf also nicht erst' die Z»it damit verlieren, daß er noch nach dem Rosenhofe zurückkehrt."
„Jesus — und Hei mme?"
»Hermine ist ein vernünftiges Frauenzimmer und wird sich in die Thatsachen fügen. Überdies," Lutter zuckte die Achseln, „sie hat den allen Schmieden gar nicht gekannt und — na, den Ring trägt sie ja am Finger, und verlobt sind die beiden auch ohne den Schmaus von heute Abend."
Dam t verließ der Alte mit großen Schotten den von Sauberkett blinkenden Raum, um in den Ställen den Befehl zum Einspannen zu geben. Als er gleich darauf wieder in das HauS zurückkehrte, berührte er auf dem Wege zu dem Gemach auch das Speisezimmer. Hier hatte Betty bereits die Tafel gedeckt, mit einem Aufwand von Blumen, über den der Bruder zu anderer Stunde wohl kein kleines Gezeter erhoben hätte. Jetzt schüttelte er nur den Kopf. Die schwere Erkrankung des Freundes erfüllte ihn mit vollster Teilnahme. Vielleicht erinnerte sie ihn auch schmerzlich daran, daß auch er ein alter Mann sei, dessen Tage nach dem urewigen Gesetz der Natur gezählt sind. — — — — — — —— — — — —
(Fortsetzung folgt.)