Umschau

Die außenpolitische» Sorgen öes deutschen Volkes und seiner Regierung sind durch die Geschehnisse der letzten Mo­nate, d. h. durch die Verschlechterung der gesam­ten außenpolitischen Vage deutlich demonstriert worden. Mehr als einmal ist gerade iu diesen Tagen wie­der die Mahnung an unsere Gegenspieler in Frankreich und England gerichtet worden, die unhaltbare gegenwärtige Situation dadurch aus dem Wege zu schaffen, baß man auf der Septembertagung des Bölkerbuudsrates wieder auf dem Bode» der Locarno-Verträge verhandelt. Nur auf der Basis von Locarno kann die Frage der Besatzungsver- inlnderung und das Problem der Rheinlandräumung eine Lösung finden, die allein auf Dauerhaftigkeit Anspruch erheben darf. Das Echo dieser deutschen Mahnungen ist bisher aber alles andere als gut gewesen, im Gegenteil, man muß langsam zu der Erkenntnis kommen, daß weder Frankreich noch England ernstlich gewillt sind, Vernunft anznnehmen. Unter diesen Umstünden ist es außerordentlich zu begrüßen, daß einer aus de» Reihen der alliierten Staatsmänner, der frühere polnische Ministerpräsident und Außenminister Skzrynski, den Mut gefunden hat, die Parole .Zurück nach Locarno!" zu iiberneli'.nen und sie als ein Ge- lot der Stunde zu proklamieren, mit dem ausdrücklichen Gnwets darauf, daß eS gefährlich sei» könnte, wenn man etwa den Ruf überhören wurde. Graf Skzrnnski hat manches gesagt, was seinen Ministcrkollegen in Frankreich und anderen alliierten Länder» nicht gerade angenchm sein wirb. Zu bedauern ist nur, daß der polnische Graf sich erst jetzt dazu aufschwingt, vor aller Öffentlichkeit zu er­klären, baß Clemenceau und Lloyd George schlechte Frie- bensverträge gemacht haben. Es gab einmal eine Zeit, wo Skzrynski als höchster polnischer Staatsbeamter diese Frie­densverträge sogar verteidigt hat. Daß er sich inzwischen einer besseren Erkenntnis zugewandt hat, ist außerordent­lich erfreulich. Für uns in Deutschland sind die Aeuße- rn igen des ehemaligen polnischen Ministerpräsidenten in liesem Augenblick, wo eS letzten Endes um Sein »der Nichtsein des Locarno-Paktes geht, von großem Wert. Man sollte meinen, daß ein Mann wie Briand, der in seinem Innern zweifelsohne für die Verständigungspolitik >st. sich der Argnmentation seines früheren polnischen Kollegen nicht verschließen wird. Wer wollte cs leugnen, daß wir heute wett ab von 5dr Marschroute sind, die '» Locarno vor Jahresfrist den Nationen und Negierungen Europa) vorgezeichnet worden ist.Zurück nach Locarno!", das ist ln der Tat bas Erfordernis der Stunde.

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Beim Anseinandcrgehen des Reichstages im Juli wurde nicht nur aus den Kreisen der Gegner der Schulge- setzvorlage des Reichskabinetts, darauf hingewiesen, daß eS voraussichtlich sehr schwer sein würde, die für die letzten Septembertage angesetzte kurze Sitzungsperiode des Nekchsparlaments mit dem vorgesehenen Beratungsstoff auszufüllen. Die Befürchtungen, die damals geäußert wor­den sind, haben sich inzwischen so verdichtet, daß mau fast bestimmt damit rechnen kann, daß der Reichstag Ende Sep­tember sich nicht mit dem Schulgesetz befassen wird. Erst vor wenigen Tagen ist im Neichsministerium des Innern die ausführliche Begründung zum Reichsschulgesetzentwurf fertiggestellt und dem Reichsrat zngeleitet worden. Die

preuffksche Staatsregierung hatte diese Tatsache sofort zum Anlaß genommen, um sich eine Bedenkzeit bis zum 13. September für ihre Stellungnahme zu erbitten. Die preu­ßische Staatsregierung wird sich vor dem 15. September über ihre Haltung im Neichsrat nicht schlüssig werden, und darüber hinaus hat der Berichterstatter im Reichstag, der preußische Ministerialdirektor Koester, bereits mitgeteilt, baß er erst nach dem 15. September ein Datum nennen könne, zu dem er seinen Bericht dem Reichsrat erstatten wird. Man wird also in jedem Falle gut tun, sich darauf einzurichten, baß die erste Lesung des NcichSschulgesetzes im Reichstag eine Verzögerung, vielleicht sogar bis zum No­vember erleidet. Das ist jedenfalls nicht ganz ausgeschlos­sen, wenn man einmal die Stärke der Opposition gegen den Schulgesetzentwurf des Reichskabinetts richtig ein­schützt und zum anderen die Tragweite der Tatsache er­kennt, daß die Regierungsparteien unter sich über verschie­dene Punkte der Vorlage noch nicht einig sind. Auch wird man nicht vergessen dürfen, daß es die preußische Staats­regierung bis zu einem gewissen Grade in der Hand hat, baS Tempo der Verhandlungen mindestens im Neichsrat zu bestimmen. Da die Mehrheit des preußischen Staats­ministeriums dem Regierungscntwurf des Reichsschulge­setzes nicht grütt ist, und es sich zurzeit auch gar nicht ab- sehcn läßt, ob überhaupt eine einheitliche Stellungnahme sämtlicher preußischer Minister zum Nelchsschulgcsetz zu er­reichen ist, muß sogar befürchtet werben, daß die Entschei­dung Preußens noch über den 15. September hinaus auf sich warten lassen wird, wodurch bann allerdings die gan­zen Dispositionen im Reich über den Haufen geworfen würden. Das Ganze ist aber nur ein leiser Vorgeschmack von dem, was wir an Kümpfen um das Reichsschulgcsetz innerhalb und außerhalb des Parlaments erleben werben.

Der deutsche Außenhandel im Juli

Tll. Berlin, 22. Aug. Der deutsche Außenhandel zeigt im Juli ds.. im reinen Warenverkehr einen Einfuhrüber­schuß von 4M Millionen NM. gegen 449 Millionen im Vor­monat. Im einzelnen betrug die Einfuhr im reinen Waren­verkehr 1277 289 Millionen gegen 1197 279 Millionen im Juni und 9 014 517 Millionen in der Zeit von Januar bis Juli. Die Ausfuhr im reine» Warenverkehr betrug im Juli 847 096 Millionen gegen 748248 Millionen im Juni und 5 596 127 Millionen in der Zeit von Januar bis Juli,' ein­schließlich Gold und Silber betragen die Zahlen: die Ein­fuhr im Juli 1281921 Millionen gegen 1291729 Millionen im Juni und 6161569 Millionen in der Zeit von Januar bis Juli. Die Gesamtausfuhr betrug 848 549 Millionen im Juli gegen 749 682 Millionen im Juni und 5 606 932 Millionen ln der Zeit von Januar bis Juli.

' Um Sacco und Vanzetti

Zusammenstöße in Frankreich.

Tll. Parks, 22. August. Gestern fanden in Paris und Um­gebung über 20 kommunistische Kundgebungen statt. Jede Versammlung wühlte eine Abordnung, die beauftragt wurde, beim amerikanischen Botschafter gegen das ablehnende Ur­teil in dem Bernfungsverfahren Sacco-Banzetti zu prote­stieren. Die amerikanische Botschaft wird durch starke Poli­zeiaufgebote Tag und Nacht bewacht. In Havre kam es bet einer Protestversammlung zugunsten Saccos und Vanzettis,

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Urkokor-Ksoktasctmti ävrcü Vsrlmr Oslcscr dloistvr, Vsröaa 8a, (SS. Fortsetzung.)

Zwei Stunden können's schon noch sein," wurde halb mürrisch, halb lallend zurückgeantwvrtet. Hierauf zog der knurrige Weißbart eine große Schnapsflasche hervor und trank sich herzhaft satt, wie ein lechzender Wanderer an der endlich erreichten Felsenquelle. Das war ja haarsträubend, wieviel der Mann trank, Anatol wußte genau, daß das eine zweite Flasche war, die er soeben oorgeholt, die erste hatte er also bereits überwunden: zwei so starke Pferde, geleitet von der Hand eines Betrunkenen das war eigent­lich recht gefährlich.

Kinder, reibt eure Nasenspitzen, damit sie euch nicht er­frieren." erinnerte Frau Ullrike die kleinen Mädchen.

Ach, Mamachen, es ist so schrecklich kalt," wimmerten die Kinder.

Habt nur noch ein wenig Geduld, wir kommen nun bald zum Papa" Herr Thorwald war bereits gestern per Post vorangereist, um Saal und Quartier zu mietenda finden wir alles wunderschön warm und prächtiges Essen dazu."

Zum zweitenmal mache ich eine Fahrt auf solcher Bauernkarrete nicht mit," schimpfte Cyrillo tief aus seinem Petzmantel heraus, dessen Kragen er sich bis zu den Augen hochgezogen,aus die Art, fahr«, wer will, ich nehme mir Extrapost."

Was wollen dem» die Leute machen, welche gezwungen sind, nach Sibirien zu reisen," versetzte Anatol,und noch dazu in Gefahr, jeden Augenblick von Wölfen angefallen zu werden."

Cyrillo lachte wegwerfend.

In einer solchen Fahrt liegt wenigstens Mumm, da kann man sich billige Petze verschaffen."

Du meinst, du würdest mit den Wölfen fertig werden?"

Närrische Frage. Selbstverständlich; ich werde mich doch nicht von dem dummen Viehzeug auffressen lassen."

Was Anatol bei solcher Großsprecherei dachte, äußerte er nicht, er beschränkte sich überhaupt außerhalb der Bühne, wo sie zusammen spielen mußten, nur auf einen oberflächlicben

I Verkehr mit demBruder", der ihm infolge seines häßlichen ^ Charakters ganz und gar zuwider geworden. Anatol hing ! wieder seinen eigenen Gedanken nach.

, Er weilte in seiner Phantasie mit freudig bewegtem Herzen im schlichten Stübchen bei Mutter Schwarz. Biel- leicht eröffnete sie jetzt gerade die letzte Sendung, welche er vorgestern an sie abgeschickt.

Wie würde die gute Seele staunen» wenn sie die Rolle Barchent und die fertige Wäsche auspackte, da sie doch vier­zehn Tage zuvor erst ein Paket mit prächtigem Niederungs­käse, geräucherten Gänsebrüsten und Gänseleberwurst er­halten. Da konnte sie wieder schreiben wie das letztem«!: Mein Iustoochen, bist du denn Millionär geworden?"

Ein trockener Husten schreckte den in sich Versunkenen aus seinen Gedanken empor alle waren sie in den acht Monaten, da Fortuna ihr Füllhorn über sie ausgeschüttet» rund und blühend geworden, nur der arme Herr Empereur nicht; seine niedergegangene Gesundheit hatte das letzte Stadium erreicht, der Sonnenaufgang konnte sie nicht mehr zu neuem Leben erwecken.

Traurig lehnte der bleiche Mann sich an die Gefährtin seiner Leiden, seiner Sorgen, wehmütig gedenkend des fernen Lenzes, da sie sich liebend zusammengefunden.

Zärtlich erwärmte die Gattin seine kalten» abgezehrten Hände an ihrer Brust und legte dann um den zitternden Oberkörper die Hälfte ihres Mantels, ihn fest darin ein­hüllend. Noch gehörte ihr der teure Kranke, noch fühlte sie seine Nähe, aber wie bald, ach, wie bald konnte die Tren­nungsstunde schlagen.

Kutscher, Sie schlafen ja!" rief Anatol dem trunkenen Fuhrmann zu, dessen Kopf tief auf die Brust gesunken war. Der Bauer fuhr bei dem lauten Anruf in die Höhe.

Aber was war das?!

Warum spitzten die Pferde die Ohren, als ob auch sie der Ruf erschreckt sie streckten die Köpfe, dehnten die Flanken hoch in der Luft erschienen die blitzenden Hinter­hufe, und davon schossen sie mit geblähten Nüstern und fliegenden Mähnen, den überladenen Schlitten mit sich ent­führend, gleich einem gewichtlosen Federball!

Heiseres Kläffen, ähnlich wie Hundegebell, tönte plötzlich rückwärts in der Ferne!

Rasender noch schossen die Pferde dahin, unheimlich mischte sich ihr wildes Schnauben mit dem Läuten der Schellen und dem ängstlichen Schreien der Äindert

die die Polizei verboten hatte, zu schweren Zusammenstößen, wodurch über 15 Demonstranten und 15 Polizetagenten er» heblich verletzt wurden._

Munitionsexplosion an der Themsemündung

TU. Berlin, 22. August. Nach einer Meldung des Lok.» Anz. aus London, ereignete sich in den Shoeburybeß-Kaser- nen, einem Artillerielagcr an der Themse-Mündung, aus unaufgeklürter Ursache eine schwere Explosion, durch die Munition im Werte von Huuderttauscndcn vernichtet wurde. Die Löscharbeiteu, die stuudenlang dauerten, wurden durch andauernd explodierende Geschosse äußerst gefährdet. In einem der sechs abgebrannten Schuppen fand mau die verkohlte Leiche eines Kanoniers und neben ihm einen Re­volver mit 6 Patronen, von denen eine abgeschosscn war. Dieser Fund macht die ganc.c Explosion besonders rätselhaft, da noch völlig ungeklärt ist, ob der Soldat das Feuer an­gelegt un dsich darauf erschossen hat oder ob sich die Patrone erst durch das Feuer entladen hat.

Die Hochwasserkatastrophe im fernen Osten

TU. Riga, 22. Aug. Nach über die Hochwasserkatastrophe im Fernen Osten in Moskau vorliegenden Meldungen ist nunmehr auch der Amur über die Ufer getreten. Das halbe Amurgebiet ist vollkommen unter Wasser. Eine Grube ist vollkommen ersoffen. 17 in einem Stollen befindliche Berg­leute fanden den Tod. Die Sowjetregierung hat zur Be» kämpsuiig der Wasserkatastrophe neuerlich zwei Millionen Rubel ansgeworfen. Hochwasser wird auch aus der Mand- schnrei gemeldet, wo der Sungari über die Ufer getreten ist. 13 Dörfer stehe» in diesem Gebiet vollkommen unter Wasser.

Kleine politische Nachrichten

Eine englische Gesellschaft in Italien enteignet. Die ital- tenische Regierung hat der bekannten englischen Tiefbau AG. Armstrong in Pvcculi bei Neapel, die seit der Jahre 1865 ausgeübte und auf ewig verliehene Konzession entzogen, da der seinerzeit gezahlte Preis für den Erwerb des Terrains nicht mehr der heutigen Zeit entspreche. Sämtliche Liegen­schaften, Fabrikanlagen und Arbetterhäuser der Gesellschaft fallen ohne Entschädigung an die Gemeinde von Pocculi zu­rück. Diese Entscheidung des Präfekten von Neapel har großes Aufsehen erregt und wird wenig dazu beitragen aus­ländische Gesellschaften zu ermutigen, sich in Italien nieder» zulassen.

Die orthodoxe Kirche für die Sowjetregierung. Nach einer Moskauer Meldung veröffentlicht die oberste Instanz der orthodoxen Kirche in der Sowjet-Union eine Erklärung, in der sie sich zur völligen Loyalität gegenüber der Sowjctregte- rung bekennt und sich insbesondere bereit erklärt, sich im Falle ernster Gefahr für die Sowjetregierung einzuletzen.

Schanghais Frembenzone erweitert? Nach einer M Ud.ing der Vossischen Zeitung aus London zirkuliert dort seit einigen Tagen das Gerücht, daß England beabsichtige, die Fremdennicderlassungen in Schanghai, die bekanntlich ex» territorial sind, so zu erweitern, daß ganz Schanghai mit den chinesischen Vierteln, sowie eine Zone im Umkreis von 56 Kilometer mit cinbezogen werde, was eine ungeheure Machterweiternng der fremden Mächte bedeuten würde.

Wieder schallte in abgebrochenen, hastigen Stößen das heißere Kläffen durch die tiefe Einsamkeit, und in einiger Entfernung schwebten über die weiße Schneedecke daher, wie getragen von den Lüften, zwei dunkle Gestalten, In gespensti­scher Geschwindigkeit den fliehenden Schlitten oerfolgendl

Was sind denn das für Tiere?" rief Cyrillo, bleich vor Furcht, das Gesicht aus dem Pelz hervorreckend.

O, du barmherziges Väterche das sind Wölf'l" schrie der Bauer, den stieren Blick nach hinten wendend,drum rennen auch die Färb so firchterlichl An die zehn Jahr haben wir keine hier jehabt: die sind aus die russischen Wälder über die Jränz jekommen, da sind die verfluchschten Wulwen- nester. O du liebes Herrgottche, beschütz' mir doch man bloß!"

Die Frauen, die Kinder, Cyrillo alle schrien in Todss­angst durcheinander, Anatol und Empereur waren die ein­zigen, welche ruhig blieben.

Haben Sie denn keine Schußwaffe, Mann!" rief der Jüngling.

Ich Hab' nuscht," jammerte der ernüchterte Alte, nuscht wie Ne Peitsch', und die is vor de Katz!"

Näher und näher kamen die beutegierigen, nach Nahrung lechzende!, Tiere, schon hörte man ihren keuchenden Atem, schon sah man das feurige Glühen ihrer grausamen Blicke!

Es waren zwei junge, magere Wölfe in ungleicher Größe; wahrscheinlich hatten sie, durch Hunger getrieben, sich von ihrer Herde getrennt und bis hierher verlaufen.

Was beginnen wir?" rief Anatol,wir können uns doch nicht wehrlos zerreißen lassen!"

Er versuchte unter den Füßen der recht» und ktnks auf Strohsäcken sitzenden Insassen etwas hervorzuzerren von den Theaterutensilien, eine Stange oder ein Brett, um es als Schlagwaffe zu gebrauchen: die Wölfe waren nicht groß, vielleicht gelang es ihm, sie zu bewältigen. Aber alles lag fest ineinandergeschichtet und dick überlegt mit Decken und Tüchern.

Eine kurze Strecke nur noch waren die Verfolger hinter ihnen. Cyrillo betrug sich wie ein Irrer, er schrie, ohne Unterlaß:Hilfe, Hilfe!"

Doch der pfeifende Hunger in der Brust der unglückseligen, auf das Morden angewiesenen Geschöpfe war noch stärker als die Todesangst der fliehenden Pferde, und wenige Sekunden später hatte das größte der beiden Raubtiere sein Ziel erreicht. ^

tFortsetzung folgtJ