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Nr. 195
Zmls- unä /lnzeigsblall für äen vberamtsdezirk (alw.
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Dienstag, den 23. Anglist 1927
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verantwort!. Schriftleitung: Friedrich tzan» Scheele Druck und Verlag der A Oelschläger'schen Buchdruckerei.
Jahrgang 10t.
Um die Verminderung
Noch keine Einigung
TU. Paris, 23. Aug. Havas verbreitet folgende Mitteilung: Man glaubt in unterrichteten Kreisen, daß die englisch-französischen Verhandlungen über die Stärke der Bc- satznngstruppen im Rheinlande vor ihrem Abschlüsse stehen. Ohne Zweifel ist noch keine vollständige Verständigung erzielt worden, aber die wesentlichen Punkte wurden bereits geregelt. Wahrscheinlid) wird es nicht lange dauern, bis auch die noch bestehenden Meinungsverschiedenheiten über Einzelheiten behoben sein werden.
Belgische Kritik an Vandervelde
Ein naiver Gegenvorschlag.
TU. Brüssel, 28. Aug. Zu dem Plan einer Enquete zur Untersuchung des Franktireurkrieges in Belgien schreibt das liberale Blatt „l'Jndependence Beige", das bereitwillige Angebot Vanderveldes sei ein Fehler, aus dem Deutschland Vorteile ziehen werde, um die Revision des Versailler Vertrages zu erreichen. Das Blatt macht den Vorschlag, daß vor der Bildung der Untersuchungskommisston durch den Völkerbund die „Kriegsschuldigen" ausgeliefert werden sollten. Wenn die Enquete für Belgien günstig anslaufe, sollte» diese Personen wieder freigelasscn werden, im anderen Falle sollten sie durch belgische Gerichte abgeurteilt werden 1!). Das Blatt macht weiter Vandervelde wegen seines Vorschlages in heftigen Ausdrücken bittere Vorwürfe. Das nationalistische Blatt „Vingtieme Siecke" erklärt, Deutsch-
der Rhemlcmdbesatzung
land hoffe, die Karten durcheinanderzuwerfen. Eine Unter- suchungskvmmission werde nur in sich widersprechenden Dokumenten gipfeln, die der internationalen Meinung nicht gerecht würden. Das Spiel werde dann gleichzeitig mit dem Versailler Vertrag zu Ende gespielt werden.
DerAbschlußderMilitärkontrolleinUngarn
TU. Genf, 23. Aug. Der Generalsekretär des Völkerbundes hat gestern ein Schreiben des französischen Außenministers Briand als Präsident der Botschafterkonferenz zur Uebermittlung an sämtliche Mitglieder des Völkerbundes erhalten, in dem der Beschluß der Botschasterkonferenz über einen Abschluß der Tätigkeit der Interalliierten Militär- kontrollkomission in Ungarn mitgeteilt wird. —
Dem Schreiben ist der von der TU. vor einigen Tagen bereits angekündigtc Bericht der Interalliierten Militärkon- trvllkommision in Ungarn über die Durchführung der Be- satzungskontrvlle beigefügt. In dem heute etngetroffenen Schreiben lenkt die Botschasterkonferenz die Aufmerksam, keit des Völkerbundsratcs auf einige Vorbehalte, die die I. M. K. K. in Ungarn in ihrem Bericht in Bezug aus die gegenwärtige ungarische Gesetzgebung, sowie in Bezug auf die Reduzierung der Truppen geltend gemacht hat. Es wird in dem Schreiben hervvrgehoben, daß der Völkerbundsrat ans diesen Vorbehalten der I. M. K. K., die ihm geeignet erscheinenden Folgerungen im Interesse des allgemeinen Friedens zu ziehen habe. Das Schreiben ist vom französischen Außenminister Briand unterzeichnet und von dem Gcneralsekretariat des Völkerbundes sämtlichen Ratsmitgliedern zur Kenntnisnahme übermittelt worden.
Tages-Spiegel
Die Verhandlungen zwischen London und Paris über die Besatznngsfrage stehen vor dem Abschluß.
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Bon der belgische» Rechtspresse wird das Angebot Bander- veldes an Deutschland heftig kritisiert.
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In Gens wnrde gestern der 3. europäische Minderhciten- kongreß eröffnet.
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In einem Schreibe» Briands an die Völkerbundsratsmit» -lieber wird diesen der Abschluß der MilitärkontroAe in Ungarn mitgeteilt.
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Sacco und Banzetti sind vergangene Nacht in Boston hingerichtet worden. I« Sachsen kam cs bei Demvnstrationen z« Zusammenstöße» mit der Polizei.
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An Berlin Wurde« 400 vom Reichsparteitag in Nürnberg zurückkehrende Nationalsozialisten wegen »erbotenen Znsammenschlnsses verhaftet und nach Verwarnung wieder freigelaffe« .
poln. Regierung bei der Durchführung der Agrarreform in Polen gegenüber der deutschen Bevölkerung Polens Klage erhoben wird. In der Beschwerdeschrift wird aus Grund umfangreichen statistischen Materials auf die willkürliche Enteignung des deutschen Grundbesitzes in Polen hingewiesen und insbesondere auf die ungleichartige Behandlung zwischen dem deutschen und polnischen Grundbesitz bet den Enteignungsmaßnahmen der polnischen Regierung aufmerksam gemacht. Diese Beschwerdeschrift des Deutschtums in Polen wird auf der bevorstehenden Tagung des Völkerbunbsrates noch nicht zur Sprache gelangen, da die für die Eingaben der Minderheiten vorgesehenen Fristen ihre Behandlung im Rat noch nicht ermöglichen. Die Beschwerdeschrift wird sodann auf der nächsten Tagung des Rates in dem besonderen Minderheitenkomitee zur Erörterung gelangen.
Glciwitz in Pole»!
TU. Berlin, 23. August. Wie die Morgenblätter aus Brcslan melden, gelangte auf eine Eingabe der Flüchtlings- und Verbrängteu-Gruppc des Stadt- und Landkreises Gleiwitz, in der die Wiedervereinigung ganz Oberschlesiens mit Deutschland verlangt wird, an den Vorsitzenden ein Antwortschreiben des Völkerbundssekretariats, das in englischer Sprache den Eingang der Eingabe bestätigt. Die Briefadresse trug die Ortsbezeichnunq „Gleiwitz in Polen."
Sacco und Vanzetti hingerichtet
TU. New york, SS. August. sEig. Drahtbericht.f Sacco «nd Banzetti sind heute kurz nach Mitternacht hingerichtet worden. Z« gleicher Zeit wurde auch der Portugiese Madeiras hingerichtet.
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Ueber 1VÜ Personen in Boston verhaftet.
TU. Berlin, 23. Aug. Nach einer Morgenblättermeldung aus Newyork sind bei der Zerstreuung mehrerer Demonstrationszüge in Boston über 100 Personen durch die Polizei verhaftet worden.
Kommnnistenansschreitnngen in Halle.
TU. Halle, 23. Aug. Bei kommunistischen Demonstrationen sür Sacco und Vanzetti mußte die Polizei mit dem Gummiknüppel und die berittene Polizei mit der blanken Waffe gegen die Demonstranten Vorgehen,' es wurden rund 100 Verhaftungen vorgenommen. Die Demonstrationen vor dem Polizeipräsidium und auf dem Hall-Markt dauerten bis in den späten Abend hinein an. In Glauchau, wo ebenfalls eine Kommunistendemonstration stattfand wurde die Polizei von einem Steinhagel empfangen, worauf sie ebenfalls mit Gummiknüppeln und blanker Waffe vorging. Auch hier wurden SO Verhaftungen vorgenommen. Die Polizei befindet sich in höchster Alarmbereitschaft, da man jeden Augenblick mit blutigen Zusammenstößen rechnen muß. -
Der Minderheilenkongreß in Genf
Der Wille zur Verständigung'
TU. Gens, 23. August. Der dritte europäische Nationa- ktstenkvngreß, zu dem Minderheitsgruppen aus Deutschland, Polen, Ungarn, Spanien, Jugoslawien, der Tschechoslowakei, Dänemark, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen, Italien, Oesterreich, sowie jüdische Minderheitsgruppen erschienen sind, wurde gestern nachmittag mit einer Ansprache des slovenischen Abgeordneten im italienischen Parlament Dr. Wilfan eröffnet. Wilfau drückte in seiner in deutscher Sprache gehaltenen Ansprache die Hoffnung aus, daß der Kongreß zu positiven Ergebnissen führen möge. Er stellte sodann fest, daß aus verfassungsmäßigen Gründen die Aufnahme neuer Gruppen habe nicht erfolgen können, so z. B. der Ukrainer und Weißrussen in Polen, der Mazedonier in Jugoslawien und Griechenland n. a. m. Der Mangel einer konstitutionellen Verfassung bereite große Schwierigkeiten, wie auch die noch fehlende Kom- peteuzverteilung innerhalb des Kongresses. Diesen Mängeln soll durch Schaffung von Statuten abgeholfen werden. In seinen weiteren Ausführungen betonte er, daß die Erfolge der Minderheitsbewegung in den einzelnen europäischen Ländern bisher äußerst karg seien. Trotzdem gewinne das Minderheitsproblem wachsend an Bedeutung und werde immer mehr als eine der hauptsächlichsten Voraussetzungen zur Anfrechtcrhaltung des Friedens anerkannt. Nur die endgültige Lösung dieses zentralen europäischen Problems würbe die Befriedung Europas sichern. Der hauptsächlichste Programmpunkt des gegenwärtigen Kongresses sei daher die nationale Unduldsamkeit, die de» Frieden Europas bedrohe.
Als erster sprach hiernach) der deutsche Abgeordnete im lettischen Parlament Dr. Paul Schier mann, der darauf hinwies, daß -ie Mindcrhcitsbewegung mit aller Entschiedenheit dafür ctntrete, daß der nationale Gegensatz aus den Gebieten vertrieben werde, in denen die Zusammenarbeit der Menschen verschiedenen Volkstums geboten sei. Jedoch könne man sich nicht mit einem Minoritätenschutz als einer internationalen charitativcn Fürsorge begnügen, sondern müsse ein Minoritätenrccht verlangen, welches die Verwaltung national-kultureller Belange in die Hände der Minoritäten lege. Es gäbe keine deutsche nationale Gruppe, die den veralteten Grundsatz aufrecht erhalte, das es Nationalitäten gebe, die erhalten werden müßten und solche, denen ein Recht auf Fortentwicklung nicht zugesprochen werden könne. Der Grundsatz der Gleichberechtigung aller Natio
nalitäten werde rückhaltlos und ohne jede Beschränkung von den deutschen Minderheiten anerkannt. Der Staat sei verpflichtet für die Zwecke der Kulturautonomie die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen. Den Gedanken der Volksgemeinschaft zu pflegen und weiter auszubauen, sei eine Aufgabe, die sich auch die deutschen nationalen Gruppen gestellt hätten. Es dürfe erwartet werden, daß die Bindungen, die durch die Arbeit der Minoritäten entstünden, nicht nur eine Liquidation der nationalen, sondern gleichzeitig auch eine erhebliche Abschwächnng der innerstaatlichen Gegensätze erzielen könnten. Die Arbeit an einer Festigung der kulturellen Volksgemeinschaft wirke für den europäischen Frieden und damit auch für den Weltfrieden. — Der Vertreter der Ungarn und der Tschechoslowakei Scuello betonte sodann, daß die Aufgabe aller Minderheiten die Vervollkommnung ihrer Kultur sei. Die Störungen in der europäischen Gemeinschaft könnten durch kulturelle Autonomie und durch Zusammenarbeit aller Nationalitäten behoben werden. Statt der Gewalt müsse man nur den Ausgleich suchen und anstelle der Bedrückung die Freiheit setzen. Für die katalanische Gruppe in Spanien meinte Maspons, daß die Minderheitenbewegung ihr Ziel erreichen werde, wenn sie in einheitlicher Zusammenfassung aller Kräfte sich für die Anerkennung der Rechte der Nationalitäten einsetze. Der Vertreter der Polen in Deutschland, Dr. Kaczmarek, hob hervor, daß jede schematische Lösung des Minderheitenproblems abgelehnt werden müsse. Das Minderheitenrecht müsse eine friedliche Regelung im Sinne der Bedürfnisse des Staatsvolkes finden. Nach Abgabe dieser Erklärungen wurde zur Wahl des Präsidiums geschritten, bas aus Dr. Wilfan und Vertretern sämtlicher an dem Kongreß teilnehmenden Minderhcitengruppen besteht. Den Abschluß der Sitzung bildete die Einsetzung von vier Kommissionen für die Zusammenarbeit der Minderheiten, die Sprachcnfrage, Or- ganisationssragen und die Ausarbeitung eines Statutenentwurfs.
Völkerbundsbeschwerde des Deutschtums in Polen
TU. Genf, 23. August. Wie der Vertreter der Tel.- Uuion erfährt, werden die offiziellen Delegierten des Deutschtums in Polen dem Völkerbundsrat zu Händen des Generalsekretärs des Völkerbundes eine offizielle Beschwerdeschrift einreichen, in der gegen die Maßnahmen der