Um den Abbau der Rheinlandbesatzung
Französische Nadelstichpolitik.
Die Septembertagung des Völkerbundes steht vor der Tür, und nirgendwo ist man eifriger bemüht, dafür die Vorbereitungen zu treffen, als in Frankreich. Ist doch mit der Möglichkeit zu rechnen, daß auf dieser Volltagung des Völkerbundes von deutscher Seite die Frage der Rheinlandräumung energisch zur Erörterung gestellt wird, zumal selbst die englische Regierung durch ihre dahingehenden Anfragen in Paris und Brüssel sich zu dem Standpunkt bekannt hat, daß der Zeitpunkt für eine derartige Erörterung gekommen ist. Im gegenwärtigen Frankreich sind aber nicht mehr Briand und Herriot maßgebende Persönlichkeiten, sondern Poincare. Die Tatsache, daß ihm die Stabilisierung des Franken gelungen ist, hat ihn wieder zu dem Manne werden lassen, der Frankreichs Politik bestimmt und der die öffentliche französische Meinung beherrscht. Locarno und Thoiry sind für ihn leere Worte. Die von Poincare seit Wochen gegen Deutschland angewandte Methode fortgesetzter Nadelstichpolitik zeigt das deutlich. Zusammen mit Belgien und Polen arbeiten die französische Diplomatie und Presse mit den frechsten Lügen und Behauptungen gegen die Möglichkeit einer früheren Rheinlandräumung. Da ist von geheimen Rüstungen im Reich und im besetzten Gebiet, die sogar die Lage der Besatzungstrnppen bedrohlich machen sollen, die Rede; in der weiteren Besetzung des Rheinlandes wird die einzige Möglichkeit gesehen, den Anschluß Deutsch- Oesterreichs an das Mutterland zu verhindern und so den Frieden Europas zu retten; die Besetzung des Rheinlandes soll weiter Polen vor einem deutschen Einfall in den Korridor schützen, den Deutschland vorbereitet, und was dergleichen unsinnige Lügen mehr sind. Traurig genug, daß sich auch Deutsche gefunden haben, die durch ebenso aus der Luft gegriffene Behauptungen über deutsche geheime Rüstungen »nd militärische Besprechungen die französischen Lügenmärchen verstärken halfen. Ist es nicht geradezu eine Verhöhnung der uns in Locarno und Thoiry gegebenen Versprechungen und unserer selbst im Versailler Diktat beruhenden gerechten Forderungen, wenn man auf französischer Seite meint, als Höchstztffer für eine Rhetnlandräumung vorläufig nur 6000 Mann nennen zu könnenI Nicht einmal die Tatsachen, daß durch Locarno auch England zum Garanten »er französischen Sicherheit geworden ist, daß Frankreich einem abgerüsteten Deutschland gegenüber über ein 6-Mil- lionenheer verfügt, daß nach der jetzt erfolgten Bewilligung der Kosten sehr bald ein Festungsgürtel die Ostgrenze des Landes unangreifbar machen wird, nicht einmal solche Tatsachen können genügen, um bas Gerede von der Gefährdung der französischen Sicherheit verstummen zu lassen. Aber wie nach 1871 die Befreiung „des »»erlösten und vergewaltigten Elsaß" dazu herhalten mußte, um die nationa- len Leidenschaften des französischen Volkes gegen uns aufzupeitschen, so jetzt bas Gerede von der gefährdeten französischen Sicherheit. Man weiß in den verantwortlichen französischen Kreisen sehr wohl, wie wenig das heutige abgerüstete Deutschland dazu fähig ist, Revanche zu üben, aber man will eben die Ohnmacht des Reiches, das trotz Versailles bestehen blieb, durch die wettere Dauer der Besatzung verewigen und den Rhein als Grenze behalten.
Leider hat nun, und bas darf nicht vergessen werben, der klägliche AuSgang der Genfer Abrüstungskonferenz eine
langer!»
kin koi»aa tiir jung un6 »ll von Kloct
Vrdsdor-Roabtssoinitr ävrcb Vsrtccp- Kslstsr, Veröon 8» (L6. Fortsetzung.)
Stolz aufgerichtet schritt Herr Thorwald mit dem klingen- den Gelds in der Hand davon. Ha — welch' ein Genuß war es für den armen, gedemütigten Mann, dem rohen Wirt die Schuld bei Heller und Pfennig hinzählen zu können!
Als der überglückliche Direktor in das Gartenhaus zurück- kehrte, fand er alle eifrig schreibend vor. Auch die Sängerin und ihr Gatte hatten sich beteiligt.
„Eben erfuhr ich vom Wirt," berichtet Herr Thorwald freudig, „daß von morgen ab drei Tage hier Viehmarkt abgehalten wird, köstlicher kann es sich gar nicht für uns treffen. Da werden wir. meine Frau und ich, die ganze Nacht durch weiterschreiben, um morgen früh die Anzeigen in die Gast- und Privathäuser tragen zu können. Eine Stunde von hier, im nächsten Ort logieren ebenfalls viele Viehhändler, welche auch durch Zettel benachrichtigt werden müssen. Die kommen alle, denn solche Leute haben immer viel Geld bei sich und lassen sich kein Vergnügen entgehen."
Als man eine Stunde geschrieben, legte Frau Ullrike die FcLer nieder, um mit dem ältesten achtjährigen Töchterchcn Christine die bereits fertigen Zettel nach den Haupthäusern des Ortes zu tragen. Je eher, desto besser.
Hatten Knechte und Mägde bei Frau Apitsch über „Fräulein Priskas" Tätigkeit in Haus und Hof gestaunt, so wunderten die Mädchen in der Wirtshausküche sich nicht minder, als Miß Arabella Patterson im schlichten Hauskleid erschien und an die Zubereitung der Kalbsbraten ging. „I, du meine Jietel" — die schälte ja alle überflüssigen Knochen mit der Geschicklichkeit eines Fleischers heraus, schlug sie auf dein Hackstock in winzig kleine Stücke, nahm von jeder Keule das trockene Stück Bein dazu und kochte mit dem Suppengrün zusammen eine Brühe daraus. Wie sauber sie die Braten gespickt hatte, wie die Butter und die Speckschsiben richtig in der Couleur abgepaßt waren, ehe sie die Keulen hineinlegte; die oerstand's ja wie ein Hofkoch. —
Während Anatol dann und wann die Braten begoß, überlegte er, was er morgen zu Mittag kochen würde, denn Frau Ullrike mußte doch wieder Zettel austrage«». Junges
machtpvlitische Situation für Frankreich geschaffen, die es ihm erleichtern muß, uns gegenüber in seiner rücksichtslosen Stellungnahme zu verharren. Das Scheitern der Genfer Abrüstungskonferenz, auf das es im geheimen eifrig hingearbeitet hat, befreite Frankreich von der Sorge, sich etwa auch Beschränkungen in seinem Bau von Unterseebooten, die es als Druckmittel gegen England gebaut hat, auferlege» zu müssen. Dazu hat der auf der Abrüstungskonferenz zutage getretene englisch-amerikanische Gegensatz den Wert der französischen Freundschaft für England um ein Wesentliches erhöht. Das Glück ist hier Herrn Poincare in einem entscheidenden Augenblick hold gewesen, er ist mehr denn je in der Lage, gegenüber allen englischen Anregungen bezüglich einer vorzeitigen Rheinlandräumung die kalte Schulter zu zeigen, und wir gehen sicher nicht fehl in unseren Vermutungen, wenn wir die ganze Art und Weise, in der man augenblicklich in Paris zu dieser für uns so wichtigen Lebensfrage einer Aushebung oder zum mindesten fühlbaren Beschränkung der Nheinlandbesetzung Stellung zu nehmen beliebt, in engsten Zusammenhang bringen mit dem von Frankreich mit betriebenen Ausgang der Genfer Abrüstungskonferenz.
Was für uns aus alledem zu folgern ist, ist selbstverständlich. Wir können den uns von Frankreich aufgezwuugcnen Kamps um die Freiheit des Rheins nur gewinnen, wenn wir die nötige Hartnäckigkeit und Energie entwickeln. So wenig es bestritten werden soll, daß eine deutsch-französische Aus- gleichSpolitik einen wesentlichen Grundstein für den Frieden Europas bilden muß, so kann doch von ihr nicht eher die Rede sein, als bis Frankreich sich zur Rheinlandränmung und zu einem Anfgeben seines Machtstandpnnktcs uns gegenüber bereit gezeigt hat. Alle jedoch, die den umgekehrte!! Weg cinschlagen wollen, treiben eine verhängnisvolle Politik, die uns nicht zu der ersehnten Freiheit, wohl aber in weitere Knechtschaft führen muß. Das Ziel, das wir erreichen wollen, ist klar, aber klar muß auch der Weg vor uns liegen. Es wird Zeit, daß wir ihn erkennen.
Polnische Befürchtungen
Polnische Sozialisten fürchten einen deutsch-französischen Krieg gegen Polen.
TU. Warschau, 20. Ang. Unter dem Eindruck des französischen Handelsvertrages sieht der sozialistische „Rvbvtnik" in der deutsch-französischen Politik wiederum neue Gefahren für Polen. Der Handelsvertrag, so schreibt das Blatt, solle einen ernsten Schritt zu einer deutsch-französischen Verständigung darstellen, die die Grundlage zu einem gemeinsamen Krieg Deutschlands und Frankreichs gegen Polen bilden solle, st) Die an dem deutsch-französischen Handelsabkommen interessierten deutschen Wirtschastskreise hätten an Frankreich bereits die Aufforderung gerichtet, einen gemeinsamen Kreuzzug gegen Polen l!) zu unternehmen. Durch den Abschluß des Handelsvertrages wolle man in Deutschland die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit von de» Strömungen ablenken, die einen Krieg mit Polen verlangten und sich darauf vorbereiteten. Man könne nur hoffen, daß diese zweigleisige deutsche Politik, die auf einen Frieden im Westen und Krieg im Osten ausgehe, nicht gelingen werde. Mit einer gewissen Nervosität wird sodann in dem gleichen
Gemüse gab's hier oben leider noch nicht, er entschloß sich daher zu Königsberger Klops. —
Als „die junge Köchin" nach zwei und einer halben Stunde, gefolgt von einer Magd, welche auf einem großen hölzernen Servierbrett die dampfenden Speisen trug, mit verheißungsvollem Lächeln um die schönen Lippen, in dem Gartenhause wieder erschien, da flogen mit Windeseile die Tintenfässer, beschriebenen und unbeschriebenen Zettel beiseite» und aller Augen bohrten sich mit fanatischer Begeisterung in den goldbraunen. wie lackiert glänzenden Braten.
Dann kam das Bier. Die Gläser klangen aneinander, Gelächter und Scherze hallten lustig durch das einsame Gartenhaus, und wäre da plötzlich einer vorübergegangen, er würde nicht gedacht haben, daß an der Stelle, wo soviel ausgelassene Fröhlichkeit herrschte, heute schon der bleiche Tod mit schneidiger Sense durchs Fenster geschaut.
Siebenundzwanzig st es Kapitel.
Am Abend der ersten Vorstellung war Großbetrieb im Gasthaus zur „Goldenen Kugel."
Während aus dem Marktflecken und zwei nahegelegenen Nachbarorten immer noch neues Publikum angeschlendert kam und ohne seinen Zweck zu erreichen wieder abtrotten mußte, denn seit drei Uhr war bereits ausverkauft worden, quetschten sich vergnügt grinsend der dicke Wirt und zwei Kellnerinnen mühsam durch den überfüllten Garten, die zahlreichen Besucher mit Getränken zu versorgen.
Noch eine halbe Stunde fehlte bis zum Beginn der Vorstellung. Erwartungsvoll glitten dann und wann aller Blicke nach dem auf leeren Biertonnen erbauten Podium am Ende des Gartens. Endlich ertönte das Klingelzeichen — merkwürdig kurz heute, wie von einer energischen Hand ausgeführt, und der bedruckte Kattunvorhang ging^nach zwei Seiten auseinander.
Die erste Nummer führte laut Programm der Künstler auf der Viola, Monsieur Empereur, aus, die zweite Frau Thorwald mit dem Schaltanz aus „Robert der Teufel." Hierauf erschien Madame Empereur, die Arie Agathens aus dem „Freischütz" mit Violabegleitung oortragend.
Das Publikum verhielt sich bei allen Piecen kalt bis In die Zähne. Es hatte kein Ohr für das Spiel des Künstlers, keinen Blick für die zierliche Tänzerin; bei dem Gesang der um zwanzig Jahre zu alt aussehenden Französin in dem gefärbten schwarzen Seidenkleid«, kämmt« sich sogar der
Artikel darauf htngewtesen, daß die deutschen Landwirt- schaftskretse einen gleichen Handelsvertrag mit Polen ver- hindert hätten.
Preußens Ausruf zur tzindenburg-Spende
TU. Berlin, 21. Aug. Das preußische StaatSministerium hat unter dem 17. August folgenden Aufruf beschlossen: „Am 2. Oktober begeht Reichspräsident von Hindenbnrg seinen 80. Geburtstag. An diesem Tage vereinigt sich das deutsche Volk, um seinem erwählten Oberhaupt seine Glückwünsche dazubringen; aber nicht In geräuschvollen Feiern darf diese Teilnahme ihren Ausdruck finden, dies würde dem Ernst der Zeit sow enig entspreche» wie dem schlichten, sachlichen Sinn des Jubilars. In dem Bestreben, die dein Reichspräsidenten zu erweisende Ehrung seinen eigenen Wünschen gemäß in eine Form zu kleiden, die dem Ernst der Lage des deutschen Volkes Rechnung trägt und über den Tag hinaus fortwirkt, sind Ncichsregicrung und Länderregiernngen übcreingekommcn, aus Anlaß des 80. Geburtstages des Reichspräsidenten zu einer Sammlung anfznrufen, deren Ertrag den Volksgenossen zugute kommen soll, mit denen der Reichspräsident aus schwerer Kriegszeit sich ln besonderem Maße verbunden fühlt, den Kriegsbeschädigten und Krtegcrhinterbliebenen. Jeder Deutsche betrachte es als seine Ehrenpflicht, zu diesem Hilfswerk nach besten Kräften heizusteuern und damit nicht nur die Person des Reichspräsidenten zu ehren, sondern auch dem Danke an die bet der Verteidigung des Vaterlandes Gefallenen und Berwnnde- ten opferiollligen Ausdruck zu verleihen."
Schanghai erobert
Die Südtruppen aus dem Rückzug.
TU. Berlin, 21. Aug. Wie der „Lok.-Anz." aus London berichtet, sind nach aus Schanghai cingegangenen Meldungen die chinesischen Nordtruppen in der vergangenen Nacht in Nanking eingedrungen. In der Stadt sind infolge des Bombardements große Brände entstanden. Der Rückzug der Südtruppcn vollzieht sich zurzeit noch tn geordneten Formen. In Schanghai bestehen jedoch schwere Besorgnisse wegen der zurückströmenden geschlagenen Armeen, von denen Unruhen und Plünderungen befürchtet werden. Die gesamte ausländische Besatzung ist alarmiert worden. Bisher wer» den jedoch die flüchtigen Truppen der Südarmce an Schanghai vorbeigeleitet. Sie sollen offenbar iu der Provinz Tsche» kiang eine neue Front bilden.
Erdbeben in Ostasien
TU. Rom, 20. Aug. Das Seismographische Institut Bondandi in Faenza registrierte gestern abend ein sehr starkes Erdbeben in nordwestlicher Richtung in einer Entfernung von 9000 Kilometern. Die Instrumente blieben fast 3 Stunden gestört. Nur der Mikroseismograph konnte alle Phasen des Erdbebens verfolgen. Prof. Bondandt nimmt ein heftiges Erdbeben in Ostasien an.
Kleine politische Nachrichten
Zusammentreffen Svchlas mit Dr. Stresemann? Wie tn Prag verlautet, besteht die Möglichkeit, daß Ministerpräsident Svehla, der sich demnächst mit dem Gesandten Chialkovski
männliche Teil verzweifelt mit den Fingern die Haare, und die Blicke irrten, wie allerlei suchend, gerade dahin» wo die Sängerin nicht war.
Auch das nun folgende Geigenspiel des „berühmten" Mister Patterson fand keine Gnade vor den Ohren der Anwesenden, und kaum sechs bis acht Hände erhoben sich zu einem schwachen Applaus.
Nur schwer seine Enttäuschung verbergend, verbeugte sich Cyrillo geziert lächelnd und verschwand hinter der ersten und einzigen Kulisse. —
Eine Weile blieb die Bühne leer — im Zuschauerraum war es totenstill — abgesehen von dem großhalstgen Spektakel der gefiederten „Freiberger" oben in den Bäumen» die sich um den Ouartierzweig für die Nacht wie mit Messern stritten. Alle Gesichter waren mit derselben maskenhaften Unbeweglichkeit dem Orte zugewendet, allwa sogleich die blendende achtzehnjährige Schönheit erscheinen sollte. —
Drei schmetternde Trompetenstöße tönten plötzlich von hinten, gleich darauf wirbelnde, kriegerische Weisen, ausgeführt von Violine, Viola und Trommel — und im nächsten Augenblick erschien die lange und ungeduldig Erwartete.
Ein Ruf der Bewunderung ging durch die Menge.
Ohne alle Scheu vor den vielen Augen, mit festem Mul — denn von seinem Spiel hing ja die Rettung all der Unglücklichen ab — trat Anatol in dem ihm verehrten, weißen Batiistkleide, auf dem linken Arm den Schild, in der Rechten den Speer, vor das Publikum hin. Unvergleichlich schön aussehend, erhoben sich seine klassisch reinen Züge über dem blitzenden Panzer. Unter dem Helm war ein Bandeau verborgen, von dem herab lange, goldblonde Locken über Nacken und Brust fielen. Seine Helle, klangreiche Stimme ertönte vernehmlich bis an das entgegengesetzte Ende des Gartens.
Schon bei dem mit erstaunlicher Naturwahrheit gesproche- nen Anfang: „Die Waffen ruhn, des Krieges Stürme schweigen" — erhob sich ein Gemurmel der Anerkennung, aber als bei der Stelle: „Mußtest du ihn auf mich laden, diesen furchtbaren Beruf"-das herrliche, weit aus
geschlagene Augenpaar erstrahlte, als ginge ein vielfarbiger Lichtglanz von ihm aus, da konnten sich die Zuschauer nicht mehr mäßigen. Mitten in der Szene wurde anhaltend applaudiert, und am Schluß des vielleicht niemals schöner und mit größerem Gefühl gesprochenen Monologs brach frenetischer Beifall aus.
(Fortsetzung folgH
*
*