Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk Lalw

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Erscheint Dienstags, Donnerstags und SamStagS. Die Einrückungsgebühr berrSat im Bezirk und in nächster Um­gebung 9 Pfg. di« Zeile, sonst 18 Pf-.

Donnerstag, den 21. Jebruar 1895.

AbonnementSpreiS vierteljährlich in der Stadt SO Pfg. mrd SO Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen ML 1. IS, sonst t» ganz Württemberg Mk. 1. SS.

Amtliche Aekauntmachungeu.

Bekanntmachung.

Da es in letzter Zeit wiederholt vorgekommen ist, daß Gesuche um Bewilligung von Jnvaliden- und Altersrenten sowie solche um Zusendung von Formularen zu Rentenquittungen direkt bei dem Vor­stand der Württ. Jnvaliditäts- und Alters-Versiche­rungsanstalt in Stuttgart angebracht worden sind, so wird hiemit noch besonders darauf hingewiesen, daß derartige Gesuche stets durch Vermittlung der betreffenden Ortsbehörde an das Oberamt zu richten sind.

Die Ortsbehörden haben dies in zweckentsprechen­der Weise bekannt zu machen.

Calw, den 18. Februar 1895.

K. Oberamt.

V o e l t e r.

Bekanntmachung.

Nachstehende Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 7. Januar d. I. betreffend das Arzneibuch für das deutsche Reich (Centralblatt für das deutsche Reich S. 4) wird hiemit zur allgemeinen Kenntnis gebracht. Die Herren Aerzte, Apotheker und Wund­ärzte werden hierauf noch besonders aufmerksam ge­macht.

Calw, den 18. Februar 1895.

K. Oberamt.

Voelter.

Bekanntmachung,

betreffend das Arzneibuch für das Deutsche Meich.

Der Bundesrat hat in der Sitzung vom 20. Dezember 1894 einen Nachtrag zum Arzneibuch für das Deutsche Reich, dritte Ausgabe, mit der Maß­gabe genehmigt, daß die neuen Vorschriften am 1. April 1895 in Wirksamkeit treten sollen.

Dies wird hierdurch mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntnis gebracht, daß der Nachtrag so­wie ein unter Berücksichtigung der aus dem Nach­trage sich ergebenden Textänderungen hergestellter Neudruck der dritten Ausgabe des Arzneibuches in R. von Deckers Verlag (G. Schenck) zu Berlin er­scheinen und im Wege des Buchhandels zu beziehen sein werden. Der Ladenpreis beträgt 50 --Z für ein Exemplar des Nachtrags, 2 ^ für ein geheftetes und 2 ^ 80 ^ für ein gebundenes Exemplar des Neudrucks.

Berlin, den 7. Januar 1895.

Der Reichskanzler.

In Vertretung: v. Boetticher.

Tagesneuigkeiten.

Alten steig, 17. Febr. Am letzten Freitag zerplatzte in Walddorf, wahrscheinlich infolge zu starken Einheizens, ein Zimmerofen. Die Hausfrau und zwei ihrer Kinder wurden leichter, dagegen das dritte tätlich verletzt. Der Schlag der Explosion war so stark, daß Fenster und Thüre zertrümmert wurden.

Cannstatt, 17. Febr. Seit der letzten größeren Ueberschwemmung, die Cannstatt erlebt hat, sind mehr als 12 Jahre verflossen. Am 26. Dez. 1882 ist der Neckar über seine Ufer getreten; andem Tags reichte das Wasser in der Seelbergvorstadt bis zum Eisenbahndurchlaß, in der Hofenerstraße bis über das Pappenheimer'sche Haus hinaus, in der Badstraße bis zum Barth'schen Haus und in der Marktstraße von der Wilhelmsbrücke her bis über die Obermiller'sche Apotheke hinaus. Seitdem ist der Neckar wohl aus den Ufern getreten und hat namentlich in Untertürkheim und Wangen geschadet, aber Cannstatt blieb nahezu ganz verschont. Ob wir dieses Jahr ohne starkes Hochwasser und schweren

Eisgang ins Frühjahr kommen, hängt einzig von der Witterung ab. Der Neckar hat starkes Grundeis und am Wasserhaus hat das Obereis eine Dicke von 38 Cm.; dazu kommen die gewaltigen Schneemassen, die in den Seitenthälern des oberen Neckars noch größer sind als hier. Wenn Regenwetter eintreten würde, wodurch ein schnelles Schmelzen des Schnees herbeigeführt werden müßte, so wäre eine Ueber­schwemmung, verbunden mit Eisgang, zu befürchten, wie sie noch nicht oft da war. Was Menschenkräfte zur Abwendung des drohenden Schadens vermögen, ist, wie die Cannst. Z. meldet, geschehen, und die an Stelle des Gitterstegs getretene neue Brücke erleichtert auch den Eisgang und den Wasserabfluß. (Schw. M.)

Göppingen, 18. Februar. Der heutige Viehmarkt wurde wegen des tiefen Schnees, der auf allen Wegen liegt und zu dem gestern und heute immer wieder neuer kam, nur schwach besucht. ES wurden zugeführt 74 Paar Ochsen, 43 Kühe und 98 Stück Schmalvieh, im Ganzen 289 Stück. Der Handel ging ziemlich lebhaft. Es wurde bezahlt für 1 Paar Ochsen 700950 für eine Kuh 180 bis 300 für 1 Stück Schmalvieh 170350

Gmünd, 17. Febr. Einer von 200 Bürger» unterschriebenen Eingabe um Ermäßigung der Hunde­steuer von 20 auf 12 ^ wurde von den Kollegin» nicht entsprochen, weil die Berechtigung zur Erhebung des örtlichen Zuschlags ohnehin nur bis 31. März 1897 dauert, übrigens die Armenkasse, welcher das Erträgnis der Hundesteuer zugewiescn ist, dieser Ein­nahme sehr bedarf. Dieselbe betrug im letzten Jahr 3516

Ulm, 16. Febr. Urkundenfälschung, Die 24 Jahre alte Dienstmagd Marie Müller vo» Reichenbach hatte auf eine Zeitungs-Anzeige, wonach

Der: Sonderling.

Roman von P. FrlSberg.

(Fortsetzung.)

«Sie wissen, welch ein Sonderling Ihr Oheim ist," sprach er dann zu Günther; «er wünscht, daß seine Absicht, sich zu vermählen, noch ganz geheim bleibt, aber mich hat er beauftragt, Ihnen sein Schreiben mitzuteilen."

JustuS trat näher zu Günther und legte seine Hand auf die Schüller des Enttäuschten. «Fassen Sie sich, Graf Günther, Sie sind jung. Verlieren Sie auch die Aussicht auf ein großes Erbe, so bleibt Ihnen doch sicher die Gunst Ihres Oheims, wenn sie dieselben zu schätzen wissen. Lernen Sie Haushalten mit Ihrem Besitz, und suchen Sie Ihr Glück nicht in Verschwendung und Genuß."

»Sie wissen nicht, wie schwer es mich gerade jetzt trifft," gab Günther weh­mütig zurück.

«Ist es um Gertrud FeldenS willen?" forschte JustuS, und 'eine dunkle Blutwelle, die in Günthers Antlitz aufstieg, zeigte ihm, daß er das Richtige getroffen.

«Nun, beruhigen Sie sich," fuhr Justus fort. «Ein Mädchen, das Sie um Ihres Erbes willen liebt und wählt, ist nicht dasjenige, welches Sie beglücken kann."

»Ach was Teufel auch, ein armer Offizier kann nicht ans Heirate» denken, und Dollar, Gertrud Felden muß meine Frau werden. Ich gedachte ihr den Himmel auf die Erde zaubern zu können, wenn ich der Erbe meines OheimS ge­worden, so werde ich matten können mit meiner Werbung um ihre Hand, bis ich grau geworden bin, wenn sie mich dann noch will."

»Wenn die schöne Stolze Sie liebt, dann wartet sie auch. Und nun adieu, Lassen Sie den Kopf nicht hängen, ich muß zu Rosa Felden gehen."

Sie schieden von einander mit einem Händedruck. Er konnte JustuS nicht

zürnen darüber wunderte sich Günther Schönburg, als er allein war. am meisten. Er gab zu, daß der Arzt ein« ganz sellsame Gewalt über ihn besaß, und dies« Ge­walt lag in seinen Augen. Er grübelte jetzt wieder vergebens nach, wann und wo er dieselben gesehen hatte. Dann aber befiel ihn wieder die Bitterkeit seiner großen Enttäuschung. ES ward ihm unendlich schwer, den Gedanken aufgrbrn z» müssen, der Erb« de« Majorat« zu werden.

Er seufze tief auf, so wie er noch nie im Leben geseufzt, und schritt rasch in sein Arbeitszimmer. Er wühve in einem Fach« des Schreibtisches, das er ge­öffnet hatte und zog dann einen versiegelten Brief daraus hervor. Einen Augen­blick drehte er das Schreiben in seiner Hand. Jugenderinnerungen stürmten auf ihn ein; er sah seinen Vater, seine Mutter, sah sich als Kind, als Knabe, gehätschelt, geliebt von beiden. ES wurde ihm weich umS Herz. Er fühlte plötzlich, daß er unendlich viel Glück genossen im Leben, daß er nur im Sonnenschein gewandelt war, und jetzt umwehte eS ihn kalt wie der Flügelschlag des Schicksals, das seine« Leben eine Wendung brachte.

Hastig öffnete er den Brief seine» Vaters.

«Mein teurer, geliebter Sohn!"

stand da von seines Vater« Hand geschrieben, und e« war Günther, als höre er die Stimme des längst Gestorbenen wieder in seinen Ohren tönen. Er kämpfte ge­waltsam mit einer Weichheit. die ihm fremd war, die ihm unmännlich erschien« Dann setzte er sich in einen Lehnstuhl und las die Zellen, die sein Vater ihm hinter­lassen, aus denen eine große Liebe und Zärtlichkeit für ihn sprach.

Das Schreiben enthielt nichts Wichtiges, und Günther war etwas enttäuscht von dem Inhalt. ES waren Trostworte und gute Lehren, die sein Vater ihm spen­dete für den Fall, daß er nicht Graf Erichs Erbe werden sollte, sonst nichts. Er riet dem Sohne, die militärische Laufbahn weiter zu verfolgen, da eS die einzige Aussicht war, die das Lebm ihm bot.

Günther fastete das Schreiben zusammen und steckte eS wieder in das Ciuoert,