92
«in Landwirt am Bodensee ein Mädchen mit 8000 Mark Vermögen zu ehelichen suche, diesem, um ihn zur Heirat mit ihr zu bestimmen, ein selbst verfaßtes, amtlich beglaubigtes (natürlich gefälschtes) Schriftstück übergeben, wonach sie ein Vermögen von 7600 Mark zu erhoffen habe, wahrend sie in Wirklichkeit weder Vermögen besitzt, noch zu erhoffen hat. Die Heirat kam jedoch nicht zustande. Die Strafkammer verurteilte die Heiratslustige zu 5 Monaten Gefängnis.
Berlin, 18. Febr. In der Audienz deH Bundes der Landwirte bei dem Kaiser wurde eine Adresse verlesen, worin im Namen von 200 000 Landwirten Gehör für die Notlage der Landwirte erbeten wurde. Seine Majestät der Kaiser antwortete: Zum Beweis, wie ernst es ihm um das Wohl der Bauern zu thun sei, möge dienen, daß das Kaiserwort, seine Thür stehe jedem Unterthanen offen, keine leere Formel sei. Die vorjährige Agitation, welche weit über den Rahmen des Zulässigen hinausgegangen, habe sein landesväterliches Herz gekränkt. Der heutige Tag habe dieses Vergehen wieder gut gemacht. Seine Majestät der Kaiser erhofft von den Beratungen des Staatsrats Ersprießliches für die Landwirtschaft. Möchten sich aber die Herren der sensationellen Agitation enthalten.
Berlin, 19. Febr. Der Lokalanzeiger meldet aus Hamburg: Gegen fünf angebliche Anarchisten, frühere Mitglieder des aufgelösten Anarchistenklubs „Libertö" hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen Geheimbündelei erhoben.
Berlin, 19. Februar. Zur Beisetzung des Erzherzogs Albrecht wird auf Befehl des Kaisers Wilhelm sich eine Deputation des Grenadierregiments Nr. III, dessen Chef der Verstorbene war, nach Wien begeben. Auch hat der Kaiser für das Regiment mehrtägige Trauer angeordnet.
Berlin, 19. Februar. Zur Verstärkung in Deutschostafrika begiebt sich heute, dem Lokalanzeiger zufolge, ein Kommando unter Führung des Lieutenants Cholditz nach Deutschostafrika.
Berlin, 19. Febr. An der Huldigungsfahr t der deutschen Studentenschaft aller Universitäten »ach Friedrichsruh werden von Berlin aus gegen 400 Komilitonen teilnehmen.
Wien, 19. Febr. Die Blätter midmen dem Erzherzog Albrecht hier und in Budapest die wärmsten Nachrufe. Durch den Tod wurde der Fasching vorläufig unterbrochen. Es sind bereits mehrere große Bälle abgesagt oder verschoben worden.
Arco, 18. Febr. Die letzten Stunden des Erzherzogs Albrecht waren durch große Atemnot qualvoll. Bereits am Samstag '/-6 Uhr Abends kommunizierte der Sterbende; er ließ seine ganze Dienerschaft ins Zimmer rufen und derselben nach genommenem Abschiede durch seinen Adjutanten General Baron Piret danken für alle treuen Dienste und so «r etwa, wenn auch nur mit einem Worte, Jemand
beleidigt habe, um Verzeihung bitten. Das ganze Reich verliert an dem Vollendeten einen ebenso edlen Mann, als bedeutenden Feldherrn. Der Kurort Arco betrauert in ihm einen väterlichen Gönner und Fürsorger. Die Verehrung und Beliebtheit des Ver- storbeiien ist ungeteilt, die tiefgehende Trauer eine allgemeine.
— Aus London, 18. Febr.: Die Leiche des beim Untergang der „Elbe" um's Leben gekommenen Fabrikanten Walter Schüll aus Düren, für deren Auffindung eine Belohnung von 200 Pfd. St. ausgesetzt war, ist gestern bei Dungeneß von dem Schiffer William Tard aufgefunden worden. Bei der Leiche wurden 5 Hundertmarkscheine, eine goldene Uhr, ein Ring mit der Aufschrift Emmy Schüller, 7 Gold- und 8 Silbermünzen, sowie andere Gegenstände vorgefunden. Die Leiche trug einen mit „Elbe" gezeichneten Rettungsgürtel.
London, 19. Febr. Die „Times" meldet aus Port au Prince, daß die Stadt Port de Paix durch eine Feuersbrunst zerstört wurde. 500 Häuser sind niedergebrannt, etwa 50 stehen noch. Sämmt- liche Faktoreien sind zerstört. Der Schaden wird auf 15 Millionen geschätzt. Das deutsche Handelshaus Kainer u. Cie. hatte allein Waren in Magazinen für über 100,000 Franken. Ferner gehörten der Firma die meisten Häuser durch Hypotheken. Kainer
u. Cie. waren auch die einzigen, welche ihr Eigentum bei einer New-Dorker Versicherung versichert hatten.
Peking, 18. Februar. Der Kaiser von China erteilte dem Statthalter der Provinz Schan- Tung den Befehl, alle Flüchtlinge aus Wei- Hai-Wei enthaupten zu lassen. Hauptmann
v. Hanneken ist bemüht, die Erstattung einer größeren Summe, die er vorgiebt für die Vorbereitung zur Verteidigung der Hauptstadt verwandt zu haben, von der chinesischen Regierung zu erlangen. Der deutsche Geschäftsträger hat sich bis jetzt vergeblich bemüht, die Bewilligung der Ansprüche des Hauptmanns im Tsung-Li-Uamen durchzusetzen.
Zur Wahlstatistik. Die 70 durch das allgemeine Wahlrecht neugewählten Abgeordneten verteilen sich nach den Berufsständen wie folgt:
14 Juristen:
g.) Richter und pens. Richter: Nieder, v. Geß, Kiene, Gröber, v. Hohl f5s, b) Anwälte: Payer, C. Haußmann, Nembold, F. Haußmann f4s,
(dazu unter anderen Rubriken aufgeführt: Frhr. v. Mittnacht, v. Abel, v. Balz, Hartranft- Freudenstadt, Schick f5s),
10 Schultheißen: v. Abel, Rathgeb, Haug, Haffner, Hartranft, Schürer, Sachs, Krug, Schick, Rath,
10 Landwirte: Aldinger, Stockmayer, Maurer, Hege, Schock, Hartmann, Spieß, Gebert, Ellinger, Beutel,
9 Fabrikanten: Kraut, Mayser, Kraus, Käß, Commerell, Bürg, Henning, Hähnle. Erhardt,
6 Kaufleute: Schweickhardt, Betz, Lang, Binz, Schuhmacher, Bueble,
5 Handwerksmeister: Münzing, Beurlen, Schmid, Weidlc, Storz,
3 höhere Staatsbeamte: v. Mittnacht, v. Luz, v. Balz,
3 Wirte: Schach, Tag, Scheer,
3 Journalisten: Schmidt, Eckard, Schrempf,
3 Baumeister: Gabler, Vogler, Rapp,
3 Philologen: Klaus, Hartranft,
2 Volksschullehrer: Nußbaumer, Egger,
2 Berufspolitiker: Kloß, Glaser,
1 Geistlicher: Eggmann,
1 Tierarzt: Dentler,
1 Bankbeamter: Schnaid. (St.-Anz.)
Uermischtes.
Calw. Wahl-Humoristisches. Welch tiefes Verständnis doch manche Wähler den Ausführungen ihrer Wahlredner entgegenbringen! Sitzen da am Vorabend der Stichwahl, nach der Haußmann« 'scheu Wählerversammlung noch einige ländliche Wähler aus der Nachbarschaft zu einem Schoppen zusammen und debattieren eifrig über die eben gehörten Reden. Haußmann glaubte einen unbequemen Interpellanten zum Schluß mit den Worten abfertigen zu können: „Denn es stehet geschrieben, wer in einem Glashause sitzt, der soll nicht mit Steinen werfen". Einer von unfern beiden Wählern meinte nun: „Der Haußmann Hot aber a schöne Red g'halta, und wie er erst dem N. heimg'leucht' hat; z'letzt hat er au no g'sagt, den sollt' mer en a Glashaus setze und mit Steiner noch em schmeiße! —V.—
sEine Wahlanekdote vom 1. Febr.) Ein braves, friedliches Bäuerlein in einem kleinen Dorf, nicht dahinten in der Welt, wo Füchse und Hasen einander „Gute Nacht" sagen, sondern mitten im Lande, hat vier Wahlzettel mit vier verschiedenen Namen ins Haus geliefert bekommen. Das ist viel Ehre. Zwar kennt er keinen der Kandidaten; ihre Wahlreden waren ihm zu hoch, ihren Standpunkt klar zu beurteilen, maßt er sich nicht an. Das mögen die studierten Herren thun. Jetzt wen wählen? Fragen mag er niemand, wenn es auch nichts kosten würde. Erkenntlich will er sich auch zeigen, daß man ihn mit vier Wahlzetteln beehrte, und jedenfalls keinen beleidigen. Also was thun? Die vier Zettel werden auf den Tisch gelegt und umgedreht, so daß man keinen Namen sieht. Und nun — aus der Wolke ohne Wahl zuckt der Strahl. Blindlings nimmt er einen Zettel und trägt ihn zur Wahlurne. Erst wie er nach Hause kommt, besieht er die drei übrigen Zettel, um nachzusehen, wen er eigentlich gewählt hat. Am Abend findet man einen Wahlzettel auf einen Sozialdemokraten in der Urne, ein roter Rabe unter lauter schwarzen. So geschehen den ersten Februar 1895, zur Zeit des allgemeinen Wahlrechts!
(Schw. M.)
Reklamet-U.
Vitt« proki!«r«i> 81« ck««I» «kl« „I*«r1- 8«1kv":
Lange saß er und grübelte. Wie Gertrud eS aufnehmen würde, wenn er ihr sagte: „Ich bin nichts als ein vermögensloser Offizier, und von der Gnade meines Oheims hängt es ad, ob Du mein Weib werden kannst,* das machte ihm schwere Sorgen.
Unruhig ging er im Zimmer umher. Wenn sie ihn liebte, wirklich, wahrhaftig liebte, dann war sie zufrieden mit dem LoS, daS er ihr bieten konnte, wenn sein Onkel großmütig war und diese Heirat gestattete. Es wurde ihm schwer, sich an den Gedanken zu gewöhnen, die Residenz zu verlassen und in eine kleine Garnison zu übrrfiedeln; aber Gertrud war dann seine Gemahlin, und schließlich konnten sie in einer kleinen Stadt auch ein sehr angenehmes Gesellschaftsleben führm. Er war bereit, Gertrud das Opfer zu bringen und die schöne Residenz zu verlassen mit ihrem berauschenden Leben, um ihretwillen. Er schüttelte selbst das Haupt über seine Wandlung. Die Landluft hatte ihn sentimental gemacht, meinte er. und in feinem Ohr flüsterte der Versucher: „Fliehe von hier, fliehe Gertrud Felde» und führe Dein altes, fiotteS Junggesellenleden ruhig weiter, statt ein gesetzter Ehemann zu werden!"
Sonderbar, wie schal, wie leer dünkten ihm plötzlich die Freuden des Junggesellenlebens! Mit vollen Zügen hatte er dieselben genoffen, und schon merkte er die Hefe, die auf dem Grund des Bechers lauerte, der ihm noch vor ganz kurzer Zeit unergründlich tief gedünkt. Er lachte über sich selbst und nannte sich verliebt üb« all, Maßen.
In seinen Traum hinüber nahm er daS Bild des schönen, stolzen Mädchens, das es ihm angethan.
XI.
Am anderen Morgen beim Frühstück übergab Günther Schönburg Doktor JustuS den Brief seines Vaters. „Sie sehen, mein Vater sah den Fall einer Ehe meines OheimS voraus und wünscht, daß ich Militär bleibe. Ich möchte wissen, was mem Oheim für eine Meinung hat. Ich will mich gern seinen Wünschen jügen, — wenn er einwilligt in meine Heirat mit Fräulein von Felde»."
Der junge Graf würgte etwas an den letzten Worten und sah den Arzt nicht an dabei; er hätte sonst gewahrt, daß dieser erblaßte und sich auf die Lippen biß. „Hat die Baroneß Sie schon erhört?" fragte er kleinlaut.
„Noch habe ich sie nicht sprechen können, aber jetzt muß ich eS, sobald ich weiß, wie mein Oheim über diese Verbindung denkt; ich bin abhängig von ihm, wie Sie wissen, Doktor!"
JustuS war aufgestanden und ging erregt im Zimmer auf und nieder; dann stand er plötzlich vor Günther still und sprach mit eigentümlich bewegter Stimme: „Und wenn Ihr Oheim nicht einwilligt in diese Verbindung. waS dann?"
Günther drehte unablässig seinen Schnurrbart zwischen den Fingern der linken Hand, blickte zum Fenster hinaus nach Felde» hinüb« und schwieg lange. Es that ihm plötzlich weh in der Brust bei dem Gedanken, Gertrud Felde» entsagen zu müssen, und leise, wie nur zu sich selbst sprechend, sagte er: „Ich wäre sehr unglücklich!"
Justus hörte es und blickte forschend zu Günther hinüber, der so anders geworden, seit er wußte, daß seine stolzen Hoffnungen auf das Erbe des Grafen Schönburg zertrümmert waren. So weich hatte ihn JustuS noch nicht gesehen, so ohne Hochmut gegen ihn, den Arzt seines Onkels.
Und Günther wunderte sich selbst, daß er so vertraulich mit Doktor Justus sprach und ihm sein Herzensgeheimnis ganz enthüllte. „Er hat doch eine seltsame Macht über mich," dachte jetzt der junge Graf und blickte Justus lange an, dann nulte er mit dem Kopfe.
„Was denken Sie jetzt, Graf Günther?" fragte Justus, dem es nicht entging, wie forschend des Grafm Blick an ihm hing.
„Ich frage mich jetzt, wie schon oft, wann und wo ich Sie schon gesehen? Daß ich Sie früher schon gesehen, ist mir klar; aber es muß lange her sein. Helfen Sie mir, Sie wissen cs vielleicht besser als ich, Doktor!"
(Fortsetzung folgt.)