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gestiegen. Das Vereinsvermögen beträgt dermalen ca. 3160 Mk. Die Einnahmen beliefen sich letztes Jahr auf 10237 Mk., die Ausgaben auf 6676 Mk.
Stuttgart, 4. Febr. Unter den beklagenswerten Opfern des untergegangenen Dampfers Elbe befand sich auch ein junger Stuttgarter, nämlich der 15'/, Jahre alte Sohn Friedrich der in der Wörthstraße 13 wohnenden Jngenieurswitwe Reichspfarr. Der junge Mann, welcher gerade die Schulzeit vollendet hatte, gedachte bei seinem Bruder in Amerika, der in einer größeren Gärtnerei des ebenfalls aus Stuttgart stammenden Herrn Neuner angestellt ist, sich in diesem Fache auszubilden. — Von weiteren verunglückten Passagieren aus Württemberg wird dem „N. T." der 36 Jahre alte verheiratete Schreiner Georg Henne von Feuerbach namhaft gemacht. Derselbe war vor 7 Jahren nach Amerika ausgewandert und vor einigen Monaten ohne Familie hierher zurückgekehrt, um hier eine Stellung zu suchen. Da ihm dies nicht gelang, wollte er vor 8 Tagen mit der Elbe, dem gleichen Schiff, das ihn damals nach Amerika gebracht hatte, wieder zurückkehren. Ein nachher eingetroffener Brief, der die schwere Erkrankung seiner Frau mitteilte, ist nicht mehr in seinen Besitz gekommen. Jetzt betrauert die arme Frau mit 5 unversorgten Kindern den Verlust ihres so frühzeitig aus dem Leben gerufenen Gatten.
K Wurmberg OA. Maulbronn. Ein Igjähriger hies. Bursche wurde hinter Schloß und Riegel gebracht. Er hat einen verheirateten hiesigen Taglöhner mit einem Stock nicht unerheblich verletzt und mit einem dolchartigen Messer ernstlich bedroht.
Besigheim, 4. Febr. Auf dem Bahnhof Kirchheim ereignete sich gestern Nacht ein gräßliches Unglück. Ein junger Beamter von der Seidenfabrik Bönnigheim kam mit Zug 10,15. von Heilbronn dort an. Sei es nun, daß er zu früh oder zu spät aussteigen wollte, er glitt aus, hielt sich aber noch an dem angehängten Güterwagen mit dem Oberkörper, während die Räder den Unterkörper unterhalb des Brustkorbs abtrennten. Als der Zug hieher kam, hing der Oberkörper noch an dem Güterwagen eingeklemmt, von wo er abgenommen und in den Güterschuppen verbracht wurde.
Fluorn (Obdrf.), 1. Febr. Ein Zeichen der bittern Not, in die unsere Tierwelt und insbesondere unsere Vögel durch die reichen Schneefälle dieses Winters geraten, mag darin erblickt werden, daß gestern am Hellen Tage unter einer innerhalb des Dorfes sich befindenden Brücke 3 Gänse von „Raben" überfallen Und durch deren kräftige Schnabelhiebe getötet wurden, um sodann von den hungrigen Räubern größtenteils aufgefressen zu werden. Dasselbe Schicksal drohte Tags zuvor einem größeren Feldhasen, der sich nur dadurch rettete, daß er ins Dorf rannte, wohin ihm die mißtrauischen Jäger denn doch nicht zu folgen wagten und sie deshalb von der weiteren Verfolgung abließen.
H Heidelberg, 5. Februar. Vergangene Nacht ist das ganze Gebäude-Complex des Schiffer- decker'schen Cementwerkes niedergebrannt. Ca. 1000 Arbeiter sind in Folge dessen brotlos geworden. Die Ursache der Entstehung des Brandes ist noch unaufgeklärt.
Nürnberg, 4. Febr. Der Redakteur der beschlagnahmten sozialdemokratischen „Tagespost" wurde verhaftet.
Leipzig, 5. Febr. Die Polizei verhaftete gestern den 29jährigen Kaufmann Oschätz, welcher unter dem Namen Werner und Baum in Köln und Frankfurt große Betrügereien verübt hatte. Oschatz verbüßte erst kürzlich eine 5jährige Zuchthausstrafe.
Berlin, 4. Febr. Die Erschießung eines Arbeiters Müller durch den Militärposten in Tegel hat zu bedauerlichen Ausschreitungen gegen das Militär geführt. Als am Donnerstag ein aus einem Unteroffizier und 23 Mann bestehendes Kommando des Garde-Füsilier-Negiments die Wache am Puloer- schuppen ablösen wollte, fuhr ein Müllkutscher, dessen Persönlichkeit nicht festgestellt worden ist, absichtlich im Trabe in das Kommando hinein. Die gefährdete Mannschaft wurde darüber so erregt, daß sie den Kutscher verdientermaßen züchtigte. Noch weit ernster ist ein Vorgang, der sich in der Nacht zum Freitag in der Umgebung des Pulverschuppens abspielte. Als der Offizier der Ronde die Wache kontrollieren wollte, wurde er auf dem Wege dorthin von vier zweifelhaften Gestalten, die Stöcke bei sich führten, hart bedrängt. Es gelang ihm die Wache zu erreichen und diese unter Gewehr treten zu lassen. Leider war es nicht möglich, die Strolche dingfest zu machen. Infolge dieses Vorkommnisses ist die Wache am Freitag vorläufig auf 40 Mann verstärkt und an jeden dorthin kommandierten Soldaten sind 15 scharfe Patronen verausgabt worden. Zu welchem Zweck der Arbeiter Müller sich an dem Fenster des Schuppens zu thun machte, hat sich bisher nicht feststellen lasten. Man hält aber die Möglichkeit nicht für ausgeschlossen, daß er eine Explosion des Schuppens herbeiführen wollte.
Berlin, 5. Febr. Die Nordd. Allg. bringt einen Leitartikel über die Landtagswahlen in Württemberg und schreibt die Niederlage der deutschen Partei den angeblichen süddeutschen Verstimmungen zu, welche die Wähler ungünstig beeinflußt habe. — Die Reichstagskommission für die Umsturzvorlage vertagte nach längerer resultatloser Debatte die Weiterberatung auf Mittwoch.
Berlin, 6. Febr. Nach einer Meldung des „Lokalanz." aus Hamburg steht nunmehr fest, daß der hiesige Dampfer Milos im atlantischen Ozean untergegangen und die Besatzung von 53 Mann ertrunken ist.
— (Untergang der Elbe.) Am Samstag nachmittag sind die geretteten Mannschaften in Bremen angekommen. Sie wurden beim Lloyd einem
vorläufigen Verhör unterzogen. Die Leute begreifen gar nicht, — so schreibt man der „Köln. Ztg." — daß Vorwürfe gegen sie erhoben werden. Zunächst mußte der dritte Offizier Stollberg auf alle Fälle in das Boot. gehen, denn ihm hatte Kapitän v. Gössel den Befehl erteilt, die Führung des Bootes zu übernehmest. Zuerst glaubten die Leute, die „Elbe" würde sich länger halten,' als sie dann aber das schnelle Nahen des Endes bemerkten, retteten sie ihr Leben, so gut sie konnten und sprangen in das Boot hinein. Diejenigen, die am Deck in Dienst waren, sind alle umgekommen; sie harrten bis zuletzt auf ihrem Posten aus. Was die Ursache des Zusammenstoßes betrifft, so mußte der Kapitän v. Gössel seinen Kurs nach den Gesetzen zur See beibehalten, denn jeden Augenblick konnte die „Crathie" ausweichen, wenn sie auch lange zögerte. Auf der schwierigen Kanalfahrt wird allemal die äußerste Vorsicht beobachtet, der Kapitän kommt kaum von der Brücke, leider aber sind die kleinern englischen Schiffer furchtbar gleichgiltig. Wie die Mannschaft weiter erzählt, hat die „Crathie" den Lloyddampfer „schräg" gerannt und dabei eine Wand, die zwei wasserdichte Abteilungen trennt, zerstört. Nun drang das Wasser in beide und machte das Hinterteil des vollbeladenen Dampfers so schwer, daß das Vorderteil in die Höhe gehoben und endlich mit Gewalt nachgezogen wurde. Es war der unglücklichste Stoß, den man sich denken kann. Nach überwiegender Ansicht der Mannschaft sind viele Passagiere in die Tiefe gegangen, ohne daß ihnen der ganze Sachverhalt klar wurde. Viele Zwischendecker müssen gar keine Ahnung von dem Bevorstehenden gehabt haben und die meisten Kajüt- paffagiere sind sofort ertrunken, als nach dem Zusammenstoß das Master in die Kajüten stürzte. Man hätte kurz vor der Schlußkatastrophe noch so viele Boote aussetzen können, sie wären bei dem furchtbaren Wogenwirbel, der beim Wegsacken eines so großen Dampfers entsteht, in die Tiefe „gesogen" worden; nur die Boote, die etwas weiter entfernt sind, können sich retten. Einige-Gerettete behaupten übrigens, alle Pastagiere wären notdürftig bekleidet auf dem Deck versammelt gewesen. Das Maschinenpersonal war noch 10 Minuten nach dem Zusammenstoß an den Maschinen thätig und begab sich dann wegen des Wasierandrangs nach oben. Die Mannschaften sprechen mit großer Wärme von ihrem Kapitän. — Die Verlustliste ist inzwischen noch größer geworden. Zunächst sind noch 20 Kinder hinzuzuzählen, die in den Pastagierlisten nicht mit aufgeführt werden. Sodann haben in Nordenham noch mehrere Leute das Schiff betreten, die vorher kein Reisegeld bezahlten und daher nicht in der Liste geführt wurden. Es sind das Mannschaften für die der Reederei E. Tobias in Barke gehörige Bark „Adele", die in Cherbourg liegt.
Bremen, 5. Febr. Heute früh um 5 Uhr traf bei der hiesigen Oberpostdirektion der von einem Ostender Fischer aufgefundene Briefsack der unterge-
Drüben in Felden sah es traurig aus. Die kümmerlichen Halme lagen gebrochen. geknickt, und jammernd blickten die Armen auf die vernichtete Ernte, die ihnen das notwendigste Brot geben sollte. Eine Hoffnung war vernichtet; aber um so dankbarer, zuversichtlicher blickten sie hinüber zu dem sich lang hinstreckenden Ziegrlbau, zu dem kühn emporragenden Schornstein, der eine neue, große Hoffnung für sie barg, die keine zufällige Wettsunbill ihnen rauben konnte.
Günther Schönburg ritt an der Sette von Doktor Justus aus dem Schloß hinüber gegen Felden.
Die Leute aus Felden, die beide sahen, standen sinnend und blickten den Rettern nach.
Freundlich, zutraulich hatte Doktor JufluS sie begrüßt; der junge Graf hatte kaum stolz genickt, was ging ihn das armselige Volk an! Finster ruhten die Blicke der Weiber auf dem schmucken jungen Mann, der prächtig zu Pferde saß, den Kopf stolz und hoch gehoben, den Blick lässig über die Menschen gleücn lastend, die ihn ehrerbietig grüßten.
In die neue Zuversicht, in ihre frohe Hoffnung mischte sich ein bitterer Wermutstropfen. ES befiel sie, die gewohnt waren, mü Angst und Sorgen in die Zukunft zu schauen, ein beklemmendes AhnungSgesühl, daß sie von dem jungen Grafen, dem mutmaßlichen Erben von Schönburg, nichts zu hoffen hätten.
Seit Jahren war er aufs Schloß gekommen, hatte fröhliche Jagd gehalten und Zechgelage gefeiert, von denen man sich Wunderdinge erzählte, aber an Felden, an die Armut, die dicht bei dem Schloß ihre Heimat aufgesckilagen, hatte er nie gedacht. Er hatte darüber hinweg gesehen; was ging es ihn an, wie die Armen in Felden lebten, die das Holz aus dem reichen Schönburger Forst stahlen, um Nicht zu erfrieren, und manch feisten Rehbock schon erlegt hatten, nicht etwa ihn zu braten, sondern um ihn nach der Stadt zu schaffen, damit sie im Winter Schuhe an den Füßen tragen konnten.
„Gesindel, Wild- und Holzdiebe," nannte er die Felder,«, die der schweren, bitteren Not gehorchten, der größten Not, die zum Verbrechen führt.
Doktor Justus glaubte die Gedanken erraten zu können, die sich in den finsteren Mienen ausdrückten, mit denen die Leute in Felden den jungen Grafen an sein« Seite empfingen, in dem sie den Erben des Grafen Schönburg zu sehen gewohnt waren.
Doktor JufluS suchte Günther Schönburg für den Bau der Fabrik zu interessieren ; dieser jedoch hörte nur mit halbem Ohr zu und unterdrückte ein Gähnen, daS beredt genug seine Langwelle kund that. „Bitte Sie, Doktor, verstehe nicht» davon, will nichts davon verstehen. Erschrecklich nüchtern solch ein Fabrikbau, der Blick darauf wird wir die Aussicht von der Terrasse in Schönburg verderben. Kommen sie zu der Baronin, bin begierig, wie dir schöne Gertrud mich empfängt."
Gertrud Felden sah beide kommen, Doktor Justus mit dem jungen Grafen. »Ah, Günther Schönburg," entfuhr e» ihren Lippen, und ein Schein Heller Freude flog über ihr Antlitz.
„Was ist's mit Günther Schönburg?" frug Rosa aus ihrer Hängematte und ließ die Arbeit sinken, die sie in den Händen hielt. EL war ein grober, grauwollener, klein« Strumpf, der ihren zarten, weißen Händen entglitt; er war für die Kinder im Dorfe bestimmt. Mit großen, brennenden Augen blickte sie auf Justus, wie er sich vom Pferde schwang und langsam, beinahe zögernd hint« Günther herbeikam, seine Blicke nur auf Gertrud gerichtet, mit einem Ausdruck, d« Rosa verriet, daß zwischen beiden etwas vorgegangen war. Sie legte die Hand auf die Brust und biß sich auf die Lippen, als sie sah, wie auch Gertrud, die Stolze, einen Moment die Farbe wechselte beim Händedruck des ArzteS, der ihr, Rosa, läng«, viel länger «schien als sonst. Gertrud duldete es schweigend; sie entzog ihm nicht jäh ihre Hand, sie senkte nur eine Sekunde ihre Augenlider und mied den Blick deS ArzteS, der fragend an ihrem Antlitze hing. Dann hatte sie rasch den Ton leicht« Konversation gesunden, mü dem sie den Grafen begrüßte.
(Fortsetzung folgt.)