17. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw. 70. Jahrgang.
Erscheint Dien«S t«g, Donnerstag und SamStag. Die MnrückungSgebühr beträgt im Bezirk und nächster Um- tzedaug S Pfg. di« Aeiie, sonst 12 Psg.
Donnerstag, den 7. Februar 1895.
LbonnementSprei» »tertelMrttch in der Stadt -0 Pfg. und SV Pfg. Trägerlohn, durch die Post bezogen Mk. 1. 1b saust i» ganz Württemberg Mr. 1. SL.
Tagesneuigkeiten.
(Amtliches aus dem Staatsanzeiger.j Se. Majestät der König haben die Verlegung des Sitzes des Kameralamts Reulhin nach Herrenberg und die Gleichstellung der Kameralamtsbezirke Altensteig, Freudenstadt, Herrenberg, Hirsau, Horb, Neuenbürg, Tübingen, Blaubeuren und Münsingen mit den Oberamtsbezirken Nagold, Freudenstadt, Herrenberg, Calw, Horb, Neuenbürg, Tübingen, Blaubeuren und Münsingen genehmigt.
In Folge hievon werden zugeteilt:
dem Kameralamt Alten steig die bisher zum Kameralamt Reuthin gehörigen Gemeinden Nagold, Effringen, Emmingen, Gültlingen, Haiterbach, Jselshausen, Oberschwandorf, Schönbronn, Sulz, Unterschwandorf und Wildberg und die bisher zum Kameralamt Horb gehörigen Gemeinden Oberthalheim, Schietingen und Unterthalheim;
dem Kameralamt Freuden st adt die bisher zum Kameralamt Alten steig gehörigen Gemeinden Edelweiler, Göttelfingen, Gröm- bach, Hochdorf und Wörnersberg;
dem Kameralamt Hirsau die bisher zum Kameralamt Altensteig gehörigen Gemeinden Aichhalden, Bergorte, Hornberg, Martinsmoos, Neuweiler und Zwerenberg
uud die bisher zum Kameralamt Reuthin gehörigen Gemeinden Altbulach, Liebelsberg, Neubulach And Oberhaugstett;
dem Kameralamt Neuenbürg die bisher zum Kameralamt Hirsau gehörigen Gemeinden Beinberg, Bieselsberg, Jgelsloch, Maisenbach, Oberlengenhardt, Schömberg, Schwarzenberg und Unterlengenhardt;
dem Kameralamt Herrenberg die bisher zum Kameralamt Tübingen gehörigen Gemeinden Altingen, Breitenholz, Entringen, Kayh, Mönchberg, Oberndorf, Pfäffingen, Poltringen, Neusten und Unterjesingen;
dem Kameralamt Münsingen die bisher zum Kameralamt Blaubeuren gehörigen Gemeinden Feldstetten, Laichingen und Sontheim.
Mit der vorstehenden Neueinteilung der Kameralamtsbezirke treten gleichzeitig auch in dem Bezirksumfang der zugehörigen Bezirksbauämter und Umgeldskommissariate die entsprechenden Aenderungen ein.
Vorstehende Bezirkseinteilung der Kameralämter tritt mit dem 1. April 1895 in Wirkung.
Von demselben Zeitpunkte an wird die Erhebung der Einnahmen und die Leistung der Ausgaben für das Forstamt Wildberg dem Kameralamt Reuthin abgenommen und dem Kameralamt Alten steig zugewiesen.
Endlich werden rücksichtlich der Erhebung der Einnahmen und Leistung der Ausgaben zugeteilt: dem Kameralamt Hirsau das bisher dem Kameralamt Reuthin zugewiesene Forstrevier Stamm he im; dem Kameralamt Alten steig die bisher dem Kameralamt Reuthin zugewiesenen Forstreviere Nagold und Wildberg; dem Kameralamt Neuenbürg das bisher dem Kameralamt Alten steig zugewiesene Forstrevier Enzklösterle.
— In Nagold hat am 27. Januar d. Js. der beinahe 16 Jahre alte Wilhelm Nuding seiner Mutter, der Doktors-Witwe Nuding daselbst, aus
deren Wohnung in ihrer Abwesenheit 23000 ^ in Wertpapieren samt den zugehörigen Koupons und zu weiteren 16000 ^ die Koupons gestohlen. Er hat sich mit diesen Wertpapieren flüchtig gemacht und am 28. Januar von denselben in Stuttgart zu veräußern gesucht. Da die Bestohlene die genaue Bezeichnung der gestohlenen Wertpapiere zu geben vermochte und entsprechende Nachricht an die Bankiers ergangen ist, steht zu hoffen, daß der Verkauf nicht gelingt und der verfolgte Thäter beigebracht wird.
(Staatsanz.)
Stuttgart, 2. Febr. (Württ. Obstbau- Verein.) Nach altem Brauche tagte auch Heuer wieder am Lichtmeßfeiertag die Generalversammlung des Württ. Obstbauvereins im Stadtgarten-Saale. Aus dem Bericht ist hervorzuheben, daß die Zahl der ertragsfähigen Obstbäume in Württemberg in 1893 betragen hat 3 567505 Apfelbäume, die 1549664 Doppelzentner mit einem Geldwert von 8128193 Mark abwarfen, ergiebt auf den Baum einen Ertrag von 2 Mk. 28 Pfg. Die Zahl der Birnbäume ist auf 1757191 gestiegen, die 774103 Doppelzentner mit einem Geldwert von 2802103 Mk. eintrugen; Steinobstbäume gab es im genannten Jahre 330 345, die 174949 Doppelzentner mit einem Geldwert von 1514502 Mk. ergaben. Im ganzen hat sich die Zahl der Obstbäume gegenüber dem Vorjahr um 180926 Stück und seit dem Jahr 1889 um 525835 Stück (478399 Kern- und 47436 Steinobstbäume) vermehrt. Die Einfuhr von Obst nach Württemberg betrug im Jahr 1894 6659 Wagen. Rechnet man den Zentner nur zu 4 Mk. so ergiebt sich als Geldwert für das importierte Obst die bedeutende Summe von 5327000 Mk. - Die Mitgliederzahl des Obstbauvereins ist seit einem Jahr von 900 auf 930,
güachdruck »erboten-I
Der Sonderling.
Roman von P. Felsberg.
(Fortsetzung.)
,11m ihre Liebe werben, ihre Gunst —" erwiderte feurig der junge Mann.
«Und um ihre Hand?" fügte Doktor Justus fragend hinzu.
.Je — nun — daran habe ich noch nicht gedacht — wer denkt auch zuerst anS Heiraten. Doktor. Sie kennen dir Welt wenig. Man liebt, unterhält sich, aber gleich heiraten ist unpraktisch — hat noch Zeit. — Auch muß ich Geld haben, eine reiche Frau — sie braucht nicht so klug zu sein, wie Gertrud Felder,. Mein Onkel könnte mich doch noch lange warten lassen auf die Nachfolge im Majorat."
Es flammte auf im Gesicht des Arztes, sein Auge blitzte Günther an, daß dieser einen Augenblick stockend innehielt. Was mochte der Doktor wohl haben, daß er ihn zuweilen so ansah mit einem Blick, der ihn niederschmettern zu wollen schien, fragte sich Günther Schönburg; aber der Gedanke kam ihm nicht, daß der Arzt das Mädchen lieben könnte, von dem er so sprach.
Doktor Justus beherrschte sich gewaltsam, er drängte das Wort zurück, das ihm aus den Lippen schwebte, das, hätte er cs ausgesprochen, jenen tödlich beleidigt, einen Kampf zwischen beiden heraufbeschworen hätte, der nicht gütlich sich wieder beilegen ließ, und dies wollte Doktor Justus nicht, eS hätte seine Pläne vernichtet.
Beide Herren betraten das Speisezimmer und ließen sich an der reich besetzten Abendtafel nieder.
Doktor JustuS berührte die Speisen kaum, er war blasser als gewöhnlich und trank hastig einige Glas prickelnden Champagner; in seiner Kehle brannte es, und seine Brust war ihm eng zum Ersticken. Zerstreut nur lauschte er den Reden
Günther SchönburgS, der heute animierter als fett langer Zeit war; die Aussicht auf ein neues, zartes Verhältnis schwellte ihm die Brust mit kühnen Hoffnungen.
.Doktor, ich kenne die Frauen bester als Sie — und diese stolze Gertrud Felder, wird nicht anders sein als alle," rühmte sich Günther Schönburg; .sie wird sich freuen, einen Anbeter hier in dem langwelligen Nest zu haben."
.Versuchen Sie cs nur," klang es zurück.
Doktor Justus erhob sich plötzlich. Es war ihm unmöglich, länger in der Gesellschaft des frivolen Spötters zu bleiben, der nicht an Frauentugend glaubte. Vor noch nicht langer Zeit hätte ihm Justus beigestimmt; heute schmerzte eS ihn in tiefster Seele, er hatte kaum seinen Glauben an das Weib wiedergefunden und wollte ihn nicht mehr verlieren, weil ihn derselbe beseligte. Liebe und Reinheit des Herz-nS dünkten ihm das schönste, beste im Weibe. .Dein Stolz wird sich beugen, Gertrud, das hoffe ich." flüsterte Justus, .er wird sich meiner Liebe beugen.*
Er kämpfte mit sich. Ein einziges Wort hätte genügt, den Nebenbuhler au» dem Felde zu schlagen.
Mehr als je fühlte er sich an das schöne Weib gefesselt, besten Zauber ihn bestrickte. Wenn er dies eine Wort sprach, war sie sein, das wußte er.
Justus ging noch lange Zeit erregt in seinem Zimmer umher, endlich nahm er eine kleine Schachtel aus dem Fache seines Schreibtisches und mischte sich in ein Glas mit Wein ein Pulver, um sich Ruhe ,u schaffen für die Nacht.
Bald lag er traumbefangen, und ein glückseliges Lächeln umschwebte seine Lippen.-
Die strahlende Morgensonne blickte aus wolkenlosem Himmel hinab auf die vom Sturm und Regen der vergangenen Nacht niedergeworfenen Saaten der Felder, die zu Schönburg gehörten, auf die schweren, vollen Ähren, die, der Reif» schon nahe, sich niedergelegt unter der Wucht des niederströmenden Regen» und nun gierig die heißen Strahlen aufsogen, die ihnen wieder Kraft verleihen sollte» sich emporzurichten.