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die Einführung der Fabrikatbesteuerung in Vorschlag gebracht. Die Jnlandssteuer von M. 45 für 100 Lx fermentierten Rohtabaks soll wegfallen und der Zoll des ausländischen Rohtabaks um den gleichen Be­trag von 85 auf 40 ^ für 100 Lx herabgemindert werden. Die gleiche Zollminderung soll auch den Tabaksdosen zu Teil werden. Von ausländischen Tabaksfabrikaten soll nur noch ein Eingangs-Zoll er­hoben werden und zwar Cigarren und Cigaretten 900 ^ für andere Tabakfabrikate 450 für 100 IrK. Was die Controlle betrifft, so bleibt für den inländischen Pflanzer die Verpflichtung fort- bestehen, der Steuerbehörde die bepflanzten Grund­stücke anzumelden und den geernteten Tabak zur Ver­wiegung zu stellen. Die bisherige Feldkontrolle fällt fort. Der wesentliche Gesichtspunkt der Controlle liegt in der Anordnung, die Lager unter Mitverschluß der Steuerbehörde zu stellen. Die Kontrolle der Fabriken besteht im Wesentlichen in einer Buch- Kontrolle und in periodischen Bestandaufnahmen. Für den Kleinbetrieb ist auch in dieser Beziehung weitgehende Erleichterung Vorbehalten. Die Fakturen der Fabrikanten sollen von dem Empfänger mit einem ihre Richtigkeit bestätigenden Vermerk ver­sehen und dem Fabrikanten Belegung des Fakturen- bucheS wieder zugestellt werden.

Berlin, 37. Jan. Eine heute früh erschienene Extraausgabe des Reichsanzeigers veröffentlicht an ihrer Spitze ein Schreiben des Kaisers an den Ma­gistrat und die Stadtverordneten, in welchem zunächst an die glorreichen Kämpfe der Jahre 1870 und 71 angeknüpft wird. Im Schreiben heißt es dann weiter: Als eine Erinnerung für die Stadt Berlin und zur Erinnerung an die ruhmreiche Vergangenheit unseres Vaterlandes will ich einen bleibenden Ehrenschmuck für meine Haupt- und Residenzstadt widmen, welcher die Entwicklung der vaterländischen Geschichte von der Begründung der Mark Brandenburg bis zur Wieder­aufrichtung des Reichs darstellen soll. Mein Plan geht dahin, in der Siegeshalle die Marmorbilder der Fürsten Brandenburgs und Preußens, beginnend mit dem Margrafen Albert dem Bären und schließend mit Kaiser Wilhelm I., und neben ihnen die Bildwerke je eines für seine Zeit charakteristischen Mannes, sei es eines Staatsmannes oder Bürgers, in fortlaufen­der Reihe errichten zu wollen. Die Kosten des Ge­samtaufwandes werde ich auf mein« Schatulle über­nehmen. Indem ich mir hierüber die weiteren Be­stimmungen Vorbehalte, freue ich mich, den Magistrat und die Stadtverordneten an meinem Geburtstage hievon in Kenntnis zu setzen. Außer zwei weitern Schreiben an den Kultusminister publiziert der Reichsanzeiger eine größere Anzahl von Ordensverleihungen und Personalveränderungen in der Armee. Es erhielten u. a. hohe Orden Minister Thielen, Hammer- fiein, Schönstedt und Köller. Der Staats­sekretär des Reichspostamts vr. v. Stephan erhielt den Rang eines StaarsministerS.

Berlin, 38. Jan. Der Kaisergeburtstag

ist bei schönstem Wetter großartig verlaufen. Abends war die Stadt prächtig illuminiert. Hunderttausende durchzogen und belebten die Straßen, so daß der Verkehr häufig stockte. In manchen Straßen herrschte ein lebensgefährliches Gedränge. Im Opernhause fand eine Festvorstellung statt, welcher das Kaiser­paar und sämtliche in Berlin anwesenden Fürsten beiwohnten.

Tagesneuigkeilen.

* Calw, 28. Jan. Zu Ehren des Ge­burtsfestes Sr. Maj. des Kaisers fand gestern abend ein zahlreich besuchtes Festbankett in der Kanne statt. Nachdem Hr. Eugen Staelin die Versamm­lung freundlich begrüßt hatte, ergriff Hr. Stadt­pfarrer Schmid das Wort zu einer längeren Rede, in welcher er in patriotischen Worten die Herrscher­tugenden unseres Kaisers pries und ein Zeitbild unserer gegenwärtigen politischen Zustände gab. Das Hoch auf den Kaiser fand begeisterten Widerhall. Hr. Prof. Haug toastierte auf Heer und Marine, Hr. Rektor vr. Müller auf unfern geliebten König und Hr. Zustellungsbeamter Rack in humo­ristischer Wendung auf dieReserve". In der von allen Ständen besuchten und durch den Gesang.von Vaterlandsliedern belebten Feier herrschte den ganzen Abend eine warme, patriotische Stimmung, welche die Freunde in zwangsloser Unterhaltung noch lange bei­sammenhielt.

Deckenpfronn, 25. Jan. Gestern und heute nacht hat ein heftiges Schneegestöber wieder große Schneemaffen gebracht. Die Schneewehungen haben Weg und Steg unkenntlich gemacht und den Verkehr sehr gehemmt. Der Postbote konnte weder über Stammheim noch über Wildberg seine Fahrt nach Calw ausführen, und so mußte er auf tele­graphische Anordnung seitens des Postamtes Calw auf die Station Gärtringen fahren, um daselbst die angekommenen Briefe, Packete rc. in Empfang zu nehmen, bezw. zur Beförderung zu übergeben.

-n. Weilderstadt. (Marktbericht.) Der am letzten Montag den 21. ds. Mts. hier stattgefundene Viehmarkt war sehr stark befahren. Der Handel in Zug- und Fettvieh war bei steigenden Preisen sehr lebhaft.

-n. Weilderstadt, 25. Jan. Die Kandi­datur zur bevorstehenden Landtagswahl für den Bezirk Leonberg wurde von der Volkspartei des Bezirks Hrn. Max Schöninger, Kaufmann und Gemeinde­rat von hier, übertragen. Derselbe hat, wie gestern verlautete, die Kandidatur angenommen und wird sich in den nächsten Tagen noch den Wählern des Bezirks vorstellen und vor denselben sein Programm entwickeln.

Stuttgart, 24. Januar. Das Organ der Deutschen Partei, dieWürttemb. Volksztg." nimmt heute Stellung zu dem Vorgehen der hiesigen Kon­servativen; das Blatt nennt das Auftreten der konservativen Partei für ein gewagtes und ver­antwortliches. Darüber, daß der konservative

Kandidat weder gewählt werde, noch überhaupt in die Stichwahl komme, werde man sich in den leiten­den Kreisen der Konservativen wohl keiner Täuschung hingeben. Wohl aber sei die Aufstellung einer be­sonderen Kandidatur unter Umständen geeignet, einen Sieg der Volkspartei oder der Sozi zu ermög­lichen. Trotzdem hofft das Blatt, daß Schall in die Stichwahl komme. Sollte aber eine andere Even­tualität eintreten, so hätte dafür und für alle weiteren Konsequenzen die konservative Partei die Verantwortung zu tragen.

Stuttgart, 26. Jan. Die Volkspartei beschäftigte sich gestern Abend im großen Saale des Bürgermuseums mit der Landtagswahl. Referenten waren Friedr. Haußmann und Payer. Die Versammlung beauftragte den Ausschuß des Volks­vereins, das Mandat dem Gemeinderat und Kaufmann Fischer anzutragen. Für Dienstag soll seitens der Partei eine große Wählerversammlung ausgeschrieben werden.

Göppingen, 25. Jan. Wie teuer einem Arbeitgeber heutzutage eine verspätete Anmeldung eines Arbeiters zu stehen kommen kann, können hier 3 Geschäftsherren ein Liedchen davon singen. Deren Arbeiter erkrankten nämlich schwer und waren von obigen nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von 8 Tagen zur Krankenkaffe angemeldet. Neben einer polizeilichen Geldstrafe müssen dieselben nun auch für die Kosten der Verpflegung im Krankenhaus auf- kommen, welche je 158 ^ betragen.

Reutlingen, 27. Jan. Wahl der ritter- schaftlichen Abgeordneten des Schwarzwaldkreises. Wahlberechtigte 26, Abstimmende 15. Gewählt wur­den: Freiherr Karl von Speth-Schülzburg, Landgerichtsrat a. D. in Schloß Granheim, OA. Ehingen; Freiherr Wilhelm v. Gültlingen, Erb­kämmerer, Landgerichtsrat in Stuttgart; Freiherr Hans v. Ow, Präsident der Zentralstelle.

Lahr, 25. Jan. Moritz Schauenburg, der Vertreter desLahrer Hinkenden Boten", des Kommersbuches" u. s. w. und Mitbegründer des Reichswaisenhauses, ist einem langwierigen Nieren­leiden erlegen.

In Nürnberg wurde ein zum Bahn­hofe fahrender Postwagen erbrochen und daraus 130000 gestohlen.

Hannover, 23. Januar. Ein schlechtes Ge­schäft haben Einbrecher gemacht, welche der Villar des Oberpräsidenten von Bennigsen, die irr Bennigsen liegt, während der Abwesenheit ihres Be­sitzers einen Besuch abstatteten. Die Diebe hatten vom Balkon aus ein Fenster erbrochen und dann Eingang gefunden. Im Innern haben sie sodann alle Zimmer und die darin befindlichen Behälter durchsucht und schließlich sich mit einigen Gar­dinen und einem versilberten Kupfer-Armleuchter entfernt. Ein Stemmeisen und eine Düte mit Schmier­seife haben sie am Ort der That zurückgelaffen.

Aufmerksamkeit bedurfte, um neue Lebenskraft zu gewinnen. Er dachte nicht mehr an Echönburg, das reiche, gesegnete Fleckchen Gott-swelt, das in seiner üppigen Pracht ihm wie ein Hohn erschien im Angesicht deS Elends, das sich in seiner Nähe eingenistet. ES befiel ihn «in Gefühl der Scham, wenn er an die Unsummen dachte, di« lange Jahre hindurch darauf verwandt worden waren, fremde, ausländische Kunstwerke in dem Schlöffe anzufammeln, Summen, die hingereicht hätten, der Ar­mut zu steuern, die dicht hinter dem vergoldeten Parkgittcr von Schönburg begann.

Er hatte seine Ruhe verloren im Angesicht des Kontrastes, der sich ihm bot, sobald er aus den Gemächern des Schlosses trat und Felde» vor Augen hatte; er wollte sie wiedersinden, indem er von dem Ueberfluß, der in Schönburg herrschte, «inen Teil hmüderleitete, der befruchtend wirken sollte für alle Zeck, den Segen der Zufriedenheit spenden, da wo jetzt Mangel und Not zu Hause war.

Wie unendlich gehoben fühlte er sich, wenn er durch Felder» ritt, wenn freudig strahlende Gesichter ihn begrüßten, wenn er Helles Lachen hörte, und froher Gesang zu ihm her üb ertönte. Der Schöpfer dieser Freude, dieses frohen Mutes war er

er allein-dachte er dann, und ein stilles Lächeln glitt über fein Antlitz und

verschönte es wie ein Sonnenstrahl, der au» einem befriedigten Herzen hervorbricht, aus den Augen, den Zügen leuchtend, wahres, stilles Glück verkündend, da» edelste, reichste Glück andere zu beglücken!

Wie eine dunkle Wolke legte es sich aber dann plötzlich über die hohe Stirn des Mannes, der so freudig für das Wohl seiner Nächsten schaffte, wenn er an den Erben von Echönburg dachte, an Günther, der mit ironischem Lächeln sein ernste» Streben beobachtete und einmal die Bemerkung machte, wie schön eS sein müsse, aus anderer Mittel Gute» zu stiften und den Dank dafür einzuheiwseu.

Ei war eine boshafte Bemerkung, und ein tiefer, ernster Blick deS Arztes traf den juugen Grafen, unter dem derselbe erglühte.

Teufel, diese Augen, dieser Blick ist mir nicht fremd," dachte Günther von Echönburg und suchte in seiner Vergangenheit. Er mußte Dokor Justus schvn

einmal gesehen haben, aber das mußte schon sehr lange her sein, daß er ihn fl» ganz vergessen hatte, bis auf den Blick, den seltsam forschenden, durchdringenden Blick aus den graublauen Augen mit dem rasch wechselnden Ausdruck.

Der Arzt begann ihm zuwellen unheimlich zu werden. Günther fühlte, daß- derselbe ihn ausforschte, daß Doktor JustuS seine Gedanken, sein Wesen studierte, daß er ihm gegenüber mit berechnender Klugheit handelte und sprach, und er ge­stand sich, daß er sich oft genug Blößen gegeben, daß er nie seine leichtlebige Denkungsart verborgen habe. Mit demselben Leichtsinn tröstete er sich darüber.

Ah pah, mag er dem Oheim berichten, daß ich kein Philister bin, kein Heiliger;, di» Schönburgs waren eS nie. Erst Onkel Erich ist aus der Art geschlagen, sein« Mutter war eine zweite heilige Elisabeth, hat'S von ihr geerbt. Bin doch der einzige Schönburg wird mich nicht enterben, der gute Onkel Erich!"

Und Doktor JustuS entschuldigte Günther in seinem Innern.Er ist wenigsten» kein Heuchler, er giebt sich, wie er ist, leichtfertig, verschwenderisch, genußsüchtig, ein Egoist, wie es Tausende giebt."

Dennoch that eS JustuS weh, wenn er daran dachte, daß Günther von Schönburg nicht der Besitzer deS Schönburgschen Majorats werden sollte. In seine« Phantasie stieg das strahlende, glänzende Bild auf, welches der junge Graf ihm entworfen von dem Leben, das dann einziehen sollte in das Schloß.

In diesem Bilde der verschwenderischen Pracht war kein Platz für Felde», das arme Dorf, mit seiner neuen jungen Schöpfung, auf die sich die Zukunft von Hunderten aufbaute.

Günther, Du hast Dein Recht verscherzt, Du taugst nicht zum Erben von Schönburg" sprach dann leise JustuS vor sich hin; er beugte das Haupt, und Helle Röte stieg in seinen Wangen auf.

(Fortsetzung folgt.)