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^ 13. Amts- und Anzeigeblatt für den Bezirk (Lalw.
7V. Iahrgaag.
Erscheinl Dienstag, Donnerstag und SamStag. Die Einrückungsgebühr beträgt tur BeziÄ und nächster Um- GÜung 9 Bfg. die Aeile, sonst 12 Psg.
Dienstag, den 29. Januar 1895
LbonnementSpreiS Viertels g. Lrägerlohn, durch die Württemberg M7. 1. 8b.
chrttch in der Stadt SV Pfg. und Dost bezogen Mk. 1. 1b, sonst tt>
Deutsches Reich.
Berlin, 35. Jan. Deutscher Reichstag. Gesetzentwurf bctr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt. Staatssekretär Nieberding erklärt, der Gesetzentwurf sei für die Interessenten ein ganz besonders dringendes Bedürfnis. Auch die Verhältnisse der Kleinschiffer, die immer schwieriger werden, seien erwogen worden. Der Entwurf regele die Verhältnisse der Eigentümer, Mannschaften, Frachtinteressenten u. s. w. Auch soll die Polizei eingreifen können, wenn die Mannschaft widerrechtlich das Schiff verläßt und so leichtfertig Gefahren herausbcschwört. Der Befähigungsnachweis für Schiffe, wie er auf der Elbe, Oder und Weser bereits verlangt wird, soll auch für andere Schiffsführer eingeführt werden. Abg. Letocha (Centr.) hält die Vorschriften des Entwurfs im Allgemeinen den Bestimmungen des Seerechts entsprechend, mit Unrecht seien Klagen in einer Schifferversammlung in Charlottenburg darüber laut geworden. Die Einzelheiten der Vorlage können ja in der Commission, welcher Redner den Entwurf zu überweisen gedenkt, beraten werden. Abg. Rickert (fr. Vrg.) ist der Meinung, daß auch die Wünsche der kleinen Schiffer berücksichtigt werden müssen. Zu erwägen sei auch die Frage der Haftbarkeit in Bezug auf die Haftpflicht des Eigners. Wenn der etwaige Zwangslose nicht als zur Schiffsbesatzung gerechnet werden soll, dann müßte für etwa durch ihn angerichteten Schaden der Staat haften. Der Befähigungsnachweis sei von sehr fragwürdigem Werte. Staatss. Nieberding erklärt, der Befähigungsnachweis soll nur bei vorhandenem Bedürfnis und innerhalb der nötigen Grenzen gefordert werden. Abg. Bassermann <natl.) will die Interessen der Kleinschiffer mehr gewahrt wissen, bezeichnet die Haftbarkeit der Schiffs
eigner zuweitgehend und empfiehlt die Einführung von'Dienstbüchern. Abg. ».Langen (Cons.) wünscht zunächst das Interesse der Schifferei, Landwirtschaft und schiffbarer Flüsse gewahrt zu wissen. Redner bedauert, daß zu den Vorberatungen nur Kaufleute herangezogen worden sind. Staatssekretär Nieberding antwortet, die Regierung habe sich an solche Personen gewendet, die ihr am geeignetsten erschienen. Abg. Ge risch (Soz.) hat gegen die Einzelheiten der Vorlage große Bedenken und erhofft von derselben keinen Aufschwung für die Schiffahrt.
Berlin, 26. Jan. Deutscher Reichstag. Eingegangen sind die Tabaksteuervorlage sowie die Finanzreformvorlage. Abg.Zimmermann (Antis.): Ein Verschulden dürfte nur angenommen werden, wenn der Schiffer auch die gewöhnliche Vorsicht außer Acht läßt. Redner empfiehlt dann gemäß den Be» schlüffen von Schiffer-Versammlungen noch die Sonntagsruhe im Schiffergewerbe sowie die Zuständigkeit von Gewerbegerichten für Streitigkeiten zwischen Schiffer und Schiffsbemannung. Abg. Wellstein (Centr.i: In Bezug auf die Hastplicht der Schiffer ist die Vorlage ein wenig zu hart. Erwünscht wäre eine Regelung der Arbeitszeit. Abg. Dietrich Hahn (wild): In Bezug auf das Verhältnis zwischen Schiffer und Mannschaften hat man sich zu sehr an die Seemannsordnung gehalten. Die Lage des Kleinschiffergewerbes hat sich verschlechtert, dem muß abgeholfen werden. Redner empfiehlt die Unfallversicherung auf die Hochseefischerei auszudehnen. Sodann geht die Vorlage an eine Commission. Es folgt die Beratung des Gesetzentwurfs betr. die privatrechtlichen Verhältnisse der Flößerei. Nach einer kurzen Debatte ver Abgg. Placke, Weber, Rickert und Gerisch geht auch diese Vorlage an eine Commission.
Berlin, 25. Jan. Der Kaiser richtete an die Familie Lord Churchills ein Beileidstelegramm und beauftragte den deutschen Botschafter in London am Sarge des Verstorbenen einen Kranz niederzulegen.
Berlin, 25. Jan. Heute Mittag fand im königlichen Schlöffe die Nagelung und Weihe der dem zweiten Leib-Husarenregiment Kaiserin No. 2 verliehenen neuen Standarte statt. Der Feier wohnte das Kaiserpaar, Kaiserin Friedrich und die in Berlin anwesenden Prinzen deS königlichen Hauses bei.
Berlin, 26. Jan. In der gestrigen Abendsitzung der Geschäftsordnungskommission des Reichstags wurde über die Erweiterung der Disziplinargewalt des Präsidenten debattiert. Der Antrag Pieschel auf Erweiterung des Paragraphen 60 der Geschäftsordnung, wodurch dem Präsidenten größere Befugnisse eingeräumt werden sollten, wurde abgelehnt.
Berlin, 26. Jan. In der Budget-Commission des Reichstages wurde heute die Beratung des Postetats fortgesetzt. Die auch im vorigen Jahre abgelehnte Forderung für einen Staatssekretär von 20000 wurde wiederum abgelehnt und zwar mit 13 gegen 11 Stimmen.
Berlin, 26. Januar. Neichstagspräsident v. Levetzow hat am Schluß der gestrigen Sitzung in der Geschäftsordnungs-Commission erklärt, daß er sein Amt niederlege, wenn das Plenum die Erweiterung der Disciplinargewalt des Präsidenten ebenso ablehne, wie es in der Commission geschehen sei.
Berlin, 26. Jan. Der neue Entwurf eines Tabaksteuergesetzes deckt sich im Wesentlichen mit dem vorjährigen. In dem vorliegenden Entwurf ist eine Erhöhung der Einnahmen aus der Tabaksteuer um 32 Millionen Mark geplant. In dem Entwurf wird
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sRachdruck verböte«.!
Der: Sonderling.
Roman von P. Fel Sb erg.
(Fortsetzung.)
„Gute Nacht, Doktor, haben Sie Dank für Ihre Geschichte, und kommen Sie bald wieder,' flüsterte das junge Mädchen ihm zu und stützte sich dann auf ihre Mutter, die sich ebenfalls von Justus mit einem Händedruck verabschiedete und langsam Rosa nach dem Hause geleitete.
Er war allein mit Gertrud. Sie schien «8 nicht zu beachten, blickte noch immer in den Sternenhimmel mit lächelndem Munde und schwärmerischem Blicke. Das Mondlicht verklärte ihre Züge wunderbar. „Ich liebe den Mondschein und die Sterne," sprach sie plötzlich, und es klang wie eine Entschuldigung für ihr längeres Bleiben.
, Jch auch," ertönte es leise in warmem, bebendem Tone an ihr Ohr.
Sie schrak zusammen und richtete ihre Gestalt, die nachlässig am Stamme des Baumes lehnte, hoch empor. Die Vertraulichkeit des Arztes empörte sie; rasch entriß sie ihm die Hand, die er an seine Lippen drücken wollte, und frostig klang es, als sie sprach: „Es ist sehr spät für Sie geworden, Herr Doktor."
„Auch für Sie, mein gnädiges Fräulein, die Nachtluft wird Ihnen schaden."
„Ich bedarf keines ärztlichen Rates, ich bin nicht Ihre Patientin."
„Wenn Sie sich nicht schonen, könnten Sie es werden."
„Niemals!" kam es heftig über Gertruds Lippen. Ein funkelnder Blick streifte Justus, der ihn zu bannen schien. War er das Gefühl deS Haffe« oder der Liebe, das Getrud das Blut in die Wangen trieb bis in die Schläfen? Emen Moment standen sie sich gegenüber, Auge in Auge, festgehalten von einer Gewalt, die mächtiger war als sie selbst.
Tausend wirre Gedanken, seltsame, fremde Empfindungen stürmten in beider Hirn und beider Brust.
Da kam ein Seufzer, schwer und tief, aus Gertruds Brust und löste dm Bann, der über beiden geschwebt.
Doktor JustuS hob, wie ein Träumender, der jäh erwacht, die Hand empor und legte sie vor die Augen, als wolle er weiter träumen, einen schönen, berauschenden Traum. Sie hatte sich von ihm gewendet, er hörte ihren raschen, fliehenden Schritt.
In scharfem Trabe ritt er wenige Minuten später durch den wundersamen Sommerabend dem Schlöffe Schönburg zu.
VII.
In Felde» war reges Leben eingekehrt. Der kommende Morgen einer besseren Zukunft sendete schon seine ersten belebenden Sonnenstrahlen in das armselige Dorf. Hoffensfreudigkeit herrschte überall. Scharmweis versammelten sich Arbeiter und Handwerker, und nachdem mit Feierlichkeit der Grundstein zu der Fabrik gelegt war, begannen Hunderte von fleißigen Händm zu gleicher Zeit ihr Werk. Jeder noch so kleine Raum der erbärmlichen Hütten war ausgenutzt und hatte einen Bewohner, der i, seinen Feierstunden als Entgelt» für das Obdach, das er während der Dauer seiner Arbeitszeit in Felde» gefunden, an dem Häuschen ausbefferte, wa» sich au»- bcffern ließ. Durch neum Putz und Anstrich seiner Hütten machte von Tag zu Tag das Aeußere des Dorfes einen freundlicheren, weniger armseligen Eindruck.
Weichin dehnten sich die Mauern deS Fabrikgebäudes, und ein hoher, turmartiger Schornstein ragte als Wahrzeichen darüber, in weiter Ferne schon sichtbar. Täglich ritt JustuS hinüber nach Feldm und schaute voll Befriedigung auf das seiner Vollendung entgegengehende Werk der Barmherzigkeit, dar Hunderten von armen Menschen eine Quelle der Zufriedenheit zu werden versprach, aus der sie Nahrung schöpften durch den Verdienst ihrer Hände.
Ueber ein Jahr, hoffte er. würde eS ganz anders aussehen in Felde», das chm lieb gewordm wie ein Sorgenkind, das, krank an Leib und Seele, seiner ganze»