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wandten geschickt. Der Umstand, daß dieselbe ohne Geld heimkam, brachte ihn so sehr in Alteration, daß er diese schreckliche That beging.
Mainz, 28. Dez. Gestem nachmittag warf eine Frau im Streit ihren Mann zum offenen Fenster des ersten Stockwerks hinaus. Der Mann erlitt eine Gehirnerschütterung und einen Beinbruch und mußte nach dem Spital verbracht werden.
Berlin, 29. Dez. Die Bierboykott-Kommis- sion teilt in der heutigen Nummer des „Vorwärts" offiziell die Aufhebung des Bierboykotts mit. Sie gedenkt gleichzeitig des 8 monatlichen Kampfes und bezeichnet diesen als einen sehr ehrenvollen für die Sozialdemokraten. Indem sie weiter allen denen ihren Dank ausspricht, die in diesem Kampfe sie unterstützt haben, drückt sie gleichzeitig auch die Hoffnung aus, daß die Arbeiterschaft auch in Zukunft, falls es notwendig sein sollte, ihre Ehre und Interessen mit solchem Opfermut verteidigen werde, wie es während des Bierboykotts geschehen ist.
Petersburg, 28. Dez. In Odessa wurde eine ganze Compagnie Soldaten, bestehend aus 83 Mann, wegen Insubordination bestraft, weil sie dem Hauptmann den Gehorsam verweigert hatten. 53 Mann wurden den Strafbataillonen eingereiht, 28 wurden zu Festungsstrafen verurteilt, bei zweien erfolgte Freisprechung. Der Hauptmann soll vor ein Kriegsgericht gestellt werden, weil er in den Büchern falsche Zahlen eingetragen hat.
London, 28. Dez. Aus Montevideo wird gemeldet, daß verbündete Rebellen das Hospital in San Gabriel in Brand steckten, wobei 121 Kranke den Tod fanden.
Permischtes.
Spuck. Von Neuhaldensleben schreibt man: Im nahen Hillersleben vollzieht sich seit einiger Zeit ein Spuck, der wie seinerzeit jener in Resau die Gemüter in hoher Aufregung hält. Wie von glaubwürdiger Seite versichert wird, hagelt es dort am Hellen lichten Tage Steine. Gegen die Häuser, auf die Dächer, auch auf die freie Dorfstraße werden Feld- und Kieselsteine geschleudert, ohne daß es bisher gelungen wäre, den oder die zu erspähen, die den Steinen die Richtung geben. Daß die Steine nicht vom Himmel fallen, darüber ist sich die Dorfbevölkerung klar. Wer aber die Attentäter find, wo sich diese befinden, und welchen Zweck die Stein-Kanonade hat, darüber zerbricht man sich die Köpfe. Schon ist die Gendarmerie hinzugezogen, und eS verlautet, daß der Staatsanwaltschaft Bericht erstattet werden soll.
— Es scheint wenig bekannt zu sein, daß die gewöhnliche Kochzwiebel sich als eines der besten Mittel gegen die besonders im Frühjahr und Herbst so häufig herrschenden epidemischen Katarrhe (Schnupfen und Husten) bewährt hat. Die Zwiebeln
werden gevierteilt, mit Kandiszucker und noch bester mit ungehopfter Bierwürze gedämpft und von dem Safte alle zwei Stunden ein kleiner Theelöffel voll genommen. Diesen eingekochten Saft sollte man in gut verkorkten Gläsern im Hause vorräthig halten. Man würde damit in den meisten Fällen bessere Resultate erzielen als mit den vielen theuren Katarrhmitteln, Säftchen rc., besonders wenn die Anwendung zeitig geschieht, ehe aus einem einfachen Husten ein hartnäckiger chronischer Bronchial- und Lungenkatarrh entsteht. Bei Katarrhen, welche bei regnerischem Wetter mit Westwind eintrcten, oder Abends schlimmer sind als am Tage und jedesmal im warmen Zimmer stärker austreten als im Freien, ist dieses Mittel oder die Tinktur von Zwiebeln ein sicher helfendes Mittel.
Humoristisches.
Gewissenhaft. Schneidermeister zu seinem Lehrjungen: . . Du hast doch, da Herr Bummel nicht zahlte, den Rock gleich wieder mitgenommen?
Nein — er hat ihn nicht mehr ausgelassen.
aber diesen einen Aermel Hab' ich doch noch erwischt!
Ein gutes Gemüt. Hausierer (der bereits zweimal hinausgeworfen wurde, zum dritten Male eintretend): Na, nu' aber Spaß bei Seit'!
Zum 200jährigen Geburtslage von Johann Eberhard Georg«.
Kgl. württembergischer Staatsminister, Konsi- storialpräsident, Gesandter am Hofe Friedrichs des Großen und mitvormundschastlicher Geheimerat (geb. 21. Dez. 1694.)
lSchwarzw. Bote v. 21- Dez.)
Die Familie Georgii stammt von einer 1298 aus Pavia nach Splügen in Graubündten mit 6eor§ a. OsoiLÜL eingewanderten Familie. Oeorx a dsorxiis wurde 1325 Landamann des Rheinwaldes. Ein Nachkomme von ihm, Jakob Simon Georgii (geb. 1629, gest. 1702) war Hof- und Kammerrat des Pfalzgrafen Leopold Ludwig bei Rhein, Herzog in Bayern und wanderte nach der Wegnahme Straßburgs durch Ludwig XIV. 1681 und Widerruf des Ediktes von Nantes zum dauernden Aufenthalt nach Württemberg aus, wo sein Sohn Hans Martin, Herzog!, württemb. Rat und Vogt von Urach wurde, auch erster Erwerber der im Wittlinger Thal gelegenen Erblehensgüter Georgenau. Aus dessen Ehe mit Margareta, Tochter des markgräfl. badischen Rates Kieffer, stammt der am 21. Dezember 1694 zu Urach geborene Johann Eberhard v.Georgii. Nach Absolvierung der Schule seiner Vaterstadt kam er als Hospes in die Klosterschule zu Bebenhausen und 1710 auf die Universität Tübingen, wo er 4 Jahr besonders Staats- und Rechtswissenschaft, Philosophie und Geschichte studierte, alsdann bereitete er sich bei seinem Schwager Vogt Schmid in Backnang und bei dessen Versetzung nach Stuttgart dort im prak
tischen Dienst aus. Auf Empfehlung des damals in Wien weilenden Herzogs Karl Alexander von Württemberg, K. K. Feldmarschall trat G. in östreichische Dienste und machte anfangs als Auditor, später als Generalauditor und Kriegssekretär unter dem Kommando der Grafen Caraffa und Bercy 1717—1720 die spanisch-sizilischen Kriege mit. Nach sechsjähriger Abwesenheit kehrte er in seine Heimat zurück, wo er 1722 vom Herzog zum Regierungsrat ernannt wurde. 1731 wurde er Kammerprokurator und 1736 Kammerdirektor. Segensreich war sein Wirken in allen diesen Aemtern, treu und redlich diente er seinem Fürsten und dem Vaterlinde und leistete beiden die ersprießlichsten Dienste. Eifrig sorgte er für Emporbringung des zerrütteten Kammergutes, der Gewerbe und des Handels und brachte manche guten Gesetze und Anstalten in Vorschlag. Auch der Jud Süß- Oppenheimer, welcher ans Ruder gekommen war, hätte daher gern den so brauchbaren Mann, den man in seinem Amte nicht leicht entbehren konnte, beibehalten, aber Georgiis unbestechliche Redlichkeit ließ sich nicht für dessen Pläne gewinnen. Unbesorgt um die Folgen, nur seiner Pflicht eingedenk, legre er dem Herzog offen die schändlichen Betrügereien Süß' im Münzwesen vor die Augen und bekam darauf plötzlich am 26. Dez. 1736 seine Entlassung. Doch damit war die Rache des Zudem nicht gesättigt, durch Regierungsrat v. Lamprecht liest er den abgesetzten Kammerdirektor wegen ungetreuer Amtsführung anklagen, dabei erhielt Georgii den Befehl, sich nicht eher zu entfernen, bis die Anklage untersucht sei. Der schnelle Tod des Herzogs rettete ihn vor dem Verderben. Der Vormund Karl Eugens setzte ihn in seine Aemter wieder ein. Die Anklage gegen ihn wird untersucht, er rein befunden und Lamp» recht zu einer offenen Ehrenerklärung verurteilt, welche ihm aber Georgii edelmütig erließ. 1738 zum Geheimenrat ernannt, arbeitete er wieder mit Bilfinger, Hardenberg und den übrigen Mitgliedern der vormundschaftlichen Regierung für Württembergs Wohl.- Als 1741 die württembergischen Prinzen Carl Eugen. Ludwig Eugen und Friedrich Eugen, welche nach ein» anver den herzoglichen Thron bestiegen, nach Berlin geschickt wurden, begleitete er sie dorthin, teils um die Oberaufsicht über ihre Erziehung zu führen, teils um als Gesandter am Hofe Friedrichs des Großen, die Angelegenheiten Württembergs, welches sich dainals näher an Preußen anschloß, in Berlin zu führen- Mit der Volljährigkeitserklärung des Herzogs Karl Eugen (5. Februar 1744) kehrte er nach Württemberg zurück, um seine alte Wirksamkeit wieder auf- zunehmen. Im Jahre 1755 wurde Georgii zum Konsistorialpräsidenten ernannt. Um den herzoglichen Finanzen aufzuhelfen, hatte Graf Montmartin in jener Zeit der Gewaltherrschaft einen neuen Steuerplan entworfen, welchem aber in der Vollsitzung des Geheimen Rats Georgii und der ältere Renz die Einwilligung verweigerten, weshalb beide 1764 ihrer Aemter entsetzt wurden. Karl Eugen erkannte bald sein Unrecht selbst und bot 1766 Georgii die Wieder«
Nach dem Diner suchte man den Garten auf. Nur Rosa nahm wieder ihr Plätzchen am Fenster ein. auf welches Doktor Justus sie geleitete, dann war er ihr behilflich, eine bequeme Lage für den kranken Fuß zu schaffen.
Er saß noch eine Welle bei ihr. Sie blickten beide durch das offene Fenster in den Garten und sahen dort Gertrud allein an einem Baume stehen, sich mit ihrem Fächer Kühlung zuwehend. Ihre Gestalt hob sich herrlich ab von dem grün- goldigen Hintergrund». JustuS' Blicke hingen lange an ihr. und als ob Rola seine Gedanken erraten könne, sprach sie leise: „Nicht wahr, sie ist ein schönes Geschöpf? Ich muß sie immer bewundern, und um ihretwillen thut cS mir doppelt weh, daß wir so arm geworden sind. Sie entbehrt, was ihr Bedürfnis war; sie ist so anders als Mama und ich. sie wird nie zufrieden und glücklich sein in diesen kleinen, ihr fremden Verhältnissen. Sie hätten st« sehen sollen, wie strahlend sie sein kann; jetzt liegt eS wie ein dunkler Schatten auf ihr, da sie ihrem Element entrückt ist."
JustuS schwieg eine Welle; dann fragte er leise: „Und Sie, sind Sie zufrieden, sehnen Sie sich nicht auch zurück, sobald Sie wieder gesund sind, von hier fortzukommen in die große Welt?"
„Nein," antwortete Rosa rasch. „Hier in unserem alten Felden bin ich gern, nur möchte ich reich sein, sehr reich, um all den armen Menschen helfen zu können. Früher war ich zufriedener als jetzt; aber nun, da ich so viel vom Elend anderer höre, bedaure ich, nicht die Macht zu haben, helfen zu können. Ich möchte so reich sein wie Graf Schönburg, der sich gar nicht um seinen Besitz kümmert, nur genieß und immer wieder genießt, ohne zu fragen: Legt mein Recht, mein Besitz mir nicht auch Pflichten auf? Vergeben Sw, Herr Doktor, Sie sind sein Freund, aber ich weiß n«ht, ich dacht«. Sie könnten nur der Freund eines edlen Menschen sein, und es scheint, als ob Graf Schönburg daS Wort „uoblssss odllxs" recht bedacht, aber «riebssev obligs" darüber vergessen hätte."
CS zuckte lercht belustigt in den Mundwinkeln des ArztcS, sein Blick aber ruhte roll Wohlgefallen auf de» geröteten Wangen des jungen Mädchens, da» s«
eifrig sprach mit einer Wärme, die ein volles Echo fand in seiner Brust. „Es scheint,. Sie haben schon viel über menschliche Pflichten nachg« dacht, so jung Sie noch find."
„DaS ist ein Erbteil von meinem geliebten Vater; er wollte so gern alle Wett beglücken, grübelte und sann darüber nach, entwarf Pläne und bedauerte nur, daß er die Mittel nicht besaß, sie praktisch auszuführen. Ich kenne Papas Absichten sehr gut; ich habe sein Tagebuch, seine Schriften mit Esser studiert, und wäre
ich ein Mann, ich würde schon Wege finden, seine Entwürfe auszuführen zum Segen für die ganze Gegend."
U-d welche Pläne sind dies?" forschte JustuS ernst.
„Nicht jetzt, nicht hier will ich Ihnen das sagen; ein andermal, wenn Sie uns besuchen, wie Sie versprochen haben, dann will ich eS Ihnen Mitteilen. Vielleicht haben Sie Einfluß genug auf Ihren Freund, um ihn für eine Sache zu begeistern,
die so nahe liegt und so viel Glück spenden kann. Ich weiß nicht, ich habe so
großes Vertrauen zu Ihnen, Herr Doktor; was ich Ihnen gesagt, könnte ich keinem andern sagen, man lachte mich aus. Besonders Ihrem Grafm Schönburg möchte ich eS nie gestehen; ich mag ihn nicht leiden, er ist ein Egoist — sicher, sonst dächte er auch an andere, nicht nur immer an sich allein."
„Soll ich den Freund verteidigen?" lächelte Doktor JustuS.
„Nein — nein, daS hilft gar nichts, die That spricht zu sehr gegen ihn; daß er nicht» thut, der Armut zu steuern, die in seiner nächsten Nähe herrscht, da ihm die Mittel dazu geboten find, ist herzlos."
„Und wenn er nicht» davon weiß —"
„Eben daS ist schlimm, er sollte wisse», wie es hier aussieht; warum kümmert er sich nicht um seinen Besitz," erwiderte Unerbittlich Rosa.
„Sie haben recht, mein gnädiger Fräulein, er sollte eS wissen," stimmte Justus ernst dem Mädchen bei und blickte nachdenklich hinaus in den Garten, in welchem die jungen Damen eben begannen, Croquet zu spielen. Gertrud Felben beteiligte sich dabei mit der ihr eigene» Grazie. (Forts. folgt.)