648
Die Ortsv«rrsteher,
welche mit der Erstattung des am 17. Okt. verlangten Berichts m> Calwer Wochenblatt Nr. 123, betreffend den Baumsatz und die Beseitigung des Baumüberhangs an Saats- und Nachbarschastsstraßen, noch im Rückstand sind, werden hiemit an alsbaldige Einsendung erinnert.
Calw, 15. Dezember 1894.
K. Oberamt.
V o e l t e r.
Bekanntmachung.
Nachdem die Maul, und Klauenseuche in Oberkollwangen ausgebrochen ist, werden folgende Maßnahmen, zunächst bis zum 31. d. M. einschließlich angeordnet.
Es ist verboten:
1) Das Treiben von Rindvieh, Schweinen und Schafen außerhalb der Feldmarkgrenzen in den Gemeinden Oberkollwangen, Breiten-
' berg, und Neuweiler.
2) Die Weggabe von Magermilch aus Sammelmolkereien in den genannten Gemeinden mit Ausnahme solcher Milch, welche zuvor auf mindestens 100 ° 0. erhitzt worden ist.
Die Schultheißenämter haben vorstehende Maßregeln in den betr. Gemeinden auf ortsübliche Weise zur öffentlichen Kenntnis zu bringen und dabei daraus hinzuweisen, daß die Unterlassung oder Verspätung der Anzeige von Seuchenausbrüchen und die Zuwiderhandlung gegen die ergangenen Anordnungen nicht nur Bestrafung, sondern auch den Verlust der Entschädigung für an Maul- und Klauenseuche gefallenes Rindvieh nach sich zieht.
Ueber den Vollzug dieser Anordnung ist sofort Anzeige hieher zu machen.
Calw, 17. Dezember 1894.
K. Oberamt.
Voelter.
sind die Formulare für das Jahr 1895 und zwar:
1) der Bedarf an Quittungskarten,
2) Formulare zu Bescheinigungen über die aus der Aufrechnung der Quittungskarten sich ergebenden Endzahlen,
3) ein Verzeichnis über die auszustellenden Quittungskarten,
4) Altersrentenquittungen und Jnvalidenrenten- quittungen
zugegangen.
Von den Quittungsformularen (Z. 4) sind jedem Alters- bezw. Invalidenrenten-Empfänger 12 Stück zur Ausfüllung im Lauf des Jahrs 1895 zuzustellen. Der Rest ist von den Ortsbehörden als Reservevorrat aufzubewahren.
Calw, den 17. Dezember 1894.
K. Oberamt.
Voelter.
Deutsches Reich.
Berlin, 15. Dez. (Deutscher Reichstag.) In der heutigen Sitzung wurden nach längerer Debatte die Resolution Adt und Genossen, wonach die Geschäftsordnung baldmöglichst in dem Sinne zu ändern sei, daß die Disziplinargewalt des Präsidenten eine Verstärkung erfahre, angenommen. Die strafrechtliche Verfolgung des Abg. Liebknecht wegen Majestäts- deleidigung wird dem Antrag der Commission entsprechend abgelehnt.
Berlin, 14. Dezember. Aus Anlaß der Konfiskation des Anarchistenblattes »Der Sozialist" (No. 50) wurde noch nachträglich bei dem Anarchisten Kraft eine Haussuchung vorgenommen. Bei derselben wurde eine Sammelliste für den Unterftützungs- fonds der Anarchisten und QuittungSkarten für einen Kommunistenbund vorgefunden.
Berlin, 15. Dezember. Die neueste Nummer des »Sozialist" (51) wurde gestern Abend wegen eines Artikels, welcher die Konfiskation der vorigen Nummer behandelt, konfisziert.
Berlin, 15. Dezember. Die „Voss. Ztg." erfährt aus Konstantinopel: der Sultan läßt drei prachtvoll ausgestattete Säbel ansertigen, die für den deutschen Kaiser und die zwei ältesten Prinzen bestimmt sind.
Berlin, 16. Dez. Die Anarchistenversammlung, welche heute morgen hier stattfinden sollte mit der Tagesordnung: »Bekämpfung des Umsturzes" wurde nicht abgehalten. Der Einberufer der Versammlung, Büttner Varönke, der als Redakteur beim „Sozialist" thätig war, ist gestern früh in seiner
Wohnung verhaftet worden. Die Festnahme soll mit der letzten Beschlagnahme des »Sozialist" in Verbindung zu bringen sein. Da der Einberufer fehlte, so hat eine Kommission der Anarchisten die Versammlung bereits gestern wieder abbestellt.
Tagesneuigkeitcn
* Calw. Im Kirchenjahr 1893—94 wurden in hiesiger Stadt nach dem 138. Kirchenregister 100 Kinder getauft. Konfirmirt wurden 75 Kinder, nämlich 41 Söhne und 34 Töchter. Die kirchliche Trauung suchten 35 Paare nach; das Fest der goldenen Hochzeit feierten 2 Paare. Mit Tod abgegangen sind 33 Männer, 30 Frauen, 5 ledige Söhne, 6 ledige Tücher und 47 Kinder bis zum 14. Lebensjahr. Die Zahl der Gestorbenen übersteigt demnach die Zahl der Geborenen um 21. Es würde also ein Rückgang in der Einwohnerzahl eingerreten sein. Diese Zahlen geben aber jedenfalls kein genaues und sicheres Bild in der Bewegung der Bevölkerung, da unter den Toten auch solche aufgeführt sind, die ihren Wohnsitz in Calw gar nicht hatten, und außerdem die Veränderungen in Familien katholischer Einwohner nicht alle angegeben werden konnten. (Im Vorjahr wurden getauft 101 Kinder, konfirmirt 85. Eheschließungen fanden 26 statt. Gestorben sind 98 Personen.) Evangelische Gottesdienste wurden in diesem Kirchenjahr 232 gehalten, nämlich 109 Sonn-, Fest- und Feierlagspredigten, 68 Christenlehren mit der kon- firmirten und der Schuljugend, 26 Betstunden, 23 Bibel- und Missionsstunden und 6 außerordentliche Gottesdienste. Abendmahlsfeiern haben 17 stattgefunden und sind dabei 1841 Personen erschienen.
* Calw, 17. Dez. Die von dem Leiter der Schülerwerk st ätte, Hr. Schullehrer Bach 1 eler, im neuen Schulhaus veranstaltete Ausstellung von Kerbschnittholzarbeiten erfreute sich sowohl von Seiten der Erwachsenen als auch von Seiten der Jugend eines zahlreichen Besuches. Ausgestellt waren einfache und schwierigere Arbeiten. Unter denselben sind hauptsächlich zu nennen: Photographierahmen, Uhrständer» Handtuchhalter, Schlüsselhalter, Besteckkörbchen, Schmuckkästen, Schatullen, Bestecke, Wandkörbe, Spiegel und ein rundes Tischchen. Die meisten Gegenstände sind solid, schön und geschmackvoll ausgeführt und man kann sich nur darüber freuen, daß die Schüler unter sachkundiger Anleitung es in kurzer Zeit soweit gebracht haben. Die Arbeiten im Handfertigkeitsunterricht machen ja keinen Anspruch auf tadellose Ausführung, wie man sie von einem Handwerksmann erwartet, aber sie beweisen doch, wie Auge und Hand des Schülers praktisch geübt werden können. Und daß die Werkstätte etwas leisten kann und wird, das zeigen die sehr schön und wirklich gediegen gearbeiteten Gegenstände, welche Hr. Bachtel er selbst ausgeführt und ausgestellt hatte. Die Werkstätie ist seit 1'/- Jahren eröffnet. Die Beteiligung ist gegenwärtig eine starke, etwa 25 Volksschüler und 13 Schüler des Reallyceums.
* Calw, 17.Dez. Die sozialdemokratische Partei hat gestern hier ein Flugblatt verbreitet, in dem das Programm der Sozialdemokratie für die bevorstehenden Landtagswahlen dargelegt und als Kandidat für den hiesigen Bezirk der Handschuhmacher G. Proß aus Eßlingen aufgestellt wird.
Böblingen, 13. Dezember. In Aidlingen, Dagersheim und einigen weiteren Bezirksorten stiegen in den letzten Wochen die Hopfenpreise unerwarteterweise beträchtlich. Für tadellose Ware wurden 70 per Ztr. geboten; geringere Qualität wurde mit 40—50 ^ bezahlt. Die Getreidepreise sinken immer noch mehr; der Dinkel gilt 4,80 der Zentner Haber 5 Trotz dieser unerhört niederen Preise finden sich fast keine Abnehmer, so daß mancher Bauer genötigt ist, ein Stück Vieh zu verkaufen, um seinen Verbindlichkeiten Nachkommen zu können.
Reutlingen, 14. Dez. Bei der gestrigen Bürgerausschußwahl ist der Vorschlag der Deutschen Partei mit 9 von 10 zu Wählenden durchgegangen. Die Volkspartei brachte nur einen ihres Wahlvorschlags durch. Die Beteiligung an der Wahl war sehr gering.
Ellwangen, 14. Dez. Die gegenwärtig hier stattfindende Mission der Redemptoristen, die wegen ihrer friedfertigen Gesinnung in konfessionellen Dingen bekanntlich wieder ins Deutsche Reich hereingelassen worden sind, hat bereits recht seltsame Blüten getrieben. Lebt da ein eo. Mann
mit seiner kath. Frau in glücklichster Ehe. Weil vor der Verheiratung evang. Kinderziehung vereinbart worden war, so wurde beim 1. Kind die Taufe durch den evang. Geistlichen auf einen Sonntag Nachm, bestimmt. An diesem Tage erschien Vorm. 10 Uhr bei dem Ehemann ein kath. Geistlicher, um ihn von der evang. Taufe als einer ganz unzulässigen Handlung abzuhalten; er richtete aber nichts aus. Eine halbe Stunde später erschien ein Kaplan, der einen noch viel stärkeren Ton anschlug und erklärte, es sei göttliches und menschliches Recht, daß die Kinder der Religion der Mutter folgten. (Wunderbarerweise ignorirt die kath. Kirche dieses Recht völlig, wenn es sich umgekehrt um eine evang. Mutter handelt.) Der betr. Kaplan hörte mit seiner Bestürmung erst auf, als ihm der Mann bedeutete, daß er in Ruhe gelassen sein wolle. Allein noch wurde kein Friede gegeben; um 12 Uhr schickte ein weiterer kath. Geistlicher zu dem evang. Mann und ließ ihn dringend zu sich bitten; die selbstverständliche Antwort des Mannes lautete, daß er dort nichts zu suchen habe, und so wurde das Kind evang. getauft. Da geht die Frau zur Beichte bei den Redemptoristen, und ein solcher Seelenretter erklärt ihr, daß ihre Ehe gar keine Ehe sei und daß ihr Seelenheil fordere, daß sie sich sofort von ihrem Manne trenne. Und angesichts - solcher Leistungen wagen unsere württ. Zentrumsleute zu behaupten, das Zentrum sei keine konfessionelle Partei, es verlange nur die freie Ausübung der kath^ Religion und die Einführung der Orden, durch die den Protestanten kein Recht verkümmert werde, sie ließen die Protestanten, deren Religion zu schützen sie sogar vorgeben, völlig in Frieden leben. Einer der Zentrumsführer bezeichnete vor Kurzem in einer Rede als einen Greuel, daß selbst die Katholiken sich früher nicht gescheut hätten, protestantische und demokratische Abgeordnete zu wählen, obgleich der „Beobachter", der es wissen muß, erst neulich ohne Widerspruch dem Zentrum vorgehalten hat, daß die Katholikeir des XII. württ. Neichstagswahlkreises von ihrem eigenen Bischof seiner Zeit angewiesen wurden, für den Protestanten und Demokraten Karl Mayer zu stimmen.
Hannover, 15. Dezember. Gestern Abend' fand in der Lindener Zündhütchen-Fabrik eine Explosion statt. Sechs Personen wurden schwer verbrannt.
Berlin, 14. Dezember. Der „Lokalanz." meldet aus Magdeburg, die gestrige Verhandlung gegen die Oberfeuerwerkerschüler habe bis^ Abends 8 Uhr gedauert. Für die Verhandlungen; seien 3 Tage in Aussicht genommen.
Brüssel, 14. Dezember. Vor der Katharinenkirche kam es gestern zu einem großen Auflauf. Ein junger Mann hatte einige Zeit mit einenr- Mädchen verkehrt, dasselbe aber mit seinen beiden Kindern verlassen. Die Betrogene erfuhr, daß ihr Verführer eine Andere heirathrn wollte und erhängte sich. Gestern wollte der junge Mann die neue Braut heimführen. Als der Hochzeitszug vom Rathause vor die Katharinenkirche gelangte, siel plötzlich unter dem Jubel von 3—400 Personen, die sich dort angesammelt hatten, die Schwester der Betrogenen mit mehreren Freundinnen über den Bräutigam her, riß der Braut den Hut ab und bewarf das Brautpaar und die Begleitung von oben bis unten mit Waschbläue. Mit „blauen" Gesichtern betrat der Hochzeitszug darauf die Kirche, wo die Trauung unter dem Schuz der Polizei erfolgte.
Paris, 15. Dez. In den Wandelgängen der Kammer debattirte man heute von einer bevorstehenden Verhaftung von 6 Zeitungsdirektoren, welche in den Erpressungsskandal verwickelt sein sollen. Es find dies Arthur Meyer vom „Gaulois", dessen Bruder von der „Lanterne", Tau vom „Journal", Maret vom „Radical", Edward vom „Matin" und Simon vom „Echo des Paris".
Rom, 15. Dezember. Briefe von Frau Crispi wurden gerichtlich beschlagnahmt, weil die Adressatin Klage gegen Giolitti erhoben hat. Die Dokumente werden erst heute veröffentlicht.
Petersburg, 14. Dezember. Am 18. Dez.» Namenstag des Zaren, wird ein Ukas erwartet,, worin Gurko verabschiedet und Schuwalloff: an seiner Stelle ernannt werde.