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keit widmete. Als Lotterie einige Zeit darauf nach seinen Schweinen sah, waren diese samt dem Sack verschwunden und wurden am andern Morgen auf einer Wiese in der Nähe des Wassergrabens ertrunken in dem Sacke aufgefunden. Der Verdacht eines Rache­akts des Metzgers ist begründet und dieser zur An­zeige gebracht.

Stuttgart, 16 Nov. Schon wieder eine Broschüre, und zwar eine solche die an aktuellem Interesse alle bisher in unserem broschürenreichen Lande erschienenen Schriften zur Wahrung persönlicher In­teressen von Gust. Pfizer, Kuhnle, Edmund Miller, ebensoweit hinter sich läßt, als an ruhiger und doch wie ein Kriminalroman spannender Schreibweise, ist soeben im Verlag von Erwin Nägele hier zum Preise von 1 erschienen. Di« Broschüre ist betitelt: Berichtigungen zum Prozeß Hegelmaier von Regi- rungspräsident v. Hüberlen. In klarer und über­sichtlicher, mit Briefen und aktenmäßigen Darstellungen belegter Weise erzählt der Verfasser seine ganze Tä­tigkeit in der bekannten Angelegenheit des Oberbür­germeisters von Heilbronn, die durch das Disziplinar­verfahren gegen letzteren ihren Abschluß gefunden hat. Häberlen beschwert sich bitter darüber, daß man ihn bei jenem Disziplinarprozeß nicht als Zeugen zuge­lassen und ihn gegen die gröblichsten Verunglimpfungen nicht nur nicht in Schutz genommen, sondern denselben durch den Staatsanzeiger noch eine halbamtliche Ver­breitung gegeben habe. Häberlen berichtet genau und für den Leser überzeugend, wie er in die ganze He- gelmaier'sche Angelegenheit hineinkommandirt worden sei, daß er gegen Hegelmaier, den er in Tübingen gar nicht gekannt und erst wenige Jahre vor dem Prozeß zum erstenmale gesehen habe, keinerlei persön­liche Abneigung gehabt habe, daß er erst 1890 Re­gierungspräsident in Ludwigsburg geworden sei, wäh­rend der Höhepunkt des Konfliktes zwischen Hegelmaier und der Staatsbehörde zugestandenermaßen schon im Jahre 1888 lag; er berichtet und rechtfertigt sein Verhalten gegenüber dem Heilbronner Gemeinderat Huber, verwahrt sich ienergisch dagegen, den Aus­druck:Bringen Sie das Mensch hieher" gebraucht zu haben, schildert sodann bis ins kleinste Detail sein Vorgehen gegen den Heilbronner Oberbürgermeister, wobei er immer und überall in strenger Beamtendis­ziplin die Weisungen seines Vorgesetzten Ministers v. Schmid befolgt habe. In Häberlens Darstellung gewinnt auch sein Auftreten gegenüber der Heilbronner Firma Gebr. Scheiffelen eine wesentlich andere Be­leuchtung als durch die Zeugenaussage eines Teil­habers jener Firma. Ueberaus spannend wird sein Bericht über seine Anwesenheit und Thätigkeit in der bekannten Sitzung des Heilbronner Gemeinderats, worüber dann Gemeinderat Kieß einen Bericht in dir Neckarzeitung verfaßte. Häberlen wurde bekannt­lich für jene Indiskretion verantwortlich gemacht und später sogar als Lügner dargestellt weil er (wahr­heitsgemäß) versichert hatte, daß er weder indirekt noch direkt der Urheber jenes Artikels sei. Aus

wörtlich abgedruckten Briefen und amtlichen Erlassen des Staatsministers v. Schmid erbringt der Verfasser einen geradezu verblüffenden Beweis dafür, daß er immer und überall nur ganz korrekt die Weisungen des Ministers ausgeführt hat, an der vielangefoch­tenenParallelaktion" gegen Hegelmaier, den man gleichzeitig strafrechtlich verfolgte, während man ihn für irrsinnig erklären wollte, völlig unbeteiligt war. Den Angriff des Abgeordneten v. Göz in der Abge­ordnetenkammer auf Häberlen zerzaust der Verfasser in böser Weise und giebt schließlich noch eine Dar­stellung wie er als schuldloses Opferlamm für die Sünden anderer büßen mußte. Seiner Ehre als Mensch und Beamter sei er diese Schrift schuldig.

Heilbronn, 16. Nov. Eine Deputation des Bottwarthalbahnkomites unter Führung des Ober­bürgermeisters Hegelmaier von Heilbronn ist von Sr. Exzellenz dem Herrn Ministerpräsidenten und Staats­minister der auswärtigen Angelegenheiten Dr. Frei­herr v. Mittnacht gestern in Stuttgart empfangen worden. Nach derNeckar-Ztg." nahm der Herr Ministerpräsident die Bitte um baldigste Fortführung der Eisenbahn von Beilstein nach Heilbronn wohl­wollend auf, betonte jedoch die ungünstige Finanzlage, welche zur Zeit allen weiteren Bahnprojekten mehr oder weniger entgegenstehe; es hänge alles von der Haltung der zukünftigen Abgeordnetenkammer zu diesen Projekten ab, worüber noch völlige Ungewißheit herrsche.

Jsny, 15. Nov. Im Gasthof zum Ochsen (Neue Post) wurde heute Nacht ein schwerer Diebstahl ausgeführt. Zwei elegant gekleidete Herren waren am Vorabend angekommen und verlangten ein Zimmer. Des bevorstehenden Jahrmarkts wegen waren schon alle Betten vergeben; um jedoch die Herren nicht ab- *weisen zu müssen, wurde ihnen ein Familienzimmer zum Uebernachten angetragen. Heute früh waren die Beiden verschwunden, und man entdeckte, daß von einem Schrank, der in dem betr. Zimmer stand, die Glasscheiben ausgehoben und sämtliche darin auf­bewahrten Wertgegenstände der Familie verschwunden waren. Den Wert der gestohlenen Schmucksachen (worunter drei goldene Uhren, zwei goldene Damen­uhrketten, zwei Colliers, zwei Paar Brillantohrringe, sonstige Brillanten, Ringe u. a.) schätzt man auf 3000 Von den Dieben hat man bis jetzt keine Spur; ins Fremdenbuch hatten sie sich als Kaufleute von München eingetragen.

T Pforzheim, 19. Nov. Die seit einigen Tagen vermißte Frau D. wurde am gestrigen Sonn­tag in der Enz bei Enzberg ertrunken aufgefunden. Der vor einigen Wochen bei Weißenstein ertrunkene Flößer aus Calmbach soll bis heute noch nicht auf­gefunden worden sein.

Straßburg, 19. Nov. Die Abschiedshul­digung für den Reichskanzler verlief großartig. Die Stadt prangte in reichem Flaggenschmuck. Nachmittags fand eikte Serenade des elsässischen Sängerbundes im Hofe des Statthalter-Palais statt. Während der

Joseph hat immer draußen an die Korridorthür geklopft, dann bin ich zu ihm hin- auSgegangen, um zu berichten, wie Sie sich befinden."

»Er thut wohl daran, für sein Leben ängstlich bedacht zu sein," sagte Doro­thea spöttisch; sie hatte dem Tode zu nah« in'S Auge geschaut, als daß ihre lang­jährige, beinahe lächerliche Leidenschaft für dm gleißnerischen Geschäftsführer nicht viel von ihrer Stärke eingebüßt haben sollte. Zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren war sie fähig, sein Betragen gegen sie zu prüfen, ohne daß die Stimme ihrer Ver­nunft vor der ihres Herzens verstummen mußte. Wie oft hatte er ihr im Laufe der Jahre nicht von Liebe und Heirat gesprochen, was natürlich ein gemeinschaftliches Interesse herbeiführen mußte, aber stet» hatte er der Vollziehung dieser Heirat auS- zuweichen gewußt. Eie erinnerte sich de» ewigen Wechsels von Jordan» Zärtlichkeit und Kaltfinn gegen sie, je nachdem er sie mehr oder minder für den Erfolg seiner Pläne ausgenutzt hatte, und sie erkannte jetzt die Falschheit und Selbstsucht deS Manne», den sie so lange Jahre hindurch geliebt hatte.

Mit ihrer Krankheit war auch die Binde verschwunden, welch« die Augm der allen Jungfer so lange geblendet hatte.

Eine Folge dieser in ihrem Herzen vorgegangenm Umwandlung war auch eine vollständige Veränderung ihrer Gefühle für Angelika. Sie schämte sich, wenn sie bedachte, wie aufopfernd da» von ihr so schlecht behandelte Mädchen sie während ihrer Krankheit gepflegt hatte, während der Mann, dem zu Liebe sie bei ihrer Gebieterin die Spionin gespielt, sie ohne Teilnahme hätte umkommen lassen. Ihre Verhüttung gegen den holden Liebreiz Angelika'» war eine ihr von Jordan aufge­zwungene Unnatur gewesen und sie war fest entschlossen, fortan Angelika'» Schutz­geist im .toten Hause" zu werden.

Als die Dämmerung ihre Schatten in dem Krankenzimmer auSzubreiten be­gann und Betty eben dir Lampen angezündet hatte, öffnete sich die Thür und Frau Dreßlrr trat ein.

Die Kranke stieß einen Freudenschrei au», al» sie ihr« Gebieterin erblickte.

Fahrt der fürstlichen Familie zum Bahnhofe bildeten 257 Vereine mit über 10 000 Mitgliedern, die Lam­pions trugen, Spalier. Auf eine Ansprache des Bürgermeisters dankte der Fürst für die großartige Kundgebung.

Berlin, 17. Nov. Die Reise des Kaisers zur Hofjagd nach Hummelsheim ist wegen der russischen Trauerfeierlichkeiten auf den 7. Dezember verschoben. Aus Kiel wird gemeldet, der Kaiser werde am 20. Nov. zur Vereidigung der Marinerekruten dort ein- treffen.

Berlin, 17. Novbr. In einem Leitartikel Tabaksteuer oder Biersteuer" erklärt dieKreuzztg." eine weitere Belastung der Tabakindustrie als den schlechtesten und sozialpolitisch gefährlichsten Weg, um zu einer Reichsfinanzreform zu gelangen. Sie müsse vor dem Beschreiten dieses Weges wegen der damit verbundenen Brotloswerdung vieler tausend Arbeiter, welche dann ins sozialdemokratische Lager übergehen, entschieden warnen. Dagegen fordert dieKreuzztg." auf, an Stelle der Tabaksteuer, die Erhöhung der Biersteuer vorzunehmen, was jetzt, wo Graf Caprivi, der sich gegen eine erhöhte Biersteuer persönlich enga­gierte, nicht mehr im Amte ist, leicht und ohne die ernsten sozialen Folgen wie bei der Tabaksteuer ein­zuführen wäre.

Berlin, 18. Nov. Zu Ehren der Exminister Eulenburg, Heyden und Schelling fand gestern Abend im Hotel Bristol ein Festmahl statt, welchem sämtliche in Berlin anwesenden aktiven Staatsminister beiwohnten.

Berlin. Neues Gasglühlicht. Ein neues Gasglühlicht, welches in Interessentenkreisen nicht unbedeutendes Aufsehen erregt, scheint dem in letzter Zeit so in's Blühen gekommenen Gasglühlichte noch mehr Freunde zuzuführen und demselben eine größer Zukunft zu sichern. Durch die neue Erfindung werden vor Allem die noch vorhandenen Mängel der bisherigen Glühkörper (Strümpfe) völlig beseitigt. Die Vorzüge dieser neuer Glühkörper, welche von der Neuen Deutschen Gasglühlicht-Compagnie, F. M. Aschner L Co. Berlin, Blumenstr. 65, fabrizirt wer­den, bestehen in einem höchst wichtigen Verfahren des Dr. Blücher, den Glühkörpern eine große Festigkeit und Haltbarkeit zu verleihen, ihre Verstäublichkeit zu verringern, ein direktes Anfassen mit der Hand zu er­möglichen und einen leichten Transport der abgebrannten Strümpfe in kleinen Cartons, ohne den bisher nöthigen com- plizirten Apparat erreichbar zu machen.- Hiermit verbunden ist eine ebenso bedeutende Erfindung des Ingenieur Aschner, welche in der Zusammen­setzung einer neuen Glühmaterie beruht, die ein besonders intensiv weißesLicht, ohne den- bisherigen grünlichen Schein ermöglicht. Diese höchst wichtigen neuen Erfindungen auf dem Gebiete der Gasglühlichtbeleuchtung haben schon in Interest

Frau Dreßler gab Betty einen Wink, sich zu entfernen, und setzte sich dann an da» Bett ihrer Kammerfrau.

Ich habe mit Freuden gehört," begann die Dame da» Gespräch,daß e» Dir wieder besser geht!"

Bald wieder ganz gut, gnädige Frau," erwiderte Dorothea, die sich im Bette aufgerichtet hatte und der Frau Dreßlers Teilnahme sehr zu Herzen ging, die stinkendste Medizin für mich ist Ihre Güte und Herablassung, die Sie sogar' jetzt an mein Krankenbett führt."

Davon brauchst Du nicht so viel Aufhebens zu machen, Dorothea. Es- liegt eine gute Pottion Egoismus von mir darin; Du kannst glauben, daß e» mir nicht angenehm war, mich von einer Anderen bedienen zu lassen, wenn ich damit über Betty auch keine Klage aussprechen will."

Dorothea bemühte sich, die Hand ihrer Gebieterin zu ergreifen, um sie zu küssen, aber die Letztere verhinderte dies.Laß, Dorothea, ich will diese übergroße Demut nicht mehr; ich war nur der schwache Schatten einer Frau, wenn ich sie mir bisher gefallen ließ, aber in letzter Zeit ist da» Nachdenken an mich herange­treten, ob ich nicht in meiner thatenlosen Trauer eine Sünde beging."

Dorothea starrte ihre Herrin groß an. Dieselbe kam ihr so verändert, so viel kräftiger geworden vor, daß sie ihr beinah« wie eine Fremde erschien.

Auch Deine Krankheit," fuhr Frau Dreßler, die das Erstaunen Dorothea's wohl bemerke, sott,hat mir ein Llewento mori zugerufen, doch sie nicht allein, e« kam noch ein anderer Umstand hinzu, der mich-" Sie stockte, als ob sie ver­

gebens nach paffenden Motten suchte, um das auszusprechen, was ihre Gedanken bewegte, und setzte dann nach kleiner Pause hinzu:Pflege Dich nur recht, damip Du bald wieder um mich sein kannst."

(Fortsetzung folgt.)