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von 25 ^ bis zu 80 vergeben. Den V. Preis von 25 ^ erhielt der Schreinermeister Jakob Stotz in Hirsau für Aufstellung und Benützung eines Brutapparats, sowie Besetzung eines fließenden Wassers mit Edelfischen.
-n. Weilderstadt, 31. Okt. Am letzten Sonntag, den 28. Okt., fand nachmittags von 3 Uhr an in der Stadtkirche zu Leonberg ein Kirchenkonzert statt, welches der Leonberger Kirchenchor unter der bewährten Leitung des Hrn. Schul- lehrerMaier im Verein mit dem evang. Kirchenchor von Weilderstadt und dem von Münchingen veranstaltete. Das Programm enthielt 6
Chöre, worunter 3 Gesamtchöre. Dieselben wurden von den drei oben genannten Kirchenchören (ca. 80 Sängern) ausgeführt und waren von packender Wirkung (namentlich der Chor von Abel: „Wer unter dem Schirm rc.). Der Leonberger Kirchenchor sang noch 3 Chöre allein, welche mit musterhafter Präzision zum Vortrag kamen. Als Solisten hatten die Güte mitzuwirken: Frau Oberförster S ch e m e r-Leonberg, Hr. Hofmusikus Neumeister -Stuttgart, Hr. Lehrer Strecker-Leonberg. Frau Oberförster Schemer,
welche über eine reine, biegsame, auch in den oberen Lagen noch sehr kräftige Sopranstimme verfügt, sang zwei Lieder mit Orgelbegleitung, Hr. Neumeister glänzte durch sein künstlerisches Violinspiel. Hr. Lehrer Strecker erfreute durch seine kräftige Baritonstimme (Arie aus Elias: „Dann werden die Gerechten leuchten u. s. w.), sowie durch sein gemütvolles Cellospiel. Das Konzert war, vank der guten Witterung, auch von den umliegenden Orten sehr zahlreich besucht. Nach der Aufführung in der Kirche fand noch eine gesellige Vereinigung in dem Holzäpfel'schen Saale statt, bei welcher die Einzelvorträge der genannten Vereine mit den eingestreuten Reden in hübscher Weise wechselten. Nach dem Chor „Das ist der Tag des Herrn" (ausgeführt vom Weilderstädter Kirchenchor) ergriff zuerst Hr. Dekan vr. Camerer das Wort. Er gab zuerst seiner herzlichen Freude über das schöne Zusammengehen mehrerer Vereine des Bezirks ,im Dienste einer edlen Sache Ausdruck und sprach sodann allen Mitwirkenden seinen innigsten Dank aus. Hr. Stadtpfarrer T r a u b-Leonberg bezeichnet« als Vertreter der Schule in ganz treffender Weise die Leitung eines Kirchenchors als ein vorzügliches Mittel, um die sich oft ergebenden, in der Natur der Sache liegenden Differenzen zwischen Kirche und Schule in reine harmonische Accorde aufzulösen. Hr. Schullehrer Fischer-Münchingen erwiderte im Namen der 3 Dirigenten und erhob schließlich sein Glas auf das Wohl der Herren Vorstände. — So verlief auch der gesellige Teil des Tages in schönster Harmonie!
Stuttgart, 2. Nov. Aus Anlaß des Ablebens Seiner Majestät des Kaisers Alexander III. von Rußland ist Hoftrauer von heute an auf 3 Wochen, je hälftig nach der 3. und 4. Abstufung der Hoftrauerordnung, angeordnet worden.
Stuttgart, 2. Nov. In der Strafsache
gegen Eich ho ff und Agster wegen Beleidigung des Oberlandesgerichtsrats a. D. Bücher wird um '/,9 Uhr die Verhandlung wieder ausgenommen. Die beiden Angeklagten erhalten das Schlußwort, zu dessen Ende Agster erklärt, nicht um seine Freisprechung bitten zu wollen, sondern nur um eine möglichst allseitige Würdigung der in Betracht kommenden Momente. Die Verhandlung wird um 9 Uhr geschloffen und die Urteilsverkündigung auf 5 Uhr angesetzt. Bei Beginn der Nachmittagssitzung eröffnet' der Vorsitzende den Parteien, daß sich eine Viertelstunde vorher bei der Gerichtsschreiberei ein Mann gemeldet habe, der angebe, eine wichtige Mitteilung in der vorliegenden Anklagesache machen zu wollen. Die fragliche Persönlichkeit sitzt bereits auf der Zeugenbank. Es ist eine stattliche Figur in langem ergrautem Haupt- und Barthaar, die schon vor der Sitzung unter dem Publikum nicht minder als unter den am Prozeß direkt beteiligten Personen ein gewisses Befremden erregte, weil niemand, als sie sich auf der Zeugenbank niederließ, den Zweck ihres Erscheinens zu deuten vermochte. Der Vorsitzende richtet an die Parteien die Anfrage, ob von einer der beiden Seiten ein Antrag auf Vernehmung des Mannes gestellt werde. Der Staatsanwalt und die Verteidiger kommen überein, sich bei dem Unbekannten zunächst nach Namen und Begehr zu erkundigen, und ziehen sich mit ihm, nachdem das Gericht die Verhandlung auf 5 Minuten ausgesetzt hat, in das Zimmer des Staatsanwalts zurück. Nach Beendigung der 5 Minuten bietet der Saal das vorherige Bild. Verteidiger Haußmann macht die Mitteilung, daß man es in dem Unbekannten mit dem Methodistenprediger Ernst Gebhardt aus Karlsruhe zu thun habe, der gekommen sei, gegen Klemm, den Hauptbelastungszeugen Schaber's, gewichtige Aussagen vorzubringen; er stelle den Antrag auf Vernehmung des Gebhardt. Dem Antrag, gegen den der Vertreter der Anklage nichts einzuwenden hat, wird stattgegeben. Die Beweisaufnahme wird somit ganz unerwarteter Weise von neuem eröffnet. Gebhardt giebt an, er habe als Methodistenprediger seit zwei Jahren die Aufsicht über den Distrikt des Predigers Klemm von Nagold. Im Mai 1892 sei er in Amerika gewesen und habe dort den Schaber kennen gelernt, der auf ihn den Eindruck eines sehr ehrbaren Mannes machte. In ihm habe sich der Glaube festgesetzt, daß Schaber zwar vor Gott ein Mörder sei wegen seines Menschenhasses, aber vor den Menschen sei er unschuldig. Der Zeuge erzählt ausführlich, wie er von Amerika aus brieflich sowie nach seiner Rückkehr brieflich und persönlich auf Klemm einzuwirken versucht habe, um Entlastungsbeweise für Schaber zu bekommen, aber vergeblich. Zur Entschuldigung des Klemm giebt er an, daß er zwar nicht böse, aber furchtsam sei. Der Zeuge hat Klemm stets für einen „Angstmeier" gehalten. Aus seiner Furchtsamkeit ergebe sich sein Mangel an Wahrheitsliebe. Zur Illustration dieses Mangels führt der Zeuge aus, er habe, weil er eine
Einwirkung des Bücher auf Klemm gemutmaßt habe,, an diesen die Anfrage gerichtet, ob er nach dem Erscheinen der Broschüre des Schaber mit Bücher Verkehr gepflogen habe. Darauf sei von Klemm am 4. November 1892 ein Brief an ihn gerichtet worden, in dem ersterer die Erklärung abgab, daß er weder „schriftlich noch wörtlich" mit Bücher Verkehr gehabt habe. Diese Erklärung sei bekräftigt worden durch die Versicherung: „Gott'weiß es! Er ist mein Zeuge!" AuS der Vernehmung des Klemm sei nun aber in den letzten Tagen, wie er in den Zeitungen gelesen habe, hervorgegangen, daß Klemm gleichwohl am 19. August 1892 einen Brief an Bücher geschrieben habe. Die beiden Briefe werden, nachdem der erstgenannte dem Vorsitzenden vom Zeugen aus-^ gehändigt worden ist, verlesen. Sodann belehrt der Vorsitzende den Zeugen, daß von einem eigentlichen Verkehr zwischen Klemm und Bücher nicht gesprochen werden könne, da Bücher dem Klemm nicht antwortete, und daß mithin die Erklärung des letzter» in dem Schreiben vom 4. November 1892 wohl keine unwahre sei. Der Zeuge meint dagegen, daß Klemm kein Jurist sondern ein einfacher Mann sei, und daß er mit dem wahren Sachverhalt hinter dem Berge gehalten habe. Die Beweisaufnahme wird geschlossen. Während der Staatsanwalt glaubt, daß die Aussagen des Zeugen durchaus keine Veranlassung zur Abänderung der Strafanträge schüfen, ist der Verteidiger Haußmann der Ansicht, daß sie ein novum seien, das ein bedeutendes Licht in die Sache zu tragen geeignet sei. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück. Um 7'/« Uhr erfolgt die Urteilsverkündigung. Agster und Eichhoff werden wegen eines Vergehens der Beleidigung zu je zweiMonaten Gefängnis verurteilt^- und haben außerdem je die Hälfte der Kosten mit solidarischer Haftbarkeit zu tragen. Dem Oberlandesgerichtsrat a. D. Bücher sowie dem k. Justizministerium wird die Befugnis zur je einmaligen Publikation des verfügenden Teils des Urteils im „Staatsanzeiger",, in der „Schwäb. Tagw." und in der „Neckarzeitung" zuerkannt. Wie man hört, werden die Verurteilten die Revision anmelden.
Groß-Sachsenheim, 4. Nov. Gestern abend 9 Uhr passierte während der Zug 38 auf-der Station stand, eine leere Locomotive aus Vaihingen kommend, welcher die Linie freigegeben worden war, die hiesige Station. Der verheiratete Briefträger Metzger von hier, Vater von 6 Kindern, hatte am Zug 38 noch zu arbeiten und wollte eben das Geleise überschreiten, als die leere Maschine heranbrauste. Metzger wurde überfahren und schwer verstümmelt;. 2 Stunden später war er eine Leiche.
Heilbronn, 2. Nov. Vor der Strafkammer dahier hatten sich gestern 6 Gemeinderäte von Enzweihingen OA. Vaihingen zu verantworten. Ein weiterer Gemeinderat und der Schultheiß Hummel von da sind während der Untersuchung gestorben. Die Anklage ging dahin, die Angeklagten haben am
vor Jordan, Mißtrauen gegen Dorothea hatten in ihren Keimen von Anfang an in Angelika's Brust gelegen, seitdem sie das finstere, unheimliche Haus der Frau Drrßler betreten, aber jetzt wuchs diese Angst bis zum Erbeben und hätte Angelika wohl ganz mutlos urd verzweifelnd gemacht, wenn nicht die Freude über das Wiedersehen ihres liebenswürdigen Reisegefährten jenen beängstigenden Gefühlen das Gleichgewicht gehalten hätte.
Ihre Freude über seine Gegenwart ließ sie sein Verbot abermals vergessen. Als er schwieg, bog sie sich über die Mauerbrüstung und erzählte ihm von allen ihren Wahrnehmungen im Hause, wie unfreundlich ihr in demselben begegnet werde und daß sie ihre Großtante noch gar nicht zu sehen bekommen.
Brüstung und Pfeiler des Pavillons waren mit Kaprifolium umwachsen, das seine aromatisch duftenden, gelben und roten Blüten in den Strahlen der warmen Frühlingssonne üppig erschlossen hatte. Zwischen, diesen blühenden Ranken sah die liebliche Kleine zu dem jungen Manne hinab, der, über die- reizende Bild ganz entzückt, nun auch seinerseits die Vorsicht vergaß. Ihr schwarzes, welliges Haar fiel zu beiden Seiten ihres anmutigen Köpfchens nieder, als wollte eS sich zu ihm hinabnngtln und seine Hand umschlingen, die er ihr jetzt hoch entgegenstrecktr. Das Sonnenlicht fiel, indem sich Angelika vorbeugte, voll und glänzend auf ihr frisches Gesichtchen. Der junge Mann fühlte bei dem Anblick so viel holdseligen Reizes sein Blut stocken, er erfaßte ihre Hand, dir sie zu der semigen hinabstreckte, und drückte einen glühenden Kuß auf dieselbe.
Sie zuckte zusammen, als sie seine warmen Lippen auf ihrer Hand fühlte, und diese Wärme schoß wie ein elektrischer Strom durch ihren ganzen Körper bis in ihr Herz. Sie blickte in seine Augen und las mit einem Male darin verständnisvoll jene ewig alte und doch immer wieder neue Geschichte, die sich täglich wiederholt und in alle Ewigkeit von Neuem wiederholen wird, jene Geschichte, die den König aus dem Thron wie den Bettler in der Hütte gleich entzückt, die Geschichte von glücklich erwiederter Liebe.
„Angelika!"
Unendliche Zärtlichkett lag in dem Ton seiner Stimme, als er ihren Namen nannte; aber sie konnte ihm nicht in gleicher Weise antworten, denn sie wußte seinen Namen noch immer nicht.
„Soll ich denn den süßen Klang Ihrer Stimme nicht mehr vernehmen?"
Sie errötete, als ob ihre in diesem Fall so berechtigte Neugier eine Schuld wäre.
„Weiß ich doch immer noch nicht —"
»Woran mahnen Sie mich?" rief er plötzlich sich besinnend aus. „Wie glücklich würde ich sein, wenn Sie mich .Gerhard' nennen würden!"
„Gerhard!" lispelte sie und drückte ihm die Hand, entzog ihm aber die ihrige rasch, gerade, als er weiter sprechen wollte, und wandte sich um, da sie ein Geräusch hinter sich zu vernehmen glaubte.
Sie hatte sich nicht getäuscht. In nicht zu großer Entfernung sah sie zu ihrer Bestürzung Joseph beschäftigt, den Kies des Weges, der sich um den Rasenplatz vor dem Pavillon schlängelte, glatt zu Harken.
Der Gärtner hatte, durch das Gebüsch versteckt, aus weiter Ferne die lebhaften Bewegungen des Fräuleins bemerkt und war darauf allmählich näher gekommen.
„Der Gärtner!" rief Angelika erschreckt über die Mauer hinab.
„Morgen um dieselbe Stunde!" tönte es herauf.
Angelika's Herz klopfte; ihr war zu Mute, als ob Jeder ihr ansehen müßte, was sich in der letzten Virtelstunde zugetragm hatte. Ihre Unruhe war so groß, daß sie nicht sitzen bleiben konnte; unüberlegt sprang sie auf, ergriff ihr Buch, verließ den Pavillon und kehrte in das HauS zurück.
Sowie sie in den Speichergang getreten war, eilte Joseph quer über den Rasenplatz und sprang die Stufen zum Pavillon hinauf; er war zu schlau, als daß ihm Angelika's ganzes Gebühren nicht hätte auffallen sollen.
(Fortsetzung folgt.)