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in den Weinbergen gegen den Neckar zu eine in Manns­höhe über dem Boden erhaltene Mauer mit Mörtel­verband, höchst wahrscheinlich römischen Ursprungs, aufzufinden, in deren nächster Nähe unter dem Erd­boden gut erhaltene Fundamente von römischen Mauern liegen. Die eine davon, von über 1 m Dicke, läuft gegen den Neckar zu in der Richtung gegen die letztes Jahr entdeckten Pfähle. Ferner wurde heute in der Westecke des Kastells ein steinernes Reliefbild einer gallischen Matrone (vgl. GoethesMutter" im 2.

Teil des Faust) ausgegraben. Auch mehrere Münzen wurden schon gefunden.

Zwei Württembergs!, Notariatsassistent und Vizefeldwebel d. R. Bürkardt von Niedernhall und Notariatsassistent und Unteroffizier d. R. Blank von Calw sind Seitens des Auswärtigen Amts zur Dienstleistung als Kasten beamte beim Kaiserlichen Gouvernement von Deutsch-Ostafrika berufen worden.

Die Beiden treten die Reise nach Dar-es-Salam be­reits am 21. d. Mts. von Neapel aus mit dem ReichspostdampferKanzler" an.

Nach demSt.-Anz." gelang es nun, in der Person eines 18 Jahre alten Müllerknechts Johannes Gauß von Ebhausen, OA.'Nagold, den mutmaßlichen Brandstifter in Sulz a. N. zu entdecken und hinter Schloß und Riegel zu bringen. Hoffentlich hören jetzt die Brände auf und kehrt wieder Ruhe in die schwer geängstigte Stadt ein.

Göppingen, 12. Okt. Die mit dem Ver­bandstag der württ. Flaschnermeister verbunden ge­wesene Flaschnereiausstellung wurde am Mitt­woch Abend geschloffen. Das Ergebnis derselben war auch in finanzieller Hinsicht ein sehr befriedigendes.

Es wurden 5023 Eintrittskarten gelöst; es ergibt sich ein Reinertrag von 5600

Waldhausen, OA. Geislingen, 10. Oktbr.

Der res. Schultheiß Johannes Hagmaier ist gestern im 87. Lebensjahr an Altersschwäche gestorben. Hag­maier ist der früher vielgenannteBauernkönig", der f- Z- großes Aufsehen erregte, als er im Jahre 1848 mit vier prächtigen Rappen und einer deutschen Fahne zum Parlament nach Frankfurt fuhr. Er war ein kerndeutscher Mann und ein echter Albbauer. Sein Neffe Oekonomierat Bantleon ist zugleich sein Nach­folger auf dem Hofgut, mit dem eine größere Brauerei verbunden ist, gewesen. Hagmaier hat die Kirchen­pflege und Gemeinde in Waldhausen mit vielen Ge­schenken bedacht.

Steinheim am Aalbuch, 9. Okt. In den Waldungen des Aalbuchs hält sich gegenwärtig seltenes Wild auf, 2 Rudel Hirsche von 10 bis 15 Stück.

Ein prächtiger Sechsender von ca. 180 Pfv. wurde dieser Tage von Forstwalt Schickin Bartolomä erlegt.

Weingarten, II. Okt. Oberförster Hoff- mann von Baindt schwebte gestern in großer Lebens­gefahr. Als er in Baienfurt an der elektrischen Straßenbahn vorbeifahren wollte, scheute das Pferd.

Der Wagen fiel gegen die Lokomotive und der Ober­förster, der herausgeschleudert wurde, gerade vor dieselbe, doch war die Lokomotive zum Stehen ge-

Jordan saß wie auf Kohlen. Wiederholt wandte er den Kopf und sah nach dem an der Wand hängenden Regulator, auf dessen Zifferblatt der Zeiger unbarmherzig fortrückte. Er wartete bereits über eine Stunde, die Konferenz dauerte hinter ver­schlossenen Thüren fort, der Justizrat blieb unsichtbar.

Während Jordans Aufenthalt in dem Bureau des Justizrats trat in dem toten Hause" ein ganz unvorhergesehenes Ereignis ein, das alle Verhältnisse in demselben verändern sollte.

Obgleich Frau Dreßler fett Jahren allen Umgang abgebrochen hatte und keine anderen Briefe mehr empfing, als die ihres Neffen Leopold, hütete Jordan doch vorsichtig das Haus, und jeder ankommende Brief wurde genau geprüft, bevor er in die Hände der Frau Dreßler gelangte. Heute zum ersten Male fehlte er, als der Briefträger die Glocke am Hausthor zog. Niemand öffnete, weil Niemand ihn hörte.

Dorothea die eine Stunde zuvor ihrer Herrin das Frühstück servirt hatte, be­fand sich jetzt in ihrem nach dem Garten zu gelegenen Zimmer vor dem Spiegel, um durch olle Toüettsrkünste von ihren fünfzig Jahren für den äußeren Anblick ein Dutzend Jahre und womöglich noch mehr zu subttahiren.

Da ihm heute nicht geöffnet wurde, zog der Postbote wiederholt und mit verstärkter Kraft die Klingel. Endlich hörte eins der in der Küche beschäftigten Mädchen den Ton der Hausglocke. Das Mädchen ritte verwundert über Hof und Hausflur, öffnete den Thorweg und nahm von dem draußen stehenden Postboten Zeitungen und einen Brief in Empfang.

Die Adresse des Briefes lautete an Frau Dreßler, geborene Baroneß von Bartenstein. Die junge Dienerin ging nach dem Zimmer der Frau Dreßler, welche, wie stets, abgespannt und teilnahmslos in ihrem Lehnsessel lag. Verwundert richtete sie sich auf ; sie konnte nicht begreifen, wer ungerufen an ihrer Thür zu erscheinen

signiert. Die Resultate werden erst während der Nacht bekannt werden. Die Zahl der Stichwahlen wird eine außerordentlich große sein. Dieselben werden am 21. Oktober stattfinden. Ex-Minister Beernaert und 5 andere klerikale Abgeordnete sowie 17 klerikale Senatoren sind bereits als gewählt erklärt worden. Die Sozialisten haben 80 Kandidaten aufgestellt und hoffen vier Sitze zu erobern. Die Ruhe ist bisher ungestört. In den Industriegebieten befürchtet man jedoch Ruhestörungen wenn morgen die Resultate verkündet werden.

Amsterdam, 13. Oktober. In den meisten Druckereien haben die Schriftsetzer die Arbeit wieder ausgenommen, nachdem ihnen Concessionen gemacht worden sind. Eine große Anzahl jedoch sind ohne Arbeit, die während des Aufstandes durch andere er­setzt wurden.

Paris, 13. Okt. Verdi's große OperOthello" wurde gestern zum ersten Male im Opernhause auf­geführt. Der Vorstellung wohnten Perier und viele Minister bei. Verdi wurde während der Aufführung durch den Unterrichtsminister in die Präsidentenloge gerufen. Perier verlieh dem Componisten das Groß­kreuz der Ehrenlegion. Am Schluffe der Vorstellung betrat Verdi die Bühne und verkündete, daß er seine Rechte aufOthello" während der ersten 15 Vor­stellungen zu Gunsten der Armen abtrete. Beim Ver­lassen der Oper wurde Perier kaum beachtet, so daß die kühle Haltung des Publikums ihm gegenüber zu der Begeisterung die man Verdi entgegenbrachte einen mächtigen Contrast bildete.

London, 12. Oktbr. DieTimes" meldet aus Peking: In seinem Bericht über seine Nieder­lage der Schlacht am Palufluffe schreibt der chinesische Admiral Ting der Ueberlegenheit den japanischen Schnellfeuerkanonen zu. Infolge dessen sind Unter­handlungen mit Krupp eingeleitet zur Lieferung der gleichen Kanonen wie die japanischen. Die chine­sische Regierung soll je drei Schiffe der chilenischen und argentinischen Regierung angekauft haben.

Vermischtes.

Ein Stück Sozialpolitik im Eisen» bahnverkehr. Wir lesen in derDeutschen Ver­kehrszeitung" : Wenn die Eisenbahnverwaltungen heut­zutage förmlich mit einander wetteifern, die neuen Bahnhöfe als monumentale Prachtbauten zu gestalten, die Wartesäle, Speisesäle und Toilettenräume für das reisende Publikum mit Bequemlichkeiten und Annehmlichkeiten aller Art auszustatten, so ist es mit Freuden zu begrüßen, daß man auch beginnt, der Unterkunft der Bahnbedien steten seine Sorge zuzuwenden. Wer hat nicht schon, während er be­haglich in die Polster des Eisenbahnkoupss zurück­gelehnt durch die Nacht dahinsaust, mit Teilnahme der Männer gedacht, die indessen auf der Lokomotive in schwerer und verantwortungsvoller Arbeit für ihn thätig sind! Kommen nun die Angestellten, Führer, Heizer u. s. w. aufs äußerste ermüdet an eine Station, auf welcher sie bis zur Rückfahrt einige Nachtstunden oder die ganze Nacht zu verbringen haben, ehe ihr

wagte. Sie rief ein halb unmutiges, halb verwundertesHerein", die Thür wurde von außen geöffnet; die junge Dienerin trat über die Schwelle und, sich tief ver­neigend, sagte sie in ehrfurchtsvollem Tone, daß der Brief in ihrer Hand eben an­gekommen und ihr zur Bestellung übergebm worden sei.

Beim Anblick des Mädchens und bei der Ankündigung des Briefes zuckte Frau Dreßler krampfhaft zusammen, aber wie alle nervösen Personen durch ein be­stimmt an sie herantretendes Ereignis aus ihrer Abspannung und Lethargie heraus- geriffrn zu werden pflegen, erholte auch sie sich von ihrer ersten Überraschung, sah das junge Mädchen einen Augenblick starr an, wodurch demselben ganz unheimlich zu Mute wurde, nahm dann aber den Brief in Empfang und gab der Überbringerin desselben, ohne ein Wort zu sprechen, ein Zeichen der Entlassung.

Als Frau Dreßler sich wieder allein sah, erhob sie sich, trat an das Fenster, schlug die schweren Vorhänge zurück und prüfte die Adresse des Briefes. Die Hand­schrift auf der Briefadresse war nicht die ihres Neffen Leopold, sondern eine ihr ganz unbekannte. Sie zögerte einige Augenblicke, den Brief zu erbrechen, allein der Gedanke, daß vielleicht ein Unglücklicher ihre Hilfe darin in Anspruch nehmen möchte, bestimmte sie, eS doch zu thun.

Wäre Jordan zu Hause gewesen, hätte Frau Dreßler den Inhalt des Briefes nimmer kennen gelernt. Neben vielen anderen Geschicklichkeiten besaß Jordan auch die, ein Briefcouvert auf so künstliche Art zu öffnen und wieder zu verschließen, daß Niemand die Verletzung des Briefgeheimnisses ahnen konnte.

Mit dem Briefe, den Frau Dreßler in unbeschreiblicher Aufregung durch­gelesen, war ein frischer Luftzug in das tote Haus gekommen, der die auf demselben lastenden dunklen Wolken von Melancholie und Unthätigkeit plötzlich in Bewegung setzte und aufwirbelte, daß es wie ein neuer Horizont der Zukunft vor Frau Dreß- lerv Augen auftauchte. (Fortsetzung folgt.)

bracht worden. Der Wagen wurde zertrümmert, der Oberförster kam mit einigen Hautschürfungen davon.

Mannheim, 13. Okt. Das badische Groß­herzogspaar und das Erbgroßherzogspaar sind soeben zu der morgen stattfindendcn Enthüllungsfeier des Kaiser Wilhelms Denkmals hier eingetroffen. Die­selben wurden mit Begeisterung empfangen. Die Stadt ist reich geschmückt.

Berlin, 12. Okt. Wie zuverlässigst verlautet beabsichtigen die Hannoveraner gleichfalls, demnächst eine Huldigungsfahrt zum Fürsten Bismark zu unternehmen.

Berlin, 12. Okt. DemTageblatt" wird aus Petersburg geschrieben, daß die dortigen ärzt­lichen Kreise befürchten, der Zar sei nicht an einem Nieren- sondern an einem Krebsleiden erkrankt. Sie weisen daraufhin, daß die Großmutter des Zaren, sowie andere Familienmitglieder an Krebsleiden ge­storben sind. Es heißt nach Ankunft des Zaren auf Korfu werde ein Konsilium der hervorragenden Chir­urgen Europas berufen.

Berlin, 13. Okt. Heute fand die angesagte Versammlung der Brauereien, Gastwirte und Sozial­demokraten über die Beendigung ves Boykotts statt. Die Boykottkommission hatte eine Liste der wiederauf­zunehmenden Arbeiter gestellt. Von derselben hatten die Brauereien 33 unter 300 gestrichen. Singer und Auer erklärten Namens der Berliner Arbeiterschaft unter diesen Umständen auf eine gütliche Auseinander­setzung verzichten und die Verhandlungen abbrechen zu müssen.

Berlin, 13. Okt. Ueber die Wirkung des Diphtherie-Heilserums äußert sich Prof. Virchow zu einem Mitarbeiter derBerl. Zeitung", daß der Wert des Mittels vorläufig in seiner stark schützenden Wir­kung bestehe, welche Wochen, ja Monate Vorhalten könne, ob eine dauernde Heilung möglich sei, müsse abgewartet werden. Der Berliner Magistrat hat 6000 Mk. zur Beschaffung des Mittels bewilligt.

Berlin, 14. Okt. Der Kaiser traf heute morgen 8 Uhr in Cronberg ein und begab sich mit der am Bahnhof anwesenden Kaiserin Friedrich sofort nach Schloß Friedrichshof.

Hamburg, 13. Okt. Der Schuhmacher Jahns in Altona wurde wegen Hochverrats und anarchistischen Umtrieben verhaftet. Weitere Verhaftungen sind wahr­scheinlich. Die Untersuchung wird sehr geheim geführt.

Brüssel, 14. Okt. Das allgemeine Stimm­recht wird heute in Belgien zum ersten Male aus­geübt werden bei der Neuwahl sämtlicher Kammer (152) und Senatsmitglieder (76). Wahlberechtigt sind nach dem neuen Wahlrechte 1,370,000 Bürger, abzugebende Stimmen sind laut dem System des Pluralvotums 2,100,000. Am heftigsten wird die Agitation noch heute in Brüssel und Lüttich betrieben, wo bisher liberale Vertreter gewählt worden sind. Die Sozialisten kämpfen mit der größten Energie in Brüssel, Mons, Charleroi, Gent, Lüttich und Ver- viers. In diesen Städten sind die Truppen kon-

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