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erfahren. Die Belaubung ist schön geblieben, was man allgemein der Bespritzung zuschreibt, auch das Holz ist gesund. Die Hopfenernte ergiebt nach Fülle und Güte ganz befriedigende Erträge, dagegen ist die Stimmung der Hopfenpflanzer bei den niedrigen Preisen eine nicht gerade rosige, zumal man von Preissätzen von 3540 hört und liest. Unter der ungünstigen Witterung haben die Kartoffeln sehr gelitten. Auch hört man Klagen über die Unmasse von Engerlingen, welche die Knollen anfressen. Das Rindfleisch ist auf 75 Pf., das Schweinefleisch auf 70 Pf. gestiegen, was auf dem Lande schon lange nicht mehr da war, wogegen die Getreidefrüchte einen bedauerlich niederen Preisstand haben. Dinkel kostet 4,40-4,20 Kernen 7,40-7,10 Haber 5,50 bis 5,35 Heu 1,80, Stroh 1,50.

Heilbronn, 15. Sept. Von einem Feld­wächter wurde gestern früh in einer Weidenanlage an der Weinsbergerstraße ein etwa 20 Jahre altes, von Marburg in Oberhessen gebürtiges Mädchen in bewußtlosem Zustande vorgefunden. Wie sich bald herausstellte, hat das Mädchen in selbstmörderischer Absicht Phosphor zu sich genommen. Aus den bei ihr Vorgefundenen Abschiedsbriefen geht hervor, daß sie aus dem Leben scheiden wollte, weil sie von ihrer in Bückingen wohnhaften Dienstfrüu grundlos des Diebstahls beschuldigt worden sei. Nachdem der Lebensmüden Brechmittel verabreicht worden waren, wurde sie in den Spital verbracht, wo sich ihr Zu­stand gebessert hat.

Neuenstadt, 13. Sept. In dem benachbarten Weiler Kreßbach erschlug vorgestern der dortige An­walt Seibold seinen Knecht mit einem Misthaken. Der That war ein Wortwechsel wegen einer Mistgabel vorausgegangen. Der Knecht verschied nach 2 Stunden. Der Thäter, ein »ermögliche! Mann, ist in Haft ge­nommen worden.

Gaildorf, 17. Sept. In Hausen a. Roth brannte heute Nachm. 12'/- Uhr das Wohnhaus des Bauern Strähle nieder; der Mobiliarschaden wird ziemlich groß sein, da nur weniges gerettet werden konnte. Den Brand haben 2 erst vierjährige Mädchen verursacht, die mit Zündhölzchen in der Streuhütte spielten.

Pforzheim, 19. Septbr. Der heutige Jung-Schweinemarkt hatte in 26 Partien 110 Stück Ferkel und 6 Läufer aufzuweisen. Bei leb­haftem Handel wurden nahezu sämtliche Ferkel zu Preisen von 2540 ^ abgesetzt. Ein Paar Läufer wurde zu 70 verkauft. Gegen 9 Uhr waren auf dem Waisenhausplatze bereits 54 Wagen Kar­toffeln und 8 Wagen Filderkraut zugefahren. Kartoffel kosteten per Sester 80 bis 1 Filder­kraut per 100 1216

München, 17. Sept. Die broncene Büste des Prinzregenten in der Vorstadt Neuhausen wurde gestern Nacht vom Sockel gestoßen, ohne indes weitere Beschädigungen zu erleiden. Zwei Taglöhner

und ein Kesselschmied wurden als der That verdächtig verhaftet. Sie haben auch eingestanden, wollen jedoch in betrunkenem Zustand und im Scherz gehandelt haben.

Leipzig, 17. Sept. Im gestrigen Ent­scheidungs-Rennen zwischen Cody und Fischer-München legte Ersterer in 7 Stunden 229 Kilometer und 912 Meter zurück. Fischer gab das Rennen nach 1'/, Stunden auf.

Berlin, 18. September. Das Vorgehen der Kriminalpolizei gegen die Wucherer zieht immer weitere Kreise. Gestern wurden wieder bei verschiedenen ver­dächtigen Personen Haussuchungen vorgenommen.

Berlin, 18. Sept. Heute wurden von dem Schöffengericht der Chefredakteur des Lokalanz., Kupfer, und der Schriftsteller Kroker wegen groben Unfugs, begangen durch die Verbreitung der falschen Nachricht vom Untergange des Hamburger PacketfahrtdampfersAugusta Viktoria", unter An­nahme mildernder Umstände zu je 50 ^ Geldstrafe, eventuell 5 Tagen Haft verurteilt. Der Amtsanwalt hatte das höchste zulässige Strafmaß, 6 Wochen Haft, beantragt.

Berlin, 18. Sept. Ein hiesiger Kaufmann wurde nach seiner Angabe von zwei Reservisten, mit denen er gekneipt hatte, auf der Hasenhaide nieder­geschlagen und beraubt.

Berlin, 18. Sept. Hinsichtlich der Kund­schafterdienste, welche der hiesige russische Militär- Attache Dubassow während der Manöver seiner Regierung in Pillau leistete, wird der deutschen Tages­zeitung aus Königsberg gemeldet, daß auch der dor­tige Konsul in einer unbequemen Lage sich befinde, weil er seinen Landsmann begleitete als ein Gens­darm beide dort entdeckte, wo der Zutritt untersagt war.

Varzin, 17. Sept. Der Huldigungszug der Posener traf Mittags 1'/- Uhr bei schönstem Wetter ein. Der Fürst und die Fürstin wurden bei ihrem Erscheinen auf der Schloßveranda stürmisch be­grüßt. Bismarck hielt nach der Ansprache des Oeko- nomierates Kennemann eine ^ständige Rede, worin er von großen Gesichtspunkten ausgehend, das Ver­hältnis zwischen Polen und dem preußischen Staate in den beiden letzten Menschenaltern vorführte. Der Eindruck seiner Ansprache war überwältigend. Der Fürst sprach anfangs, durch Unwohlsein etwas ge­hindert, stockend, später freier und zuletzt im alten Tempo rüstigster Frische. Die Rede schloß mit einem Hoch auf die deutschen Frauen im Allgemeinen, und auf die Frauen der Posener im Besonderen. Alsdann brachte der Gymnasialdirektor Riehl-Bromberg ein Hoch auf die Fürstin aus. Nach Absingen des Liedes Deutschland, Deutschland über alles" und der Ueber- gabe von landwirtschaftlichen Produkten der Provinz, marschierten die Teilnehmer des Zuges ab. Die Ab­ordnung war begeistert über den guten Gesundheits­zustand des Fürsten. Um 4'/- Uhr fand ein Essen von 50 Gedecken im Schlöffe statt. Als Gäste waren u. a. anwesend Konsul von Hansemann aus Berlin

und Baron und Baronin Merck-Hamburg. Bei Tisch- war der Fürst sehr gesprächig. Nach seiner Rede äußerte der Fürst:Es thut mir immer gut, wenn ich frei heraussprechen kann; ich fühle mich jetzt wohler als bei Beginn meiner Rede."

Lemberg, 18. Sept. In Ottynia hat die Cholera, da sich das Volk, wie vor einiger Zeit ge­meldet, den behördlichen Maßregeln aus Aberglauben widersetzt, bedenkliche Dimensionen angenommen, be­sonders nachdem der Ortsvorstand, bewogen durch einen Ueberfall auf das Choleraspital, bei dem die Beamten mißhandelt und zwei kranke Frauen entführt wurden, erlaubt hatte, die Kranken in ihren Häusern- zu pflegen. In vergangener Nacht wurde das Haus des Ortsvorstehers in Brand gesteckt, weshalb noch heute ein Regierungskommissar abgesandt ist.

Rom, 17. Sept. Vier junge Männer ver­suchten am Marineministerium rotfarbige Aufrufe anzuschlagen. Die Polizei kam dazu und verhaftete einen; den drei andern gelang es, zu entfliehen. Die Aufrufe waren in London hergestellt und enthielten die Aufforderung zum Kampf gegen die Tyrannei.

Paris, 17. Sept. Die Blätter veröffent­lichen das Testament des Grafen von Paris, , datiert Stowehouse 21. August 1894 mit der lieber- schrift:Letztes Adieu an meine Freunde". Der Graf sagt u. A. in dem Testament, für ihn sei es ein Trost zu denken, daß alle Monarchisten sich seiner erinnern würden, wenn für Frankreich glückliche Tage Hereinbrechen sollten. Politische Beruhigung werde- aber erst durch die Rückkehr zur nationalen und tradi­tionellen Monarchie herbeigeführt werden. Nachdem, dann der Graf seine politische Rolle seit dem Kriege 1870 dargelegt hat, fährt er fort: Wenn ich Fehler begangen habe, so habe ich sie bona üäs begangen. Alle meine Handlungen sind mir stets durch meine Hingebung an Frankreich und an die Sache, welche ich vertrete, eingegeben worden. Mein Ziel ist immer gewesen, das traditionelle Prinzip zu bewahren, zu dessen Hüter mich meine Geburt gemacht hat. Ich wollte Frankreich beweisen, daß dieses Prinzip mit den modernen Ideen und der gegenwärtigen Gesell­schaftsordnung nicht unvereinbar ist. Schließlich wiederholt der Graf den Wunsch, daß Frankreich zur christlichen Monarchie zurückkehren möge.

London, 17. Sept. Nach einer Meldung derCentral News" aus Söul haben die Japaner die chinesischen Verschanzungen bei Mong San am Freitag gestürmt und den Chinesen eine bedeutende Niederlage beigebracht. Die Chinesen sollen 15000 Mann verloren haben. Mehrere Generale seien ge­fangen genommen und sämtliche Vorräte der Chinesen erbeutet worden. Die Verluste der Japaner betrügen nur 30 Mann.

London, 18. Sept. Nach einer Drahtnach­richt hiesiger Blätter aus Ping Dang betrug der Verlust der Chinesen in der Schlacht vom Freitag auf Samstag ca. 17 000 Mann. Heber 14000 da­

anmutige, edelgebvrene Frauen kunstvolle Goldstickereien fertigen, und sehnsüchtigen Blickes die Heimkehr ihrer Ritter und Herren erharrten.

Plötzlich trafen Stimmen mein Ohr.

Ich bitte Dich, Ernst, laß uns Heimreisen! Wamm sitzen wir nun schon zwei Tage in diesem teuren Baden-Baden," bat eine weiche, mir bekannte Frauen­stimme.

Aber kleine Thörin, Baden-Baden ist doch herrlich! Heute Abend sollst Du staunen! Großes Konzert, Feuerwerk, Reunion. Wir tanzen, und amüsieren uns. Und Du hast mich, liebe« Herz."

Das Paar mußte auf der Bank am Fuße der Ruine sitzen, denn es klang nun der Schall zahlloser Küsse deutlich herauf.

Und dann lachte er hell auf. Ernst Weigel« unwiderstehliches Laiben.Siehst Du, Schatz, das wußte ich, wenn Du blos mich hast, nachher hältst Du es sogar in Baden-Baden aus."

Ja Ernst, weil ich Dich anbete. O, wenn Du mich jemals täuschen könntest, ich stürbe daran. Weil wir uns aber so innig lieben, so denke ich immer: Daheim ist's am Allerschönsten. Warum immer bei diesen zahllosen Menschen, in diesem betäubenden Sprachgewirrs?"

Sei nicht kindisch, Paula! Wir reisen heim, wenn's Zeit ist. Jetzt habe ich auf zwei Uhr ein feines Diner bestellt. Gehen wir also über das neue Schloß hin­ab," entgegnete er merklich verstimmt.

Ich beugte mich über die zerbröckelte Brüstung, da unten gingen sie thal- abwärts, mein Ohr hatte mich nicht getäuscht. Hielten die geborgten hundert Mark wirklich noch vor? Das Pflaster in diesem Welt- und Luxusbade ist doch wahrlich nicht billig. Bis jetzt schien die Blindheit der jungen Frau noch nicht gewichen. Sie betete ihn sogar noch an, den Herrn Leichtfuß.-

Der Nachmittagskorso in der Lichtenthaler Allee war an diesem klarsonnigen Epätsommertag so wechselvoll belebt wie kaum in der Hochsaison. Meine Freundin

und ich schleuderten auf der breiten Promenade, unter den schattenden Bäumen immer umringt von dichten Kolonnen eleganter Kurgäste und schlichter Touristen. Man plauderte ungeniert lebhaft in allen Zungen. Kostbare Toiletten fesselten die Augen der minder eleganten Passanten. Auf den Polstern der unablässig inmitten der Allee rollenden Equiwagen wiegten sich graziöse Frauengestalten, eine Schau­stellung von Jugend. Schönheit und Reichtum.

Unter all diesen, scheinbar von Fortunas Huld beschützten, flog auch unser hochzeüsreisendes Paar, wie ein Phantom, in elegantem Landauer an uns vorüber.

Der junge Gatte mußte neue Hilfsquellen entdeckt haben. Oder war es wirklich, wie er gegen seinen Lehrherrn behauptet hatte, nur ein verspätetes Eintreffen erwarteter Gelder gewesen?

Jedenfalls sah er aber sehr selbstbewußt und ungemein hübsch aus. Sein Frauchen lächelte ihn bewundernd an, denn er war ja glücklich und mit ihr zufrieden.

Wie es kam, daß ich abends im Hotel nicht gleich schlief, ich weiß es selbst nicht. Meine Frau, die schlief längst den Schlaf des Gerechten. Ich war mir nun zwar auch nicht bewußt, Schand- und Frevelthaten verübt zu haben. Dennoch wart» es mir unerträglich heiß und bange. Ich erhob mich leise, hüllte mich in meinen warmen Reisemantel und trat behutsam hinaus auf den kleinen Balkon. Das Zimmer lag im zwecken Stock. Die Nacht war warm und still. Es mochte etwa gegen Mitternacht sein. Auf dem Glasdach des Speisesaals sang eine Katze einige Coloratur-Arien Im Treppenhaus des Hotels war noch stetes Kommen und Gehen. Ich lehnte an dem zierlichen Eisengitter und atmete tief die von den Bergen kommende reine Luft, als unter mir die Balkonthür der Belletage klirrte. Ernst Weigels auf­geregte Stimme tönte herauf.

Fange um Alles nicht an zu weinen! Ich kann Thränen nicht sehen, und Frauen macht das Weinen entschieden häßlich. Eine häßliche Frau ist aber ein Unglück für einen schönheitsliebenden Mann!"

(Schluß folgt.)